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IV. Besondere Vollstreckungsvoraussetzungen

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Zusätzlich zu den allgemeinen müssen auch die so genannten besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen. Hierbei handelt es sich zum einen um die in den §§ 751 und 756 ZPO genannten, unmittelbar vom Vollstreckungsorgan zu prüfenden „Bedingungen“. Dazu gehören der Eintritt eines bestimmten Kalendertags sowie der Nachweis, dass die für die vorläufige Vollstreckung erforderliche Sicherheit geleistet wurde (§ 751 II ZPO). Bedeutsam ist auch das Angebot der Gegenleistung bei einer Verurteilung zur Leistung „Zug um Zug“[35].

Die Verurteilung „Zug um Zug“ erfolgt immer dann, wenn der Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht hat. Das ist bei vertraglichen Schuldverhältnissen wegen § 320 BGB (Einrede des nicht erfüllten Vertrags) der Normalfall.

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Beispiel 9

(Leistungspflicht Zug um Zug): Schuldner S hat von G einen Gartenpavillon gekauft. Dieser steht bei G zur Anlieferung bereit, aber S hat bisher nicht gezahlt. G verklagt S auf Bezahlung. Was für einen Titel wird er erhalten? Wie kann er daraus vollstrecken?

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In Beispiel 9 wird G nur ein Urteil auf Zahlung Zug um Zug gegen Übereignung des Pavillons erhalten. Denn die Pflicht auf Bezahlung aus § 433 II BGB ist nach § 320 BGB nur im Austausch gegen die Übereignung des Pavillons geschuldet. Dies wirkt sich auch in der Vollstreckung aus. Nach § 756 ZPO muss der Gerichtsvollzieher dem Schuldner die Leistung (wenigstens wörtlich, § 756 II ZPO) anbieten, wenn er bei ihm vollstreckt. So bleibt bis zuletzt für beide Parteien das Risiko einer Vorleistungspflicht ausgeschlossen.

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Zu den Vollstreckungshindernissen, die unmittelbar vom Vollstreckungsorgan geprüft werden, gehören aber auch die in § 775 ZPO genannten Einstellungsgründe. § 775 Nr. 1 ZPO enthält die wichtigsten Tatbestände. Danach ist die Vollstreckung einzustellen, wenn die vollstreckbare Ausfertigung einer Entscheidung vorgelegt wird, welche (1) das zu vollstreckende Urteil aufhebt, (2) die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils aufhebt, (3) die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder (4) die Einstellung der Zwangsvollstreckung anordnet.

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Wichtig ist, dass die Einstellung nicht schon dann erfolgt, wenn der Schuldner ein Rechtsmittel gegen das vorläufig vollstreckbare Urteil einlegt. Um die Einstellung der Vollstreckung zu erreichen, ist vielmehr ein gesonderter Antrag nötig, auf den das Gericht die Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung anordnen kann (§§ 719, 707, 775 Nr. 2 ZPO).

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Ein weiteres Hindernis für die Vollstreckung besteht, wenn der Gläubiger durch Zahlung auf die Forderung oder anderweitig befriedigt wurde. Nach § 775 Nrn. 4 und 5 ZPO führt auch dies (bei ordnungsgemäßem Nachweis und wenn es nicht vom Gläubiger bestritten wird[36]) zur Einstellung der Vollstreckung.

Schließlich besteht bei Eröffnung der Insolvenz über das Schuldnervermögen das Vollstreckungshindernis des § 89 InsO.

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Fall 1 (Voraussetzungen der Klauselerteilung):

Die G, eine Bauträgerin, verkaufte der S mit notariellem Vertrag eine noch zu errichtende Eigentumswohnung zum Preis von 500 000 Euro. Die Parteien vereinbarten eine Zahlung nach Baufortschritt. Die letzte Ratenzahlung in Höhe von 100 000 Euro sollte nach vollständiger Fertigstellung erfolgen. Die Parteien vereinbarten individuell, dass die Fertigstellung durch eine gutachterliche Fertigstellungsbescheinigung und nicht durch die Abnahme eintreten sollte, weil S sich längerfristig im Ausland aufhielt. Wegen der Zahlungsverpflichtungen unterwarf sich die S in dem notariellen Bauträgervertrag der sofortigen Zwangsvollstreckung. G zeigte der S in der Folgezeit die Fertigstellung der Eigentumswohnung wie vereinbart durch Fertigstellungsbescheinigung an. S zahlt die letzte Rate trotzdem nicht, weil sie sich auf Baumängel beruft. Wie kann G gegen S den noch ausstehenden Betrag vollstrecken?

Lösungshinweise:

Vorüberlegung: Vorliegend begehrt die G die Vollstreckung aus einer Geldforderung. Sie wird also nach den §§ 803 ff ZPO vorgehen. Aber an diesem Punkt ist sie derzeit noch nicht. Sie muss zunächst dafür sorgen, dass überhaupt die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen.

G kann gegen S den noch ausstehenden Betrag vollstrecken, wenn die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen sowie die allgemeinen und die besonderen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen.

A. Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen

Von dem Vorliegen der allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen ist auszugehen (Schwerpunktsetzung!).

B. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen

Es müssen aber auch die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen (Titel, Klausel, Zustellung).

1. Titel

Die notarielle Unterwerfungserklärung stellt einen Titel nach § 794 I Nr. 5 ZPO dar. Unwirksamkeitsgründe sind hier nicht erkennbar.

