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DER HINTERHALT

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Die Morgendämmerung hatte die Schatten der Nacht vertrieben. Langsam wurde es hell. Koktos musterte grinsend die enge Schlucht, die sich durch das Mareta-Gebirge schlängelte.

Der Hinterhalt war gut gewählt!

Mit Hilfe von dreißig Söldnern, die ihm hierher gefolgt waren, würde der Plan gelingen. Ein guter Einstieg für das neu angeheuerte Söldner-Gesocks, dachte Koktos abfällig.

Nur dass der Schattenfürst befohlen hatte, keine modernen Waffen von der Erde einzusetzen, sondern Armbrüste und Waffen die auf Smethama bekannt waren, gefiel Koktos überhaupt nicht. Es hätte ihn sehr interessiert, die Wirkung der auf der Erde üblichen Kampfgeräte zu erleben.

Natürlich hatte er sich seinen Wunsch nicht anmerken lassen. Sein Herr und Gebieter musste ihn schließlich weiterhin für einfältig halten, wollte er noch eine Weile leben.

Ihr auf Smethama seid mit unseren Waffen nicht vertraut. Außerdem würde ein solcher Einsatz nicht unbemerkt bleiben und bei den Bewohnern Smethamas viele Fragen aufwerfen. Und da niemand von der Existenz der Erde wissen darf, wirst du dafür sorgen, dass das auch so bleibt. Hast du verstanden, Koktos? hörte er die eisige Stimme des Schattenfürsten so deutlich sagen, als stünde dieser neben ihm.

Und was ist mit den Söldnern? Auch wenn ich sie mit verbundenen Augen nach Smethama gebracht habe, werden sie irgendwann Fragen stellen, schon wegen der fremdartigen Lebewesen, dachte Koktos.

Die Söldner waren zwar überrascht gewesen, als er ihnen die ungewohnten Waffen übergab, hatten sich jedoch schnell daran gewöhnt. Sie mussten es ja nicht gleich zur Meisterschaft damit bringen. Aus dem Hinterhalt damit auf Ahnungslose zu schießen, erforderte schließlich eher mehr Kraft als Treffsicherheit.

Ich kann die Menschen ebenso wenig leiden wie die Bewohner Smethamas, egal zu welchem Volk sie gehören. Trotzdem habe ich mich insgeheim für ein Leben auf der Erde entschieden, die einem Lebewesen wie mir unbegrenzte Möglichkeiten eröffnet. Aber noch ist es nicht soweit, aber bald, dachte er grinsend.

„Bist du ganz sicher, dass der Trupp diesen Weg nimmt?“, fragte Ronko in Koktos’ Gedanken hinein. Dieser hatte den hünenhaften Söldner nicht kommen hören und zuckte zusammen.

Wie gerne würde ich dir eins auf dein vorlautes Maul geben, dachte Koktos geringschätzig. Aber fürs Erste brauche ich dich Idioten noch. Er starrte weiter in die Schlucht und antwortete nicht.

„Ich hoffe nur, dass die es sich nicht anders überlegt haben“, dachte Ronko laut. „Vielleicht haben sie keine Lust, so früh am Morgen durch die Gegend zu marschieren, was meinst du?“

Koktos fuhr herum wie eine bösartige Viper und starrte den Glatzköpfigen an, der über die Mitte des ansonsten kahlen Kopfes bis in den Nacken einen schwarz gefärbten Hahnenkamm trug. „Sieh zu, dass du Land gewinnst“, knurrte Koktos böse.

„Eljan schickt mich“, meldete sich Norten hinter ihnen. „Ich soll euch sagen, dass sie kommen. Ihr sollt die Netze bereit machen.“

Koktos funkelte den einen Kopf kleineren, jedoch muskulösen Söldner wütend an. Dieser neue Söldnerführer stank ihm schon jetzt. Doch bevor er seiner Wut freien Lauf lassen konnte, ging es los.

Eljan, der neue Söldnerführer, hatte zwar recht gehabt. Aber es waren nur drei in gehärtetes Leder gerüstete Zwerge, die das Terrain sondierten.

Doch der erfahrene Söldnerführer hatte seine Leute so gut platziert, dass die drei Zwergen-Kundschafter keinen Verdacht schöpften. Sie kannten sich gut im Moreta-Gebirge aus und waren schon viele Male durch diese Schlucht marschiert. Es war der kürzeste Weg um zu den Drachenbergen und zur Festung Finsterfels zu gelangen, in der sie beheimatet waren. Nie war etwas passiert und so würde es auch an diesem frühen Morgen sein, dachten sie.

Einer der drei Zwerge schoss einen brennenden Pfeil in die Luft, das Zeichen dafür, dass alles in Ordnung war. Auf ihre Äxte gestützt warteten sie, den Blick auf den Eingang zur Schlucht gerichtet.

Es dauerte nicht lange, da marschierten Zwerge in Dreierreihe in die Schlucht ohne den Hinterhalt zu bemerken.

Den Trupp führte ein etwa fünf Fuß großer Zwerg an, dessen Schultern etwa anderthalbmal so breit waren wie die eines Menschen.

Er trug strapazierfähige Lederkleidung, einen ledernen, mit Metallschuppen verstärkten Brustpanzer, und einen stählernen schwarzen Helm, den zwei silberne Schwingen zierten. In der Hand hielt er eine doppelschneidige, zweihändige Axt, über seiner linken Schulter hing ein mit dünnen Metallplatten verstärkter Schild.

