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4.6 Bedeutung für die Soziale Arbeit
ОглавлениеSmiths Beitrag zur ökonomischen und sozialen Wissenschaft galt schon zu seinen Lebzeiten als außerordentlich anregend, fruchtbar und wegweisend. Seine Theorie von der natürlichen Freiheit und Gerechtigkeit, von Glück und Wohlstand für alle gehört zu den sozialphilosophisch-ökonomischen Entwürfen, die bis in die Gegenwart hinein Wissenschaft, Wirtschaft und Politik beeinflussen. Die weltweite Bedeutung wird nicht zuletzt in der fundamentalen Argumentation von Smith gegen jedes kollektivistische System gesehen. Die theoretische Begründung einer freien und sozialen Marktwirtschaft – wie in Deutschland beispielsweise – wird weitgehend auf Erkenntnisse von Smith zurückgeführt. Es geschieht aber auch nicht selten, dass Smith Thesen zugeschrieben werden, die sich wirklich nicht mit seinem Werk begründen lassen. So hat Smith weder das Primat der Ökonomie gegenüber der Politik vertreten noch einen schrankenlosen Egoismus gerechtfertigt. Von Smiths Denken führt der Weg zu einem Liberalismus, der am Prinzip der sozialen Gerechtigkeit orientiert ist – diese Grundtatsache sollten sich alle, die sich auf ihn berufen, immer wieder vor Augen halten.
Die Theorie von Smith ist für viele eine in ihrer Art einmalige Analyse der menschlichen Natur, so, wie sie ist, nicht, wie sie nach unserem begrenzten Verstande sein sollte, eine Analyse des moralischen und ökonomischen Verhaltens des Einzelnen in der Gemeinschaft und eine Auswirkung dieses Verhaltens auf die sozialen und politischen Einrichtungen, also den Staat. Dieses lebensnahe Grundmodell ist in Methode und Inhalt einzigartig, und Smiths Beitrag zur Erklärung eines tolerablen Zusammenlebens unverlierbar und unzerstörbar, welche neuen Erkenntnisse auch immer hinzugewonnen worden sind und hinzugewonnen werden (vgl. Recktenwald 1993, LXXV ff.). Die Vorstellung von einer natürlichen Harmonie, die alles zum Besten wendet, und von den korrigierenden Eingriffen einer „unsichtbaren Hand“ erweist sich angesichts der tatsächlichen Ereignisse allerdings eher als Wunschdenken denn als sozialempirisch nachweisbare Kraft.
Einige nicht primär pädagogisch oder psychologisch, sondern mehr soziologisch und ökonomisch ausgerichtete Autorinnen, zum Beispiel Salomon (2.4) und Staub-Bernasconi (3.7), haben zwar das Austausch-Paradigma für ihre Theorien der Sozialen Arbeit gewählt, doch die Erkenntnisse und die Ideen von Smith sind für die Theoriebildung in der Sozialen Arbeit erst noch zu entdecken. Die grundsätzliche moralphilosophische Infragestellung des menschlichen Altruismus durch Smith mag bei vielen sozial Tätigen wenig Anklang finden. Diese Infragestellung wird jedoch durch die psychologische Theorie vom hilflosen Helfer (Helfersyndrom) gestützt; danach handeln auch HelferInnen nicht altruistisch, sondern aus einem – ihnen selbst häufig verborgenen – Eigeninteresse (vgl. Schmidbauer 1977).