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A. Grundsätze

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Bürgerliches Recht ist nicht gleich BGB, Handelsrecht ist nicht gleich HGB. Zum einen treten jeweils weitere Gesetze und ungeschriebene Grundsätze hinzu, etwa im Arbeitsrecht, bei Handelsbräuchen. Zum anderen enthalten BGB und HGB teils Vorschriften öffentlich-rechtlichen Charakters wie vielfach im Mietrecht oder etwa das Firmenrecht. Der eher konturlose Begriff Wirtschaftsrecht vereint all das und umfasst auch weitere Rechtsgebiete wie das Gesellschaftsrecht, Insolvenzrecht, Kapitalmarktrecht.

Es geht nachfolgend also nicht darum, das BGB oder HGB oder später Spezialgesetze (GmbHG, AktG oder InsO etc.) darzustellen, sondern das Wirtschaftsrecht abzubilden – und zwar aus der Perspektive der Rechtsanwendung, nicht der wissenschaftlichen Lehre. Ziel ist, für die Praxis relevante Zusammenhänge herauszuarbeiten, nicht Bedeutung und Dynamik einzelner Materien gerecht zu werden. Charakteristika des Handelsrechts wie Einfachheit, Schnelligkeit, Rechtsklarheit, Publizität und Vertrauensschutz aber auch der Statusbegriff des Kaufmanns, der Kaufmann ist und bleibt, auch wenn er vielleicht gerade einen Verbrauchervertrag abschließt, interessieren hier deshalb nicht als solche, sondern nur im konkreten Normenzusammenhang: Für bestimmte Geschäfte gelten besondere Regelungen je danach, wer an ihnen beteiligt ist. Verständlich werden soll das ausgehend von konkreten Lebenstypen von Geschäften, nach denen die nachfolgende Darstellung aufgebaut ist.[1]

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An erster Stelle stehen nicht nur gesetzessystematisch die vertraglichen Schuldverhältnisse des BGB, ergänzt durch solche des HGB („Handelsgeschäfte“). Sie sind gerichtet auf die Beschaffung von Waren oder (Dienst-)Leistungen – zumeist – gegen Bezahlung. Die Beschaffung kann sich auf Warenumsatzgeschäfte beziehen und ist dann meist Kauf-, Tausch- oder Schenkungsvertrag, sie kann sich stattdessen auch auf Überlassungsgeschäfte auf Zeit beziehen und ist dann Miete, Pacht, Leihe oder Darlehen. Schließlich kann sie sich auf die Beschaffung von Arbeitsleistung bzw. Herstellung beziehen, die sich in einer zweckgerichteten Leistung erschöpfen kann (Dienstvertrag) oder auf die Beschaffung eines Arbeitsergebnisses bezieht (Werkvertrag).

Diese Vertragsverhältnisse einschließlich ihrer Unterarten und Kombinationen entstehen aus dem freiwillig gegebenen Erfüllungsversprechen der charakteristischen Hauptleistung (bei gegenseitigen Verträgen vice versa auch der Gegenleistung). Sie erschöpfen sich darin jedoch nicht, sondern enthalten ergänzend weitere selbstständige Nebenleistungspflichten und unselbstständige Schutzpflichten, die ebenfalls dem Interessenausgleich der den Vertrag schließenden Parteien dienen. Dieser Katalog von Pflichten bestimmt das dem Schuldner abverlangte, von ihm versprochene Verhalten (Primäransprüche), dem im Falle von (Leistungs-)Störungen die Voraussetzungen entsprechen, unter denen dann sog. Sekundäransprüche geltend gemacht werden können (lies § 241 Abs. 1)[2].

Merke: Forderungsrechte entstehen kraft eines Schuldverhältnisses (§ 241 Abs. 1) und nicht aus einem Vertrag (Rechtsgeschäft). Der Vertrag(sschluss), also das Rechtsgeschäft, ist vielmehr eine Art und Weise, wie ein solches – nämlich dann sog. rechtsgeschäftliches/vertragliches – Schuldverhältnis entsteht (im Unterschied zu den gesetzlichen Schuldverhältnissen, welche durch Gesetz entstehen); „Vertrag“ ist dabei nur die auf Konsens beruhende Abschlusstechnik.

