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DER SUMPFWALD

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Ariella, noch immer unter dem Eindruck der gefräßigen Spinnentiere stehend, folgte den beiden Halblingen auf dem Fuß.

Sie kannte diese Welt nicht, wusste nichts von den hier lauernden Gefahren. Gefahren, die sich oftmals hinter Schönheit und Anmut verbargen.

Samwinn hatte sie gewarnt, doch sie hatte die Warnung auf die leichte Schulter genommen. Aber nochmal würde ihr das nicht passieren!

Stumm eilten sie an der sich langsam beruhigenden Spinnenmeute vorüber, die sich wieder zurückbildete, um nach und nach enttäuscht in den Blütenköpfen zu verschwinden.

SIE WAREN SO HUNGRIG!

Gierig sahen viele von ihnen dem so sicher geglaubten Futter hinterher.

Ariella beeilte sich zu den beiden Halblingen aufzuschließen, die für ihre Größe und ihre dementsprechend kurzen Beine ein so erstaunliches Tempo vorgaben, dass sie sich auf ihren langen Beinen beeilen musste, um nicht den Anschluss zu verlieren.

Die beiden Sonnen waren schon hinter den hohen Bäumen verschwunden. Ein rotes Leuchten erfüllte den Himmel. Nicht mehr lange und es wurde Nacht.

„Müssen wir etwa die Nacht in dem Wald zubringen?“, fragte Ariella mit einem unbehaglichen Gefühl in der Magengegend, in der sich mittlerweile auch der Hunger bemerkbar machte.

„Das dürfte ganz schön ungemütlich werden“, fügte sie hinzu, als sie keine Antwort erhielt. „Schließlich sind wir dafür nicht ausgerüstet. Außerdem konnte ich mich noch nie für Camping begeistern.“

„Was ist Camping?“, wollte Finntam wissen.

Ariella starrte ihn verwundert an.

„Ariella sagt so komische Sachen. Weißt du, was sie meint?“, fragte Finntam seinen Freund.

Samwinn schüttelte den Kopf.

„Camping bedeutet, eine Zeit lang in einem Zelt oder in einem Wohnwagen zu leben“, erklärte Ariella.

Die beiden Halblinge sahen sie aus großen Augen verständnislos an.

„Zelte sind winzige Räume aus Stoff, in die man zum Schlafen hineinschlüpfen muss, versteht ihr?“

„So wie in eine Höhle?“, fragte Samwinn.

Ariella nickte. „Ja, aber wahrscheinlich ist darin wohl oftmals mehr Platz“, erwiderte Ariella.

Finntam schüttelte den Kopf. „Und warum nennst du eine Höhle dann Campick?“

„Camping“, verbesserte Ariella ihn.

„Auch gut“, nickte Finntam.

Ariella sah ihn hilflos an.

„Ach was! Das macht doch nichts“, kicherte Finntam. „Dann sagen wir ab jetzt eben Campick!“

Schweigend eilten sie weiter.

„Wir sind bald da“, freute sich Samwinn. „Siehst du da vorne die kleine Brücke?“ Und als Ariella nickte: „Sie führt über einen See, hinter dem der Sumpfwald beginnt.“

„Wieso Sumpfwald?“, fragte Ariella alarmiert.

„Weil es dort gefährliche Sümpfe gibt, das ist doch klar“, sagte Finntam kopfschüttelnd. „Campick“, murmelte er. „Aber nicht wissen, wieso ein Sumpfwald so heißt.“

„Hör auf vor dich hin zu grummeln“, sagte Samwinn gutmütig und legte den Arm um die schmalen Schultern seines Freundes und besten Kameraden.

„Du musst das verstehen, Finntam. Es ist für Ariella wahrlich nicht leicht. Zuerst verliert sie auf schreckliche Art und Weise ihre Familie. Dann soll sie plötzlich eine ganz neue und fremde Welt retten, von der sie gestern nicht einmal ahnte, dass sie existiert

Und dann findet sie sich zu guter Letzt auch noch an der Seite von zwei Halblingen, die sie für Menschenkinder hielt, in eben dieser nicht existenten Welt wieder, mit nichts als dem, was sie auf dem Leibe trägt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich an ihrer Stelle da noch frohen Mutes wäre.“

Ariella, die sich etwas hatte zurückfallen lassen, hörte Samwinn lächelnd zu. Dabei fiel ihr überhaupt nicht auf, dass sie auf diese Entfernung die Worte des Halblings klar und deutlich verstehen konnte, etwas, das für sie vor dem Betreten dieser Welt unmöglich gewesen wäre.

