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b) Leitfäden von öffentlichen, nationalen Stellen

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Leitfäden von öffentlichen, nationalen Stellen sind entweder als normkonkretisierende oder norminterpretierende beziehungsweise gesetzesauslegende Verwaltungsvorschriften einzustufen. Diese Einstufung wirkt sich darauf aus, ob den Leitfäden eine Außenwirkung beziehungsweise eine Bindungswirkung zukommen kann.

Mithilfe von norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften können Verwaltungen Rechtsbegriffe auslegen und ermöglichen somit der öffentlichen Verwaltung die Ausschöpfung des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums. Sie geben unter anderen den Behörden Interpretationshilfen und gewährleisten eine einheitliche Anwendung der Gesetze.151 Eine Bindungswirkung für Behörden und Wirtschaftsakteure besteht allerdings nicht.152 Eine direkte Bindungswirkung für die Wirtschaftsteilnehmer würde gegen das Wesentlichkeitsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG verstoßen, wonach Wesentliches – also beispielsweise alle repressiven Regelungen – durch Gesetz oder durch Rechtsverordnung aufgrund eines Gesetzes zu regeln ist.153 Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, wonach sich die Verwaltung (die Exekutive) grundsätzlich keine eigenen Regeln geben darf.154 Die Regelsetzung ist die Aufgabe der Legislative. Falls die Verwaltung durch den Erlass einer rechtswidrigen Interpretation des Gesetzes die Regelung des Gesetzes abändern könnte, könnte sie damit ihre Bindung an das Gesetz umgehen. Eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift hat nicht den parlamentarischen Gesetzgebungsprozess durchlaufen und wurde auch nicht aufgrund eines Gesetzes gemäß Art. 80 GG von der Verwaltung als (nationale) Verordnung erlassen.

Durch normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften kann die Exekutive aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung unbestimmte Rechtsbegriffe, die gerichtlich nur begrenzt überprüft werden können (Beurteilungsspielraum), in rechtssatzmäßiger Weise ausfüllen, womit die normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften eine Außenwirkung erlangen können.155 Bei den hier vorliegend verwendeten Leitfäden von öffentlichen nationalen Stellen fehlt allerdings jeglicher normative Anknüpfungspunkt, sodass sie nicht als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift charakterisiert werden können. Mittels der vorliegend herangezogenen Leitfäden sollen keine Regulierungsinteressen des Staats mittels Zwang durchgesetzt werden, sondern die Leitfäden sollen eine Hilfestellung für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer im Stil eines Handbuchs sein. Die Leitfäden dienen nicht dazu, komplexe, sich schnell verändernde technische Sachverhalte anzupassen, sondern sollen lediglich dazu dienen, die betroffenen Normen auszulegen. Damit handelt es sich bei den vorliegenden Leitfäden um gesetzesauslegende beziehungsweise norminterpretierende Verwaltungsvorschriften, denen grundsätzlich keine rechtliche Bindungswirkung zukommt.

Damit besteht auch für die Gerichtsbarkeit keine Bindungswirkung an die Leitfäden. Allerdings können Gerichte im Rahmen der eigenen Auslegung des Herstellerbegriffs die Interpretation eines Leitfadens heranziehen und somit auch aus eigener Überzeugung vertreten.156

Der Hersteller im europäischen Produktsicherheitsrecht

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