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e) Rechtsvergleichende Auslegung

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Der EuGH verwendet gelegentlich auch die rechtsvergleichende Auslegung, indem er auf die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zurückgreift und von diesen Schlüsse auf das EU-Recht zieht.[44] Die rechtsvergleichende Auslegung wird vom EuGH besonders dann verwendet, wenn es darum geht, allgemeine Rechtsgrundsätze für das EU-Recht zu erschließen, die dieses selbst nicht – genau genommen sollte es heißen: nicht ausdrücklich – enthält.[45] Die Beispiele für diese Rechtsprechung stammen fast immer aus dem Bereich des primären Vertragsrechts.[46] So leitet der EuGH ein allgemeines Verbot des Rechtsmissbrauchs aus den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ab.[47]

Der EuGH verwendet rechtsvergleichende Erwägungen bei der Auslegung von Richtlinien kaum.[48] Das hat seine Ursache aber nicht etwa darin, dass er Rechtsvergleichung ablehnt. Wie gezeigt zieht er rechtvergleichende Überlegungen bei allgemeineren Fragen gern heran. In den Richtlinien sind dagegen oft recht spezielle Einzelfragen geregelt, für die sich die Rechtsvergleichung kaum eignet. Außerdem hat eine Richtlinie oft ein spezifisches, binnenmarktorientiertes Ziel, welches so in den einzelnen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen nicht vorkommt. Dann ist die Verfolgung des „effet utile“ (Rn. 111) und die Autonomie der Richtlinienauslegung wichtiger als etwaige rechtsvergleichende Überlegungen.

Das muss jedoch nicht immer der Fall sein. Gerade wenn die Richtlinien allgemeinere Inhalte haben, wie etwa die Verbrauchsgüterkauf-RL, kann es hilfreich sein, sie (wiewohl vorsichtig und wertend, ohne Aufgabe der Autonomie) rechtsvergleichend auszulegen. Da die Richtlinien in manchen Bereichen (wie bei den kaufrechtlichen Gewährleistungsrechten) auf der Basis rechtsvergleichender Arbeit zustande gekommen sind, entspricht es ihnen dann oftmals, auch bei der Auslegung in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zu schauen. Die autonome Auslegung führt dann also geradezu zum Rechtsvergleich.

Auch die verschiedenen wissenschaftlichen Vorarbeiten für ein europäisches Kauf- oder Schuldrecht, wie die Lando-Grundregeln[49] oder der Referenzrahmen, können gelegentlich für das Verständnis der allgemeineren Richtlinien nützlich sein. Sie haben zwar keinerlei Verbindlichkeit. Sie heranzuziehen kann aber der Vereinfachung dienen, weil sie bereits fertige, rechtsvergleichend – wiewohl zugleich auch wertend – zusammengetragene Grundgedanken europäischen Privatrechts sind.[50] Jedoch ist darauf zu achten, dass die Lando-Grundregeln nicht am Verbraucherschutz orientiert sind. Wo immer die Richtlinien verbraucherschützenden Charakter haben, muss also bei der Heranziehung der Lando-Grundregeln mit besonderer Vorsicht vorgegangen werden.

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Aus methodischer Sicht ist von Interesse, dass der EuGH nie in einem strengen Sinne rechtsvergleichend arbeitet. Er vergleicht nicht etwa alle zur Verfügung stehenden Rechtsordnungen, sondern er geht wertend vor und zieht nur ausgewählte Rechtsordnungen heran,[51] denen er Anregungen entnimmt.[52] Vor allem für die Verbrauchsgüterkauf-RL bietet sich schließlich ein Vergleich mit dem CISG an, das bei der Entstehung zumindest in einigen Fragen als (ein) Vorbild diente.[53] Insgesamt muss die (in dieser Form durchgeführte) Rechtsvergleichung als wichtige Methode eingeschätzt werden.

Zusätzlich betreibt der EuGH noch eine ganz andere Art von Vergleich. Er vergleicht, wenn nötig, auch die Fassungen des AEUV sowie des sekundären EU-Rechts in den verschiedenen Sprachen.[54] Dieser Wortlautvergleich gehört eher in den Bereich der wörtlichen oder auch systematischen Auslegung.[55]

§ 4 Umsetzung, Anwendung und Auslegung von EU-Privatrecht › B. Die Anwendung des EU-Privatrechts › III. Rechtsfortbildung im EU-Recht

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