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Kapitel 2
ОглавлениеTom saß auf dem Bett und hörte Musik. Die Stereo-Anlage war bis zum Anschlag aufgedreht und er wunderte sich, dass seine Mutter noch nicht auf der Matte stand und ihn aufforderte, diesen Krach, wie sie es nannte, leiser zu stellen. Er hatte sich die ganzen Sommerferien lang hauptsächlich in seinem Zimmer aufgehalten, ihm war nicht nach Ausgehen gewesen. Ab und zu hatten ein paar Klassenkameraden geklingelt, aber entweder hatte er gar nicht reagiert oder sie von seiner Mutter abwimmeln lassen. Er konnte nicht verstehen, wie seine Klassenkameraden so tun konnten, als sei nichts gewesen, nachdem was mit Toni passiert war. Sein Blick wanderte hinüber zu der Pinnwand neben seinem Bett, dort hingen in der Mitte die beiden Todesanzeigen. Eine von Tonis Familie und die von der Schule. Rund herum hatte er Fotos angeordnet. Manche zeigten Toni allein, einen meist fröhlichen Jungen, mit blonden Igelschnitt, der beim Lächeln ein paar spitze Eckzähne entblößte. Ein Bild zeigte ihn zusammen mit Toni, sie hatten sich einen Arm um die Schultern gelegt und lachten in die Kamera. Dieses Foto war letztes Jahr in den Sommerferien entstanden, als ihre Clique noch bestanden hatte. Sie waren alle gemeinsam im Sommercamp an der Ostsee gewesen, es hatte ihnen dort so gut gefallen, dass sie eigentlich dieses Jahr wieder hatten fahren wollen. Doch nach Tonis Tod hatte sich alles verändert, die Clique brach auseinander, er hatte keinen der beiden anderen Jungen gesehen, seit die Sommerferien begonnen hatten, dabei wohnten sie alle nicht weit voneinander entfernt. Am Anfang der Ferien hatten sie noch versucht, ihn in ihre Pläne einzubeziehen, doch er wollte keinen Kontakt. Zu schwer lastete Tonis Tod auf ihm, er konnte an nichts anderes denken und es war ihm unmöglich, einen auf Party zu machen. Es wäre ihm unehrlich vorgekommen. Alex und Henry hatten es irgendwann aufgegeben und er hatte schließlich nichts mehr von ihnen gehört. Zu seinem Erstaunen stellte er fest, dass sie ihm auch nicht fehlten und das er die Rückkehr ins Internat regelrecht fürchtete. Er nahm ein Foto von der Pinnwand, dass sie alle vier zeigten, Toni und ihn in der Mitte. »Stell bitte diesen Krach leiser!!!« Er zuckte zusammen und das Bild fiel ihm aus der Hand. Er war so in seine Gedanken vertieft gewesen, dass er nicht mitbekommen hatte, wie seine Mutter herein gekommen war.
»Kannst du nicht anklopfen?« fragte er ärgerlich und klaubte das Bild vom Boden auf. »Das habe ich, aber...« Seine Mutter wartete, bis er die Stereo-Anlage ausgemacht hatte und fing nochmal an: »Das habe ich, aber bei dem Lärm kannst du das ja nicht hören. Hast du schon angefangen zu packen?« »Ja.« sagte er gedehnt. Er hatte kein Interesse daran, in diese Schule zurück zu kehren. Er hatte seine Eltern gebeten, ihn woanders hin zu schicken, aber sie waren hart geblieben. »Weißt du, wie schwer es war, dich auf diesem Elite-Internat unterzubringen?« hatte sein Vater ihn mit gefährlich ruhiger Stimme gefragt, als er es eines Abends am Esstisch gewagt hatte, dieses Thema anzusprechen. »Ja, natürlich. Und ich war ja auch dankbar dafür, aber nach der Sache mit Toni...« »Toni!« hatte sein Vater geschnaubt: »Er war ein Feigling. Er wusste gar nicht zu schätzen, was er da hatte.« Tom hatte gezittert vor Wut, am liebsten hätte er irgendetwas durch die Gegend geworfen: »Er war kein Feigling!« Er hatte seiner Mutter einen Blick zugeworfen, aber von ihr war, wie gewöhnlich, keine Unterstützung gekommen. »Und ob!« hatte sein Vater weiter gewettert: »Sich das Leben zu nehmen, nur weil man von ein paar Leuten etwas härter angefasst wird, ist feige. Ich wäre früher froh gewesen, wenn ich die Chance bekommen hätte, an so einer Schule lernen zu dürfen. Meine Eltern hatten damals nicht das Geld und ich habe zu hart dafür gearbeitet, damit du es mal besser hast, ich werde nicht ruhig dabei zusehen, wie du dir wegen dieser Sache deine Zukunft verbaust!« »Dieser Sache«, hatte Tom erwidert: »Du sprichst davon, als wäre es ein Diebstahl oder ein Einbruch gewesen! Aber Toni ist tot! TOT!« »Ja und du machst ihn nicht wieder lebendig, in dem du ihm nachtrauerst! Das Leben geht weiter und für dich geht es am Leenhardt-Gymnasium weiter!« Sein Vater ließ die Faust auf den Tisch krachen, damit war die Diskussion beendet gewesen. »Es gibt Abendessen.« riss ihn seine Mutter aus seinen Gedanken. »Ich habe keinen Hunger.« sagte er sofort. Seit der Diskussion vor drei Tagen, fiel es ihm immer schwerer, mit seinem Vater an einem Tisch zu sitzen. »Du musst etwas essen.« Seine Mutter machte eine Bewegung, als wolle sie ihm kurz durchs Haar fahren, ließ es dann aber doch. Zärtlichkeiten waren sowieso rar in diesem Haus, sein Vater führte ein straffes Regiment und hielt gar nichts davon, seinen einzigen Sohn zu verhätscheln. Seine Frau fügte sich, sie konnte sich nicht gegen ihn durchsetzen. »Wasch dir die Hände und kämme dich noch einmal, dann komm hinunter ins Esszimmer.« Missmutig ging er ins Bad, wusch sich Gesicht und Hände, fuhr sich mit einem nassen Kamm durch die Haare, langsam stieg er, die Hände in den Hosentaschen, die Treppe hinab. Er ertappte sich dabei, wie er den Moment, das Esszimmer zu betreten, absichtlich hinauszögerte. Erst als sein Vater ungeduldig nach ihm rief, legte er eine schnellere Gangart an den Tag.