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1. Einsperren

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Hierbei handelt es sich um den Hauptfall der Freiheitsberaubung, der dadurch begangen wird, dass die Ausgangswege verschlossen werden. Der Tatbestand ist verwirklicht, wenn das Opfer den Aufenthaltsraum entweder überhaupt nicht mehr oder nur auf unzumutbare Weise (etwa durch einen gefährlichen Sprung aus dem Fenster) verlassen kann.

Einigkeit besteht allerdings darüber, dass ganz kurzfristige Entziehungen der Freiheit für eine Tatbestandsverwirklichung nicht genügen.[91] Das RG hat hierzu entschieden, dass die Freiheitsberaubung mindestens für die Dauer eines Vaterunsers stattfinden muss.[92]

Umstritten ist im Übrigen auch, ob Bewusstlose oder Schlafende ihrer Freiheit beraubt werden können, auch wenn sie aktuell nicht fähig oder willens waren, diese in Anspruch zu nehmen. Das Problem veranschaulicht folgendes

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Beispiel: Dieb D steigt nachts bei den Eheleuten E ein, um bei ihnen zu stehlen. Zur Vermeidung eines unliebsamen Zusammentreffens mit den Eheleuten schließt er diese in ihrem Schlafzimmer ein, um ungestört „arbeiten“ zu können. Nachdem D allen Schmuck zusammengerafft hat, kehrt er zum Schlafzimmer der Eheleute zurück und sperrt die Schlafzimmertür wieder auf. Die Eheleute schliefen während der gesamten Zeit durch und bemerkten folglich ihre Einsperrung nicht. Strafbarkeit des D? (Schläfer-Fall)

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Lösung: Fraglich ist hier, ob über den Privatwohnungseinbruchsdiebstahl nach §§ 242, 244 IV StGB (§ 123 StGB wird konsumiert und § 243 I S. 1 Nr. 1 StGB nach h. M. im Wege der Spezialität verdrängt) hinausgehend sogar ein Raub nach § 249 StGB in Frage kommt. Allerdings wird man, um eine Vergeistigung des Gewaltbegriffs zu vermeiden, zumindest in diesem Fall (die Opfer schlafen) eine Gewaltanwendung verneinen müssen, weil es anderenfalls an der physischen, d. h. vom Opfer körperlich empfundenen Kraftentfaltung fehlt. Bei § 239 StGB ist fraglich, ob schon der Schutz der potenziellen Fortbewegungsfreiheit darunter fällt oder ob nur die reale persönliche Fortbewegungsfreiheit von § 239 StGB geschützt wird. Für den Schutz der potenziellen Fortbewegungsfreiheit spricht zum einen die Änderung des § 239 I StGB durch das 6. StrRG, da hierdurch der Begriff des Gebrauchs der persönlichen Freiheit gestrichen wurde und diese Neufassung nicht nur den Verzicht auf sprachlich entbehrliche Wendungen bezweckte.[93] Ferner spricht der mutmaßliche Wille des Schlafenden für die Einbeziehung des Fortbewegungspotenzials, da auch ein Schlafender nicht eingesperrt zu werden wünscht. Schließlich ist es wenig sinnvoll, Vollendung oder Versuch davon abhängig zu machen, ob der Eingesperrte erwacht oder nicht. Nach richtiger Auffassung ist daher der Tatbestand der Freiheitsberaubung erfüllt. Da D diesbezüglich auch vorsätzlich handelte und Rechtfertigungs- sowie Schuldausschließungsgründe nicht ersichtlich sind, ist eine Strafbarkeit gem. § 239 I Alt. 1 StGB zu bejahen.

Hinweis: Die unterschiedliche Behandlung von Raub (§ 249 StGB) und Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) rechtfertigt sich dadurch, dass Gewaltanwendung eine körperliche Einwirkung voraussetzt und daher vom Opfer körperlich empfunden werden muss, während dies bei der Freiheitsberaubung gerade nicht der Fall ist. Deshalb muss bei § 249 StGB die „Barriere“ erkannt worden sein, während dies bei § 239 StGB nicht gilt.

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