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9.

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Sonntag später Vormittag auf dem Weg zum St.-Vinzenz-Krankenhaus. Clemens öffnet die Beifahrertür seines Porsches. Kaum hat sich Maria in den tiefen Schalensitz fallen gelassen, drückt er die Tür behutsam zu. Wie oft hat sie sich diese Geste verbeten, bis sie begriffen hat, dass Clemens einfach nur ein höflicher Mensch ist und kein Angeber-Macho mit Porsche. Mittlerweile gefällt es ihr sogar, und wenn Clemens mal nicht daran denkt, zeigt sie wortlos auf die Tür.

Clemens startet den Motor und fährt vom Parkplatz des Polizeipräsidiums herunter Richtung St.-Vinzenz-Krankenhaus. Sie wollen den Freund von Senta Hartmann, Dr. Justus Lamberty, befragen. Maria amüsiert sich immer wieder gerne über den rasanten Fahrstil ihres Kollegen, den er mit einer leichten Desorientierung verbindet. Selbst seine Mutter, die mit ihren über achtzig Jahren immer noch gut und sicher Auto fährt, wundert sich über die Streckenwahl ihres Sohnes. Doch er hat es sich längst abgewöhnt, den beiden Frauen zu widersprechen, sie kennen einfach immer den kürzeren Weg. Auch dieses Mal kann Maria es nicht lassen. »Geht ja eigentlich ziemlich direkt, Rheinufertunnel, Klever Straße, noch drei Ampeln, dann sind wir schon da.«

»Die Hoffnung stirbt zuletzt.« Clemens nimmt es locker. Er mag es, wenn Maria ihn mit Kleinigkeiten neckt. Auch wenn es an seinem Ego nagt, dass er sich so schlecht orientieren kann.

Auf der Station werden sie von Oberschwester Christa freundlich begrüßt. Sie bittet den angekündigten Besuch um etwas Geduld, denn Dr. Lamberty ist noch im OP, etwa zwanzig Minuten. Bis zur Visite sei etwas Zeit, aber nicht viel, um mit ihm zu sprechen. Den Hinweis, derweil in der Cafeteria einen Kaffee zu trinken, nehmen Clemens und Maria gern entgegen. Auch wenn Kaffee in Kantinen kein kulinarischer Genuss ist, hilft er doch gegen die aufkommende Müdigkeit.

»Was wissen wir über Lamberty?«

Maria nimmt erst einen Schluck Kaffee, bevor sie antwortet. »Noch nicht viel. Die Recherche von Hendrik hat ergeben, dass er leitender Oberarzt ist und in Fachkreisen ein hohes Renommee als Chirurg besitzt. Er ist unverheiratet, hat keine Kinder und scheint in seiner Arbeit aufzugehen. Lässt kaum einen Kongress aus. Man munkelt, er habe gute Chancen, bald Chefarzt zu werden. Der jetzige steht kurz vor seiner Pensionierung.«

Schweigend beenden die beiden ihre Kaffeepause und gehen zurück zum Aufzug, der sie aus den Niederungen der Klinik – die Cafeteria ist im Keller untergebracht – wieder auf die Station bringt. Dr. Lamberty erwartet sie bereits. Der fast zwei Meter große und schlanke Mittvierziger ist strohblond, seine Haare stehen pfiffig vom Kopf ab, und er trägt eine goldfarbene Nickelbrille. Die stahlblauen Augen blicken freundlich, als er sie in sein kleines Dienstzimmer bittet.

»Leider habe ich nicht viel Zeit, aber ich bin gerne bereit, nach Dienstschluss länger mit Ihnen zu sprechen.«

»Fürs Erste nur ein paar Fragen«, beginnt Clemens. »Wie stehen Sie zu Senta Hartmann?«

»Sie sind ja ganz schön direkt. Worum geht es denn eigentlich?«

»Der Ex-Mann von Frau Hartmann ist ermordet worden«, erklärt Maria den Grund ihres Besuches.

»Ja, ich weiß. Frau Hartmann hat mich direkt angerufen, nachdem sie es erfahren hat.«

»Was hat sie Ihnen mitgeteilt?« Wieder befragen sie abwechselnd.

