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5.1 Historischer Kontext

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Mit den Ideen der Aufklärung wird im Frankreich des 18. Jahrhunderts die Revolution vorbereitet. Die privilegierte Oberschicht aus Adel und Klerus hält zwar an den Feudalrechten (ihren eigenen Privilegien) fest, fordert aber zugleich die Beschränkung der absoluten Monarchie. Die Bourgeoisie (Bankdirektoren, Fabrikanten, Kaufleute, Juristen, Ärzte) gewinnt zunehmend an Macht und fordert als dritter Stand soziale Gleichberechtigung und politische Mitbestimmung. Die Pariser Arbeiter revoltieren gegen zu hohe Brotpreise. Ludwig XVI. (1774–1792) entschließt sich zwar zu Reformen; diese werden aber durch das Parlament und andere Interessierte verhindert. Mit Spanien als Verbündetem greift Frankreich gegen Großbritannien in den nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieg ein. Die Kosten dieser Intervention belasten die ohnehin schon zerrütteten französischen Staatsfinanzen noch mehr. Großbritannien erkennt 1783 im Frieden von Versailles die amerikanische Unabhängigkeit an. Der amerikanische Freiheitserfolg ermutigt die Regimekritiker in Europa zum Sturz der feudalen Ordnung. Im Mai 1789 beginnt die Französische Revolution. Die Bastille (als Gefängnis für politische Gefangene Symbol für den Despotismus) wird gestürmt, das Heer löst sich auf. Das Volk siegt über den Absolutismus, die Revolutionäre schaffen die Feudalordnung ab und befreien die Bauern aus ihrer Abhängigkeit. Der Ständestaat wird ein Klassenstaat mit Ämter- und Gewerbefreiheit. Die Menschenrechte „liberté, égalité, fraternité“ werden deklariert. In die neue französische Verfassung von 1791 werden die Menschenrechte, die Rechtsgleichheit und das Recht auf Privateigentum aufgenommen. Doch Hungersnot und Furcht vor Gegenrevolutionen führen zu weitflächigen Unruhen und zahlreichen Gewalttaten. Statt Frieden und Zufriedenheit eskalieren Terror und Schreckensherrschaft. Das Fallbeil (Guillotine) wird eingeführt, um die zahllosen Hinrichtungen zu „humanisieren“. Der Kult der Vernunft soll den christlichen Glauben ablösen. 1799 greift sich Napoleon Bonaparte (1769–1821) die Macht; 1804 wird er Kaiser der Franzosen. Der „Code civil“ garantiert persönliche Freiheit, Rechtsgleichheit, privates Eigentum, Zivilehe und Ehescheidung.

Zürich – die Geburtsstadt Pestalozzis – ist seit 1351 Mitglied der Schweizer Eidgenossenschaft, und die 1336 in Zürich eingeführte Zunftverfassung besteht bis 1798. Alle Gewalt, die gesetzgebende, die ausführende und die richterliche Gewalt, liegt bei den Bürgern der 10.000 Einwohner zählenden Stadt, die ein umliegendes Landgebiet mit 200.000 Einwohnern beherrscht. Landleute können nur untergeordnete Ämter einnehmen, ihre Bürgerrechte sind stark eingeschränkt, sie dürfen keinen eigenen Handel treiben und keine eigene Industrie errichten. Die systematische Unterdrückung der verarmten Landbevölkerung führt zu Unruhen und Aufständen (1794). Unter dem Einfluss der Französischen Revolution wird 1798 das feudalistische Gesellschaftssystem in einen bürgerlichen Staat, die Helvetische Republik, umgewandelt. Französische Truppen besetzen die Schweiz. Auf dem Wiener Kongress, der die europäischen Staaten nach den Napoleonischen Kriegen neu ordnet, wird dem Staatenbund Schweiz 1814/15 immerwährende Neutralität garantiert. Zürich besitzt im 18. Jahrhundert Elementarschulen, in denen die Kinder der Bürger die ersten Kenntnisse in Schreiben, Lesen, Rechnen und im Katechismus erhalten. Wie in allen anderen Schulen der Zeit müssen sich die Kinder alle Kenntnisse weitgehend ohne Erläuterungen des Lehrers durch bloßes Auswendiglernen der vorgeschriebenen Lektionen aneignen. Die Schüler lernen auswendig, indem sie die Texte laut lesen, ebenso wiederholen, ohne sich dabei von den ebenfalls laut lernenden Mitschülern stören lassen zu dürfen (vgl. Liedtke 1989, 13 f.).

Die Reformation geht in der Schweiz im 16. Jahrhundert von Zürich aus, und das 18. Jahrhundert ist wieder eine Zeit der kulturellen Blüte (Johann Jakob Bodmer, Johann Caspar Lavater u. a.). Der Barock (1600–1750) ist die Kunst der Gegenreformation und des Absolutismus. Mit der Aufklärung und Revolution macht sich ein neuer Klassizismus (Empirestil) breit. In der Wissenschaft gewinnen auf der Suche nach vernünftigen Erkenntnismethoden, die sich nicht auf religiöse und kirchliche Lehren stützen, die Erfahrungswissenschaften zunehmend Gestalt. Im Empirismus geht man von beobachteten Erfahrungen aus. Der Rationalismus postuliert, die Wahrheit allein durch Denken und allgemeine Prinzipien zu finden. Die Aufklärung des 18. Jahrhunderts basiert auf Humanismus; Vernunft, Mut zur Kritik, geistige Freiheit und religiöse Toleranz sollen die religiöse Dogmatik und die kirchliche und staatliche Autorität überwinden. Religiöse Bewegungen wie der Pietismus wollen die Kirche durch frommes Leben zu einer Liebesgemeinschaft reformieren und betonen das subjektiv-persönliche Verhältnis des Menschen zu Gott.

Theorien der Sozialen Arbeit

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