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6.6 Bedeutung für die Soziale Arbeit

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Malthus löste mit seinen Thesen größte Empörung und massiven Widerspruch aus. Die „Malthus-Debatte“ dauert bis in die Gegenwart an (vgl. Dupâquier 1983; Eger 1985; Turner 1986; Brandenberger 2004; Doering 2005 u. a.). Stichworte dieser heftigen, bisweilen giftigen Debatte sind: malthusianische Falle, Bevölkerungsfalle, Verelendungswachstum, Geburtenüberschuss, Geburtenkontrolle, Grenzen des Wachstums, Hungersnot usw. Vielen erscheinen seine Thesen als überzeugender Beweis für die soziale Kälte und Unmenschlichkeit eines rein auf Nutzen ausgerichteten egoistischen Denkens, das für Kapitalisten typisch sei.

„Die Gegner von Malthus haben das Werk zum Teil offensichtlich nie in der Hand gehabt, und es gibt in der Neuzeit wohl keinen zweiten Gesellschaftstheoretiker, dessen Aussagen so verkürzt, einseitig und verfälscht worden sind“ (Eger 1985).

Malthus hat mit seinen pessimistischen und – im Grunde – sehr anspruchsvollen Thesen in jedem Fall eine intensive Auseinandersetzung über das Problem der Bevölkerungsvermehrung und die sozio- ökonomische Situation der Armen in der industriellen Gesellschaft und in der Welt erzwungen. Sehr ausführlich hat sich in der Tradition der Sozialen Arbeit Christian Jasper Klumker mit Malthus und seinen Thesen auseinandergesetzt (vgl. 2.3). Hans Scherpner (vgl. 3.2) hat sich in seinem Buch „Theorie der Fürsorge“ ebenfalls mit den Armutsthesen von Malthus befasst (vgl. Scherpner 1974, 114–118).

Das Bevölkerungsgesetz von Malthus hat sich im Sinne eines mathematisch exakten Gesetzes als Irrtum herausgestellt. Die Diskussion über das Bevölkerungswachstum in der Welt und fehlende Nahrungsmittelressourcen ist heute jedoch intensiver und existenzieller als in der Zeit, in der Malthus gelebt hat. Die Frage, ob Arme vom Staat unterstützt werden sollen und, wenn sie unterstützt werden sollen, in welcher Höhe diese Unterstützung geleistet werden soll beziehungsweise kann, gehört zu den umstrittensten sozialpolitischen Problemen in vielen Staaten der Welt, nicht nur in Deutschland. Unter der Überschrift „Stehplatz für Milliarden?“ hat Theo Sommer anlässlich der Weltbevölkerungskonferenz von Kairo 1994 geschrieben, dass Malthus sich in der Begründung seiner Ideen zwar geirrt haben möge, das Problem aber richtig erkannt habe.

„Heute steht die Weltgemeinschaft unausweichlich vor der Frage, ob sie die Begrenzung der Erdbevölkerung Kriegen, Hungerkatastrophen und Plagen wie HIV/Aids überlassen will, oder ob sie lieber durch konsequente Familienplanung und Entwicklungspolitik versucht, dem Gebot demographischer Selbstbegrenzung zu folgen“ (Sommer 1994).

In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern wächst seit Jahrzehnten die Bevölkerung stark. Dank der verbesserten Gesundheitsversorgung und Ernährungslage leben die Menschen länger. Geringere Sterberaten und höhere Geburtenraten werden für wirtschaftliche Notstände verantwortlich gemacht. In manchen Ländern wie beispielsweise China wird mit den schon von Malthus empfohlenen Instrumenten dagegen vorgegangen: Geburtenkontrolle und Bildungsförderung in den unteren Gesellschaftsschichten.

Unter dem Namen von Malthus werden mitunter aber auch Auffassungen diskutiert, die Malthus selbst abgelehnt hat. So fordert der Neomalthusianismus beispielsweise, dass die Bevölkerungsvermehrung durch die Anwendung empfängnisverhütender Mittel und durch die Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs eingeschränkt werden soll. Beides hat Malthus jedoch scharf abgelehnt; da folgt er als Pfarrer ganz und gar der Lehre seiner Kirche.

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