»Dass Jacques Briest im Grafenberger Wald erschossen worden ist und sie ihn in der Gerichtsmedizin identifizieren musste.«

»Wie wirkte sie bei dem Telefonat?«

»Ziemlich aufgewühlt. Aber das ist ja auch verständlich, nach so einer Nachricht.«

»Wie lange sind Sie schon mit Frau Hartmann zusammen?«, möchte Maria wissen.

»Ich bin Frau Hartmann erst vor einigen Monaten begegnet.«

»Wo war das?«

»Im Düsseldorfer Yachtclub beim Sommerfest. Sie war mit einer Freundin dort, und wir kamen recht schnell ins Gespräch.«

»Sind Sie beide Segler?« Clemens ist wieder an der Reihe.

»Nein, nein«, Lamberty zeigt sich amüsiert. »Ich segle seit meiner frühesten Jugend. Aber Frau Hartmann muss ich erst noch für diesen Sport begeistern.«

»Besitzen Sie ein eigenes Segelschiff?«, will Clemens wissen.

»Nein, so viel Zeit habe ich auch wieder nicht. Für die Ferien chartere ich meistens mit Freunden ein Boot.«

»Wie würden Sie die Persönlichkeit von Frau Hartmann beschreiben?«, meldet sich wieder Maria zu Wort.

»Wir sind ja gerade erst dabei, uns näher kennenzulernen.«

»Eine erste Einschätzung reicht uns vollkommen aus.« Clemens’ Tonfall ist sachlich.

Lamberty überlegt. »Sie ist sehr emotional, hoch sensibel. Eine liebevolle Frau, die bereit ist, viel zu geben, aber dennoch ihren Freiraum braucht. Auf der Bühne ist sie sehr präsent, privat hingegen eher schüchtern, scheu. Die letzten Jahre sind nicht spurlos an ihr vorübergegangen, sodass ihr Nervenkostüm nicht das Beste ist.«

»Wie zeigt sich das?«, fragt Maria.

»Es gibt Situationen, da kann sie sehr schnell ihr inneres Gleichgewicht verlieren, eine Kleinigkeit kann sie dann zutiefst treffen.«

»Wie reagiert sie dann?«

»Aufgebracht oder den Tränen nahe.«

»Würden Sie ihr unüberlegte Handlungen zutrauen?« Die Frage kommt wieder von Clemens.

»Wie meinen Sie das?«

»Dass sie Dinge machen könnte, die sie nachher bereut.«

»Ja, schon, aber nicht so, wie Sie das vielleicht meinen. Sie kann einem schon mal den Hörer aufknallen oder eine Tür zuschlagen, mehr aber nicht. Und sie beruhigt sich auch schnell wieder.«

»Hört sich ein bisschen theatralisch an.« Maria schaut den Arzt mit unbewegtem Gesicht an.

»Nun ja, was erwarten Sie? Frau Hartmann ist Künstlerin, und außerdem ist sie eine Frau.« Maria runzelt die Stirn, doch die Fröhlichkeit des Arztes, der über seine Bemerkung lacht, ist ansteckend. Bevor sie sich davon ablenken lassen, schiebt Clemens schon die nächste Frage nach.

»Kennen Sie den Ex-Mann von Frau Hartmann?«

»Nein. Er ist mir nie begegnet. Und da Frau Hartmann auch keinen Kontakt mehr zu ihm hatte, ist mir das erspart geblieben.«

»Wie ist Ihr Verhältnis zur Tochter von Frau Hartmann?«, hakt Maria nach.

»Ich habe relativ wenig Kontakt zu Marie.«

»Noch eine letzte Frage: Wo waren Sie am Freitag zwischen sechzehn und zwanzig Uhr?« Maria beobachtet Lamberty aufmerksam.

»Nach Dienstschluss um sechzehn Uhr habe ich mich in mein Zimmer zurückgezogen, um einen Vortrag auszuarbeiten, bis ungefähr neunzehn Uhr dreißig. Anschließend bin ich nach Hause gefahren, um mir einen gemütlichen Abend zu machen. Hatte keine Lust mehr auf den Liederabend von Frau Hartmann, dazu war die Woche zu hektisch, zumal ich Samstag Bereitschaft hatte und heute wieder normalen Dienst.«

»Kann das jemand bezeugen?«, fragt Maria.

»Das weiß ich nicht. Ich erinnere mich nur, dass ich ziemlich zügig vorangekommen bin. Spricht eigentlich dafür, dass mich niemand gestört hat, was nun wirklich selten ist.« Er überlegt noch einen Augenblick.