„Du hast ja recht, Samwinn“, hörte Ariella Finntam laut und deutlich sagen, obwohl dieser flüsterte, damit sie von dem Gespräch bloß nichts mitbekam.

„Ich mag diese Menschenfrau ja auch. Aber sie sagt manchmal so seltsame Sachen, die ich einfach nicht versteh. So was wie dieses Campick oder dieses andere Ding, das sie sich ans Ohr gehalten hat.“

„Du meinst den kleinen schwarzen Kasten, das Handy wie sie es nannte. Ich weiß auch nicht, was das sollte. Aber sie kommt eben aus einer anderen Welt. Sicherlich ist ihr unsere Welt ebenso fremd wie uns ihre. Aber wir werden uns schon noch aneinander gewöhnen. Wir haben uns ja gerade erst kennengelernt.

Ach ja, was ich dir noch sagen wollte, Finntam: Das andere fremde Wort heißt nicht Campick sondern Camping!“

Finntam kicherte. „Das weiß ich doch. Ich wollte sie nur ein bisschen foppen“, erwiderte er schmunzelnd. „Aber ich finde es toll, dass du dir den Namen von dem kleinen Kasten gemerkt hast.“

„Kein Problem“, winkte Samwinn lässig ab.

Sie sind lieb, dachte Ariella lächelnd. Und so unschuldig wie harmlose Kinder. Hoffentlich vermag ich ihre Erwartungen zu erfüllen, obwohl ich mir nicht vorstellen kann wie!

„Wir sind da, Ariella“, riss Samwinns Stimme sie aus ihren Gedanken. Sie hatten ihr erstes Ziel erreicht.

Eine braune Holzbrücke schwang sich in einem eleganten Bogen über den See, der glatt und bewegungslos darunter lag. Die Brücke endete am gegenüberliegenden Ufer nicht allzu weit entfernt von dem Sumpfwald, zu dem sie nach Samwinns Worten unbedingt hingelangen mussten.

„Wir sollten uns beeilen, damit wir noch im Hellen den Wald erreichen“, drängte Samwinn und setzte sich in Bewegung. Geschwind eilte er gefolgt von Finntam und Ariella über die massive Brücke.

Samwinn hat meine Frage nach der Übernachtung nicht beantwortet, dachte Ariella, während sie den beiden Halblingen hinterherlief.

Konnte oder wollte er nicht?

Auf was habe ich mich da nur eingelassen! Aber jetzt ist es zu spät. Ich kann nur das Beste hoffen und den beiden kleinen Gestalten vor mir vertrauen. Sie rückte ihre Schultertasche zurecht und eilte ihnen hinterher.

Am Ende der Brücke erstreckte sich bis hin zum Wald, der lange Schatten warf, eine weite, mit Buschwerk bewachsene Fläche. Vereinzelte Tuffs von Wildblumen brachten Farbe zwischen das Grün der Büsche und Nektar für Bienen und andere Insekten. Doch um diese Tageszeit schienen nicht mehr viele unterwegs zu sein. Vielleicht fanden sie hier aber auch nicht genügend Nahrung. Ariella war es nur recht, denn auf Insektenstiche konnte sie gut verzichten.

„Und wie geht es jetzt weiter?“, wollte sie wissen.

„Sobald wir den Wald betreten haben, regelt sich alles wie von selbst“, erwiderte Samwinn so geheimnisvoll wie ein Orakel.

„Dann mal los!“, drängte Finntam übellaunig. „Ich hab solchen Hunger, dass mir mein Magen schon in den Kniekehlen hängt.“

„Den Spruch kenne ich“; sagte Ariella lachend. „So verschieden sind wir anscheinend gar nicht! Und Hunger und Durst habe ich auch!“

„Also dann“, sagte Samwinn und spurtete in Richtung Wald davon.

Die Vorsehung

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