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Das Forderungsrecht (§ 241 Abs. 1) ist die sog. Anspruchsgrundlage im Sinne einer prozessualen Klageform[3] (vgl. Legaldefinition des Anspruchs in § 194 Abs. 1); BGB und HGB stellen einen Vorrat typisierter Forderungsrechte, also Klageformen, bereit (z.B. § 433), die ein Schuldverhältnis voraussetzen.[4] Die Klageform (Anspruchsgrundlage) bestimmt, „was genau“ gefordert werden kann (z.B. „Übergabe und Übereignung der Kaufsache als Erfüllung des kaufrechtlichen Schuldverhältnisses“ nach § 433 Abs. 1).

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Vertragliche Schuldverhältnisse (z.B. der „Kauf“) werden durch (zumeist zweiseitigen) verpflichtenden Vertrag (besser: Vertragsschluss; z.B. den „Kaufvertrag“) begründet: Der Vertrag ist strenggenommen nämlich nicht gleich dem Schuldverhältnis, sondern bezeichnet die Abschlusstechnik durch übereinstimmende Willenserklärungen (lies § 311 Abs. 1: das vertragliche Schuldverhältnis kommt durch Vertrag zustande). Konstitutiv für das Schuldverhältnis ist das Verpflichtungselement; es unterscheidet das Schuldverhältnis von der Verfügung – nämlich über ein Recht –, die tatbestandlich ebenfalls einen, dann allerdings dinglichen (im Unterschied zum verpflichtenden) Vertrag voraussetzt. Verfügungen finden sich mehrheitlich im Sachenrecht (§§ 929 S. 1, 873 Abs. 1 etc. – der dingliche Vertrag wird dort Einigung bzw. Auflassung genannt), aber auch im Schuldrecht (§ 387 – Aufrechnung, § 397 – Erlass und § 398 – Abtretung). Verfügungen erzeugen kein Schuldverhältnis, sondern bewirken eine Rechtsänderung (z.B. Eigentumswechsel, Forderungsübergang), für welche vielmehr ein Schuldverhältnis und damit ein verpflichtender Vertrag der finale Rechtsgrund ist. So setzt etwa der Kauf mit der aus ihm folgenden Pflicht zur Übereignung der Kaufsache den Rechtsgrund für die diese Forderung erfüllende Übereignung.

Vertragliche Verpflichtung und sie erfüllende Verfügung können zeitlich zusammenfallen, etwa beim Hand- und Barkauf am Marktstand oder Zeitungskiosk, dagegen schon nicht mehr beim Zeitungsabonnement und regelmäßig auch nicht beim Erwerb eines Neuwagens, wenn Bestellung (Kauf) und Auslieferung Monate auseinanderliegen können. Was in den zuerst genannten Fällen vielleicht gekünstelt wirkt, leuchtet in den anderen ohne Weiteres ein: Der Erwerbsgrund, also das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft (Kauf, Werkvertrag, Darlehen etc.), und der Erwerb an sich, also die Verfügung (Zahlung des Kaufpreises, Übereignung der Kaufsache oder Werkleistung, Valutierung des Darlehens etc.), sind rechtlich strikt zu trennen (Trennungsprinzip). Mängel des einen sind, von Ausnahmen abgesehen, dann konsequenterweise ohne Belang für den anderen (Abstraktionsprinzip).

Zu den durch Vertrag begründeten Rechtsverhältnissen gehört auch die Gesellschaft. Hierbei vereinigen sich gleichgerichtete Interessen in einem Gesellschaftszweck, der zu einer Vergemeinschaftung des Handelns verpflichtet. Die Gesellschaft entsteht zwar als schuldrechtlicher Zusammenschluss, bildet jedoch mit wachsender unternehmerischer Aufgabe auch juristisch ein Sondervermögen, dem jedenfalls Teilrechtsfähigkeit zuerkannt werden muss (vgl. § 124 Abs. 2, 129 Abs. 4 HGB); darin unterscheidet sich die unternehmenstragende Gesellschaft dann vom Schuldverhältnis. Die körperschaftliche Organisation der Kapitalgesellschaften bringt sodann die völlige Ablösung des Kollektivs (Gesamthand) vom Verbandsvermögen, dessen Träger die Kapitalgesellschaft ist. Der Charakter als „juristische Person“ zeigt sich im Wegfall einer persönlichen Haftung und der Alleinhaftung des gebildeten Sondervermögens. Man spricht daher bei der Gründung von Gesellschaften mit zumindest Teilrechtsfähigkeit und ähnlichen Maßnahmen des Gesellschaftsrechts von einem Organisationsakt, der aber wesensmäßig jedenfalls auch ein Vertragsschluss ist.

§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › A. Grundsätze › I. Verpflichtungselement Willenserklärung

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