„Was zum Teufel sind denn das für Typen?“, flüsterte Norten. „Sind das etwa Zwerge? Aber die gibt’s doch gar nicht, oder?“

„Nach was sieht’s denn aus?“, knurrte Koktos unwirsch.

Norten starrte ihn an. „Wo sind wir hier eigentlich?“, fragte er leise.

„Das geht dich nichts an“, beschied ihn Koktos. „Du wirst fürs Kämpfen bezahlt und nicht fürs Fragen, kapiert?“

„Aber gegen Zwerge?“, mischte sich Ronko ein.

„Das ist nur der Anfang. Ihr werdet euch noch wundern, gegen wen ihr alles bestehen müsst“, zischte Koktos gallig.

Die beiden Söldner starrten ihn sprachlos an.

„Das hast du uns aber nicht gesagt, bevor wir unterschrieben haben“, erwiderte Ronko giftig.

„Ach, halt’s Maul“, knurrte Koktos böse. Er griff nach einem der dichtmaschigen Netze. „Was ist? Fasst gefälligst mit an!“

Sie schleiften das Netz zum Rand.

„Wir werfen es runter, sobald sie direkt unter uns sind“, befahl Koktos.

Die Zwerge marschierten ahnungslos weiter in die Schlucht hinein, die sich zum Ausgang hin immer mehr verengte, bis der Trupp seine Dreierreihen auflösen und sich hintereinander einreihen musste.

„Jetzt!“, schrie Koktos. Und im selben Moment flogen Netze auf beiden Seiten der Schlucht auf die überraschten Zwerge hinunter, denen kein Platz zum Ausweichen blieb. Die zahlreichen Nischen, Spalten und Vorsprünge in dem Gestein boten den Söldnern perfekte Verstecke für ihren Überfall.

Nur einige Zwerge an der Spitze des Trupps entkamen dem Netz und setzten sich vehement gegen die wie Ungeziefer von den Felswänden herabströmenden Söldner zur Wehr. Doch die Söldner waren erbarmungslose Gegner und den wenigen, den Netzen entkommenen, Zwergen zahlenmäßig überlegen.

Zwar versuchten sich die gefangenen Zwerge verzweifelt zu befreien, doch die Netze waren so stabil, dass ihnen mit Messern und Äxten kaum beizukommen war. Außerdem hatten sie sich in dem Flechtwerk, welches aus einem ihnen unbekannten Material gefertigt war, so sehr verheddert, dass sie Gefahr liefen, bei einer Befreiungsaktion ihren Nachbarn zu verletzen.

Nachdem die wenigen noch freien Zwerge überwältigt waren, erledigten die Söldner brutal den Rest, indem sie die gefangenen Zwerge mit Knüppeln bewusstlos schlugen. Wobei sich Koktos wieder einmal durch seine Brutalität besonders hervortat.

Aus den Netzen befreit und entwaffnet, wurden sie an den Händen gefesselt und danach mit einem besonders intensiv wirkenden Riechsalz aus ihrer Bewusstlosigkeit geholt.

Die Zwerge kamen taumelnd auf die Beine und sahen sich verständnislos um. Was war passiert? Nur langsam erkannten sie ihre Lage, obwohl sie noch nicht begriffen, wer dahinter steckte.

Es war eine lange Reihe Gefangener die da hintereinander zusammengebunden aus der Schlucht trotteten. Sie waren zornig, doch das nützte ihnen nichts. Sie hatten sich zu ihrer Schande wie wilde Tiere einfangen lassen! Und das wurmte die stolzen Zwerge am allermeisten.

„Du Kergam, weißt du, was mit Herrn Sakon ist?“, rief Tabek Goldglanz seinem Hintermann zu.

„Keine Ahnung. Aber ich glaube nicht, dass er entkommen konnte“, erwiderte Kergam Titanhüter niedergeschlagen. „Ich kann kaum glauben, dass wir in so eine dämliche Falle getappt sind. Ich könnte mich …“

„Hier wird nur geredet, wenn ich es erlaube“, knurrte Koktos neben dem Zwerg und … schlug zu! Kergam keuchte vor Schmerz, als sein Nasenbein brach.

„Das wird dir eine Lehre sein“, feixte Koktos hämisch. „Beim nächsten Mal kommst du nicht so billig davon. Du hast Glück, dass wir euch Gesindel in der Diamantenmine brauchen!“

„Was denn für eine Diamantenmine?“, rutschte es Tabek Goldglanz heraus.

„Das wirst du schon noch früh genug sehen“, knurrte Koktos. Die hasserfüllten Blicke der Gefangenen ließen den Schlächter unbeeindruckt, darüber lachte er nur. Aber für die toten Söldner würden sie bezahlen, obwohl er denen keine Träne nachweinte. Ihn ärgerte nur, dass er schon wieder in die andere Welt überwechseln musste, um neue Söldner anzuheuern.

Noch fanden sich an dem Treffpunkt genügend Interessierte ein, doch er wagte sich nicht vorzustellen, sollte sich das irgendwann mal ändern. Immer blieb dieser Mist an ihm hängen. Als ob er nichts anderes zu tun hätte!

Die Vorsehung

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