2. Klausel

Eine Klausel hat die G derzeit noch nicht. Zu prüfen ist, wie sie die Klausel erfolgreich beantragen kann.

a) Zuständigkeit

Nach § 724 ZPO ist der Antrag beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu stellen, wenn es sich um eine einfache Klausel nach § 724 ZPO handelt, nach § 726 ZPO ist dagegen der Rechtspfleger (§ 20 I Nr. 12 RPflG) zuständig, wenn es sich um eine qualifizierte Klausel nach § 726 ZPO handelt. Das gilt nach § 795 S. 1 ZPO für alle in § 794 ZPO bezeichneten Titel, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Hier besteht eine abweichende Bestimmung. Es greift nämlich die Sonderregelung in § 797 II ZPO ein. Da es sich bei dem Titel in diesem Fall um eine notarielle Urkunde handelt, die der ausführende Notar in Verwahrung hält, muss der Notar nach § 797 II ZPO auch die vollstreckbare Ausfertigung des Titels erteilen. Das gilt ohne Unterschied für einfache und qualifizierte Klauseln.

b) Einfache oder qualifizierte Klausel

Gleichwohl unterscheidet der Notar bei der Erteilung zwischen einer einfachen und qualifizierten Klausel. Denn die qualifizierte Klausel darf er nur unter den Voraussetzungen der §§ 726 ff ZPO erteilen.

Fraglich ist hier, ob eine Klausel nach § 726 ZPO erforderlich ist, für die dann noch die in § 726 ZPO genannten besonderen Nachweise vorgelegt werden müssten. Das ist der Fall, wenn die Vollstreckung von dem Eintritt einer vom Gläubiger zu beweisenden Bedingung abhängt.

Vorliegend ist die Zahlung der letzten Rate erst fällig, wenn das Werk vollständig fertiggestellt ist. Die Vollstreckung der Ratenzahlung steht daher unter der Bedingung, dass das Werk vollständig fertiggestellt wurde. § 726 ZPO setzt aber auch voraus, dass der Vollstreckungsschuldner die Beweislast für den Bedingungseintritt trägt. Wann dies der Fall ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Beweislastregeln. Da die Fertigstellung des Werks eine Voraussetzung des Zahlungsanspruchs ist, trägt der Bauträger nach den allgemeinen Regeln die Beweislast dafür, dass das Werk ordnungsgemäß erstellt wurde. Die Beweislast geht erst auf den Besteller über, wenn dieser das Werk abgenommen hat (§ 640 BGB).

G muss also eine qualifizierte Klausel nach § 726 ZPO beantragen. Da die Fertigstellung hier auch weder offenkundig ist, noch von S zugestanden wird, muss G dazu eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde vorlegen.

Möglicherweise könnte G dazu eine öffentlich beglaubigte Fassung der Fertigstellungsbescheinigung vorlegen, die der Gutachter ausgestellt hat. Dann müsste dies eine den Anforderungen des § 726 ZPO genügende öffentlich beglaubigte Urkunde sein.

Das könnte man eindeutig bejahen, wenn die Beglaubigung der Bescheinigung einen Nachweis über die Fertigstellung selbst enthalten würde. Daran kann man allerdings Zweifel haben. Denn die öffentliche Beglaubigung bestätigt nur die Echtheit der Unterschrift und den Zeitpunkt der Beglaubigung, nicht aber die Fertigstellung des Werkes[37].

Man könnte aber auch Argumente dafür finden, dass eine beglaubigte Fertigstellungsbescheinigung hier als Urkunde iSd. § 726 I ZPO genügt. Das könnte man insbesondere aus dem Willen der Parteien ableiten, welche die Abnahme bewusst durch die Fertigstellungsbescheinigung ersetzen wollten. Nimmt man dies ernst, dann sollte mit Ausstellung der Bescheinigung die Beweislast umgekehrt sein, ebenso, wie es durch eine Abnahme geschehen wäre. Folglich braucht wirklich nur die Echtheit der Fertigstellungsbescheinigung bestätigt zu sein und nicht die tatsächliche fehlerfreie Fertigstellung des Werkes. Eine beglaubigte Fassung der Fertigstellungsbescheinigung reicht bei einem solchen Verständnis also als Nachweis aus.

Folgt man dieser letztgenannten Argumentation, so muss der Notar die qualifizierte Klausel erteilen.

Zum Hintergrund: Die Fertigstellungsbescheinigung war bis zum 1.1.2009 in § 641a BGB eine gesetzlich vorgesehene Alternative zur Abnahme. Obwohl die Norm abgeschafft wurde, bestehen keine Bedenken dagegen, dass die Vertragsparteien die Vorlage einer solchen Bescheinigung hier privatautonom vereinbart haben. Da es sich um eine individuelle Absprache handelt, erfolgt auch keine Kontrolle nach §§ 305 ff BGB. Als § 641a BGB noch in Kraft war, hätte man zusätzlich noch mit dem Normzweck argumentieren können: Der Gesetzgeber wollte nämlich insbesondere, dass die Erklärung im Urkundenprozess verwendbar sein sollte. Das legt den Schluss nahe, dass dieselbe beglaubigte Erklärung auch genügen sollte, um eine Klauselerteilung durch einen Notar zu erwirken[38].

3. Zustellung

Des Weiteren müssen Titel und Klausel wirksam zugestellt werden (§ 750 I ZPO).

C. Besondere Verfahrensvoraussetzungen

Zu den besonderen Verfahrensvoraussetzungen ist dem Sachverhalt nichts zu entnehmen. G kann in jedem Fall im Anschluss an die Klauselerteilung die Vollstreckung beginnen, da die besonderen Voraussetzungen erst vom Vollstreckungsorgan geprüft werden.

§ 3 Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung › III. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen › V. Übersicht: Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung

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