»Der Pförtner müsste mich eigentlich gesehen haben, als ich die Klinik verlassen habe. Und nun müssen Sie mich entschuldigen, ich muss zur Visite.«

»Wenn wir weitere Fragen haben, melden wir uns.«

Und schon eilt Dr. Lamberty mit wehendem Kittel von dannen. Maria schaut sich nach der Oberschwester um, weil sie wissen möchte, wann das Personal der Station befragt werden kann. »Etwa in einer Stunde«, lautet die Antwort.

»Dann lass uns drüben im Brauhaus Zum Piefedeckel etwas essen, mir knurrt der Magen«, schlägt Maria vor. »Das Essen ist da bestimmt besser als in der Cafeteria, und wir können in Ruhe die weitere Vorgehensweise besprechen.« Clemens nickt zustimmend und merkt erst jetzt, wie hungrig er ist.

Auf dem Weg nach draußen treffen sie auf den Pförtner, der ihnen bestätigt, dass Dr. Lamberty gegen halb acht am Abend das Haus verlassen habe. Nach kurzer Überlegung fügt er hinzu, er habe am Nachmittag, vielleicht so gegen halb fünf, Dr. Lamberty auf dem Parkplatz gesehen. Normalerweise sei es zwar nicht üblich, einen anderen Weg als bei ihm an der Loge vorbei zu nehmen, aber man könne auch durch die Küche oder durch die Schleuse für Liegendkranke den Parkplatz erreichen.

Kurz darauf machen es sich die beiden im Piefedeckel gemütlich. Clemens isst zwar nicht gerne Hausmannskost, aber Maria liebt es herzhaft. Denn sie kommt aus einer alteingesessenen Bauernfamilie aus Kappes Hamm, und da wird deftig gekocht. Diesmal gibt es nur Suppe, denn der Tag ist noch lang, für Clemens eine Kartoffelcremesuppe mit Lachsstreifen und für Maria eine hausgemachte Gulaschsuppe. Das durch den Beruf bedingte unregelmäßige Essen, meist spät am Abend, hilft ihm nicht, schlank zu bleiben. Als er noch Zeit für Sport hatte, gab es kein Gramm zu viel, doch allmählich bildet sich ein kleiner Rettungsring. Maria, die für ihre spitze Zunge bekannt ist, hat schnell erkannt, das lieber nicht zum Thema zu machen.

Erst nach dem leckeren Essen, zu dem sich Maria ein Bier gönnt, besprechen sie die Aussage des Pförtners. Maria fasst ihre Überlegungen zusammen: »Da bleibt uns nichts anderes übrig, als das Stationspersonal etwas genauer zu befragen.«

Clemens setzt nachdenklich hinzu: »Für Lambertys Ausflug zum Parkplatz kann es eine ganz einfache Erklärung geben.«

Doch wie sich kurz darauf zeigt, haben weder die Ärzte noch das Personal, die am Freitag Dienst hatten, Dr. Lamberty nach sechzehn Uhr gesehen. Nur der Assistenzarzt Dr. Dieter Steinkühler gibt an, so um siebzehn Uhr das Büro von Lamberty betreten zu haben, doch er habe ihn nicht angetroffen und sich weiter nichts dabei gedacht. Lamberty habe ja Dienstschluss gehabt und keine Bereitschaft. Auf Marias Nachfrage, ob sie wirklich mit allen Personen der Frühschicht gesprochen hätten, räumt Oberschwester Christa ein, dass ein Pfleger heute frei hat. Schnell sucht sie die Telefonnummer des Pflegers heraus.

Auch die zweite Befragung des Arztes bringt sie nicht weiter. Wie bereits beim ersten Gespräch lässt sich Lamberty nicht verunsichern, bleibt souverän und freundlich, zeigt Verständnis für die Fragen und scheint alles zu unternehmen, um den beiden behilflich zu sein. Er bestätigt, kurz an seinem Wagen gewesen zu sein, um Unterlagen für den Aufsatz zu holen. Und er nähme oft den kürzeren Weg durch die Notaufnahme. Zwischendurch habe er eine Pause gemacht und in der Cafeteria etwas gegessen. Doch dort kann man sich an Lambertys Erscheinen am Freitagnachmittag nicht erinnern.

Clemens von Bühlow Kollektion

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