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1493 Christoph Kolumbus Von der Auffindung neuer Inseln im Indischen Meer Auf dem Holzweg in die Weltgeschichte

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Auch wenn er vermutlich zeitlebens davon überzeugt war, eine Westpassage nach Asien entdeckt zu haben, so gilt die erste Reise von Christoph Kolumbus 1492 nach Amerika als Epochenzäsur, als eines der Ereignisse, die die moderne Welt und das Selbstverständnis der Neuzeit begründen. Mit seinem Brief, in dem er von seinen Entdeckungen berichtet und der die Neuigkeiten wie ein Lauffeuer verbreitet, gibt Kolumbus quasi den Startschuss für den weltumspannenden Austausch von Waren und Menschen, den Beginn der Globalisierung und den rücksichtslosen Aufstieg Europas zur für Jahrhunderte dominierenden Weltregion. Das Zeitalter des Kolonialismus beginnt.

Spätestens seit Marco Polo Ende des 13. Jahrhunderts von seiner Asienreise berichtet hatte, erschien Indien (worunter man zumeist große Teile Süd- und Ostasiens verstand) vielen Europäern als verheißungsvolles Traumland voller Schätze. Zwar gab es seit Jahrtausenden Handelsbeziehungen mit Asien, da aber auf den bisher genutzten Wegen viele Zwischenhändler mitverdienen wollten, suchte man schon lange einen direkten Seeweg nach Indien und arbeitete sich langsam die Küste Afrikas entlang. Besonders Portugiesen und Spanier hatten aufgrund der jahrhundertelangen Kämpfe um die Vorherrschaft auf der Iberischen Halbinsel ein Interesse an Alternativen zu den bekannten Transportwegen durch muslimischen Einflussbereich. Vor diesem Hintergrund und bestärkt durch verschiedene Lektüren entwickelte Christoph Kolumbus, geboren 1451 in Genua, aber seit den 1470er Jahren in Portugal lebend, eine Art fixe Idee. Er wollte Indien erreichen, indem er nach Westen segelte, mit anderen Worten: eine Abkürzung in die Schatzkammer der Welt finden. Auf Grundlage falscher Entfernungsberechnungen und eines viel zu gering angesetzten Erdumfangs ging er davon aus, dass die Passage von Europa nach Asien in kurzer Zeit zu bewältigen sei. Er kam auf eine Distanz, die bei einem Fünftel der tatsächlichen Strecke lag, und entwickelte basierend darauf einen Plan, der, vom portugiesischen König abgelehnt, erst 1492 durch Unterstützung des spanischen Hofes umgesetzt werden konnte.

Nach einem Zwischenstopp auf Gomera stach Kolumbus am 6. September 1492 in See. Die Reise mit drei Schiffen und neunzig Mann dauerte länger als geplant, und die Mannschaften begannen nach vier Wochen unruhig zu werden. Immer wieder musste Kolumbus seine Männer zum Durchhalten überreden. Erst am 12. Oktober erreichten sie Land: die Bahamas. Kolumbus glaubte sich südlich von Japan und auf gutem Wege nach China. Er segelte weiter, gelangte nach Kuba und schließlich auf die Insel Hispaniola, die größte der Antillen, die er als Zeichen der Inbesitznahme »La Isla Española« nannte und auf der er mit fast vierzig Freiwilligen aus seiner Mannschaft die erste spanische Kolonie in der sogenannten Neuen Welt errichtete. Am 16. Januar 1493 machte er sich auf die beschwerliche und insgesamt dreimonatige Rückreise nach Spanien. Der Empfang am Königshof Ende März 1493 wurde zum strahlenden Höhepunkt in Kolumbus’ Karriere. Er starb nach drei weiteren Reisen (1493–1504) verbittert und mit ramponiertem Ruf, galt er doch in seinem Amt als Gouverneur der von ihm entdeckten Gebiete als tyrannisch und inkompetent.

Noch auf dem Rückweg von der ersten Reise setzte Kolumbus am 15. Februar 1493 auf hoher See den Brief auf, der als erste Publikation über die Neue Welt in die Geschichte eingehen sollte. Adressiert an den Schatzmeister des spanischen Hofes wollte Kolumbus hier vor allem den Erfolg seiner Reise unterstreichen und die hohen Kosten rechtfertigen. Er beschreibt die entdeckten Gebiete (deren Größe er übertreibt) sowie deren Bewohner und skizziert ganz in christlicher Bildsprache ein Paradies auf Erden, das er der spanischen Krone gesichert habe. Er preist die Vegetation, die Fruchtbarkeit und den Reichtum an Bodenschätzen, Gewürzen und Baumwolle. Die nackten und schönen Inselbewohner, die Kolumbus als prädestinierte und perfekte Untertanen bezeichnet, seien gleichermaßen primitiv und furchtsam, aber auch ehrlich und hilfsbereit. Bereitwillig tauschten sie ihr Gold gegen wertlosen Plunder.

Da sich Kolumbus als gläubiger Katholik auch im Auftrag der gesamten Christenheit unterwegs wähnt, betont er, dass die Einheimischen keine rechte Religion besäßen und geglaubt hätten, die Spanier seien vom Himmel gekommen. Die entdeckten Gebiete erscheinen somit ideal für künftige Kolonisierung und Missionierung – nicht nur Spanien, sondern auch die Kirche, so legt es Kolumbus damit nahe, sei ihm zu Dank verpflichtet. Das in seinem Brief dominante Verständnis der indigenen Bevölkerung als einfach zu handhabende Verfügungsmasse der Europäer, dem die Versklavung der Einheimischen auf dem Fuß folgte, sollte die Ideologie des Kolonialismus insgesamt nachhaltig prägen.

Schon im Frühling 1493 wurde der Brief in Barcelona und noch im selben Jahr in lateinischer Übersetzung in Basel gedruckt. Die Sensation verbreitete sich schnell über ganz Europa und setzte Entwicklungen in Gang, die bis heute unser Leben bestimmen. Denn indem Kolumbus Amerika ins Bewusstsein der Europäer brachte und dort verankerte, war seine Reise der Ausgangspunkt für einen dauerhaften und kontinuierlichen Austausch zwischen den Kontinenten – mit anhaltenden Konsequenzen. Vor dem Hintergrund der umwälzenden Veränderungen in ökologischer, ökonomischer, sozialer und politischer Hinsicht, die die hier beginnende Globalisierung für Europa und Amerika mit sich gebracht haben, lässt sich festhalten, »dass die Reise des Kolumbus nicht die Entdeckung, sondern die Schaffung einer neuen Welt brachte« (Charles C. Mann). In diesem Sinne ist Kolumbus’ Brief ein einzigartiges Dokument: die Geburtsurkunde dessen, was wir heute »die westliche Welt« nennen.

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