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3. Abgrenzung zur Rechtsfortbildung a) Allgemeines

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Die dargestellten Auslegungsmethoden nach Savigny lassen sich für die Auslegung des Herstellerbegriffs nur innerhalb des Wortlauts der Norm anwenden; dies ist im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG ein verfassungsrechtliches Gebot.114 Falls über diesen Rahmen bewusst hinausgegangen wird, indem der Wortlaut aktiv angepasst wird, um ihn der Wertung der Norm anzupassen, wird die Auslegung einer Norm verlassen, und der Rechtsanwender begibt sich auf das Terrain der Rechtsfortbildung.115 Folglich handelt es sich nicht um die Suche nach der Wertung der Norm, sondern die Norm soll überhaupt erst verwirklicht werden, was vor allem Aufgabe der obersten Gerichte ist.116 Damit dient die Rechtsfortbildung dazu, Lücken in der Rechtsordnung zu füllen.117 Eine derartige Lücke liegt vor, wenn der Regelungsbedarf nicht vom bestehenden Gesetzesrecht abgedeckt ist.118 Eine ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke besteht dann, wenn ein Rechtsproblem im Gesetz nicht oder nicht so geregelt ist. Jedoch liegt beim Herstellerbegriff im Sinne des Produktsicherheitsrechts keine Gesetzeslücke vor. Der Regelungsadressat soll im öffentlichen Recht aufgrund einer effektiven Gefahrenabwehr möglichst ohne jeden Zweifel ermittelbar sein, sodass der Gesetzgeber an dieser Stelle besonders engmaschige und konkrete Regeln setzen will. Vielmehr ist vorliegend nur eine Klarstellung erforderlich, welcher Wirtschaftsteilnehmer als „Hersteller“ im Sinne des ProdSG im Rahmen der anerkannten Auslegungsmethoden anzusehen ist. Damit sind vorliegend diejenigen Auslegungsergebnisse auszuschließen, welche die Grenze zwischen der Auslegung hin zur Rechtsfortbildung überschreiten.

Ob ein Auslegungsergebnis diese Grenze überschreitet, entscheidet sich danach, welche Art von Gegenstand beziehungsweise Sachverhalt vorliegt. Dabei ist zwischen neutralen, positiven und negativen Kandidaten119 zu unterscheiden.120 Lediglich bei einem neutralen Kandidaten wird die Methodik der Auslegung angewandt. Bei neutralen Kandidaten besteht keine Gewissheit darüber, ob die Vorschrift auf sie anwendbar ist, sodass eine Unsicherheit besteht.121 Positive Kandidaten sind eindeutig vom Wortlaut der Vorschrift erfasst, negative unzweifelhaft nicht. Soll nun beispielsweise von einer Vorschrift ein weiterer negativer Kandidat miterfasst werden, handelt es sich um eine Rechtsfortbildung und nicht um eine Auslegung der Vorschrift. Bei positiven und negativen Kandidaten wird folglich das Terrain der Rechtsfortbildung beschritten, wohingegen bei neutralen Kandidaten eine Auslegung des Begriffs stattfindet.

Der Hersteller im europäischen Produktsicherheitsrecht

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