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1. § 224 I Nr. 1 StGB

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Durch das 6. StrRG (in Kraft getreten am 1.4.1998) hat der Gesetzgeber diese Alternative neu ins Gesetz eingefügt.[7]

a) Als Stoffe i. S. d. § 224 I Nr. 1 StGB kommen alle natürlich und mechanisch wirkenden Substanzen wie Viren (z. B. HIV), Bakterien, Salzsäure, zerstoßenes Glas etc. in Frage.[8] Die Infizierung des Sexualpartners mit HIV erfüllt daher § 224 I Nr. 1 StGB, wobei allerdings meist nur ein Versuch nachweisbar sein wird (§§ 224 I Nr. 1, 22, 23 StGB), weil praktisch nur innerhalb eines halben Jahres nach der Infizierung bewiesen werden kann, dass gerade der Täter das Virus übertragen hat; danach verändert sich das Virus, sodass die genetischen Informationen des Überträgers nicht mehr feststellbar sind (zu § 224 I Nr. 5, vgl. u. Rn. 107 f.; vgl. im Übrigen zu den Zurechnungs- und Vorsatzproblemen in Jäger, AT, Rn. 62 f.).

Wichtig ist auch, dass der Stoff nach richtiger Auffassung im konkreten Fall geeignet sein muss, die Gesundheit in erheblichem Maße zu schädigen, da nur so erreicht werden kann, dass der Unrechtsgehalt des § 224 I Nr. 1 StGB dem des § 224 I Nr. 2 StGB, der ebenfalls ein Erheblichkeitsmoment voraussetzt (s. sogleich), angeglichen wird (das Einflößen von Alkohol wird also regelmäßig nicht genügen).[9] Im Ergebnis zutreffend lehnte deshalb das OLG Dresden beim Verbrühen mit heißem Kaffee die Verwirklichung einer gefährlichen Körperverletzung ab.[10] Eine so kurze termische Einwirkung auf die Haut ohne Tiefenausdehnung eines Hautdefektes kann den besonderen Unrechtsgehalt des § 224 I Nr. 1 StGB nicht begründen. Im Übrigen muss sich auch der Vorsatz des Täters auf die Umstände beziehen, die die Gesundheitsschädlichkeit des Stoffes erzeugen.

Auch der BGH hat sich angesichts eines geradezu schockierenden Sachverhalts der Auffassung angeschlossen, derzufolge eine konkrete Eignung des Stoffes zu erheblicher Gesundheitsschädigung und ein diesbezüglicher Vorsatz notwendig sind. Die Entscheidung betraf folgendes

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Beispiel: Ein vierjähriges Mädchen hatte aus Versehen ca. 32 Gramm Salz anstatt Zucker in ihren Pudding eingerührt. Da ihr der Pudding widerwärtig schmeckte, ließ das Kind ihn stehen. Die Mutter M, die in die Küche kam und den zurückgelassenen Pudding sah, wurde wütend und veranlasste das sich sträubende Kind zu dessen Erziehung und Bestrafung, den Pudding vollständig aufzuessen. Sie wusste zwar, dass das Kind seinen Pudding versalzen hatte, ihr war dabei aber nicht bewusst, dass die Aufnahme von 0,5 bis 1 Gramm Kochsalz pro Kilogramm Körpergewicht (das Kind wog zur Tatzeit 15 kg) in der Regel zum Tode führt. Vielmehr nahm die M an, dass der Genuss nur zu Übelkeit, Magenverstimmung oder Bauchschmerzen führen würde. Kurze Zeit später kam es zu Übelkeit und Erbrechen. Der Zustand verschlechterte sich zusehends, sodass die M ihr Kind ins Krankenhaus brachte, wo es bereits in komatösem Zustand eintraf. Trotz Notfallbehandlung war das Kind nicht mehr zu retten. Strafbarkeit der M? (Kochsalz-Fall nach BGH NStZ 2006, 506 f.[11])

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Lösung: Der BGH lehnte zunächst eine Strafbarkeit nach § 227 StGB mangels Vorhersehbarkeit des tödlichen Erfolges ab, denn ein Laie ist sicherlich nicht in der Lage, die Gefährlichkeit von geringen Mengen handelsüblichen Speisesalzes einzuschätzen. Hingegen bejahte der Senat eine gefährliche Körperverletzung gem. § 224 I Nr. 1 StGB. Er erachtete es diesbezüglich als erforderlich aber auch genügend, dass die Substanz nach ihrer Art und dem konkreten Einsatz zu einer erheblichen Gesundheitsschädigung geeignet ist (ausschlaggebend seien Art der Anwendung, Menge bzw. Konzentration sowie Alter und Konstitution des Opfers im jeweiligen Einzelfall). Im gegebenen Fall sei dies zu bejahen, da die eingenommene Kochsalzmenge bei dem Kleinkind zu Übelkeit und Erbrechen führte. Dagegen wird man § 224 I Nr. 5 StGB nicht bejahen können, da ein Vorsatz, d. h. eine Kenntnis der Umstände, die eine Lebensgefahr begründen, nicht sicher feststellbar ist. Die einfache Körperverletzung tritt hinter § 224 StGB zurück, die gleichzeitig verwirklichte Nötigung durch Erzwingung des Verzehrs des Puddings hat gegenüber der Körperverletzungshandlung keinen eigenständigen Unrechtsgehalt (a. A. angesichts der unterschiedlich geschützten Rechtsgüter vertretbar, sodass man auch Tateinheit annehmen könnte).

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b) Das „Beibringen“ i. S. d. Vorschrift setzt die Herstellung einer Körper-Stoff-Beziehung voraus, wobei dies nach h. M. entweder intern (z. B. durch Schlucken) oder extern (z. B. durch Begießen mit Säure) erfolgen kann.[12]

Nach der durch das 6. StrRG geschaffenen Gesetzesfassung ist dies jedoch wenig einleuchtend, weil dann das Verhältnis von § 224 I Nr. 1 StGB und § 224 I Nr. 2 StGB völlig verschwimmt. Will man die beiden Alternativen überhaupt noch voneinander abgrenzen, so muss der Gesetzgeber bei § 224 I Nr. 1 StGB eine andere Wirkrichtung gemeint haben als bei § 224 I Nr. 2 StGB: Entfaltet der gesundheitsschädigende Stoff seine Wirkung im Körperinneren, so ist § 224 I Nr. 1 StGB gegeben, anderenfalls ist § 224 I Nr. 2 StGB zu bejahen.[13]

Folgt man dagegen der h. M., so hätte § 224 I Nr. 1 StGB nur einen kleinen eigenständigen Anwendungsbereich, etwa wenn jemandem eine Dosis Alkohol verabreicht wird, die zwar die Gesundheit i. S. d. § 224 I Nr. 1 StGB zu schädigen geeignet ist, aber keine erhebliche Körperverletzung herbeizuführen vermag. Indessen ist kaum anzunehmen, dass der Gesetzgeber den § 224 I Nr. 1 StGB für einen derartigen Ausnahmefall aufgenommen hat, während die Bestimmung im Übrigen eigentlich überflüssig wäre, weil jede Giftbeibringung dann selbstverständlich auch eine gefährliche Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs ist.

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Der BGH ist jedoch bis heute bei seiner Auffassung geblieben, wonach auch eine externe Herstellung einer Körper-Stoff-Beziehung genügt. Dazu auch ein aus der neueren Rechtsprechung stammendes

Beispiel:[14] A zündete aus einem spontanen Entschluss heraus das Hemd des B, das dieser am Körper trug, mit einem Feuerzeug an. B konnte das Feuer zwar schnell löschen, erlitt aber eine schmerzhafte Brandwunde, was A billigend in Kauf genommen hatte, ohne den Tod des B herbeiführen zu wollen.

Lösung: Der BGH hat hier § 224 I Nr. 1 Alt. 2 StGB bejaht. Als gesundheitsschädliche Stoffe kommen danach alle Substanzen in Betracht, die nach ihrer Art und dem konkreten Einsatz zur Herbeiführung einer erheblichen Gesundheitsschädigung geeignet sind. Gleichgültig sei daher, ob die Wirkung mechanisch, biologisch, chemisch oder thermisch erfolgt. Auch sei unmaßgeblich, dass bereits zuvor ein äußerlicher Kontakt zwischen Hemd und Körper des B bestand. Ausreichend sei es vielmehr, dass der Täter eine Ursache dafür gesetzt hat, dass die brennende Substanz ihre gesundheitsschädliche thermische Wirkung entfalten konnte. Zu § 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB hat der BGH im konkreten Fall nicht Stellung genommen. Jedoch ließe sich in der Verwendung des Feuerzeugs ohne Weiteres auch ein gefährliches Werkzeug sehen. Im Übrigen ist auch eine Sachbeschädigung nach § 303 I StGB am Hemd zu bejahen, die zu § 224 I StGB in Tateinheit tritt.

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