Читать книгу Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen - Hans Haarmeyer, Christoph Hillebrand - Страница 28
I. Verpflichtungselement Willenserklärung
Оглавление25
Die Einigung über einen Schuldvertrag ist nach § 311 Abs. 1 bindend.[5] Die Vorstufe dieser Einigung ist das als Willenserklärung ausgestaltete Angebot zum Vertragsschluss, das jedenfalls für die Zeitspanne, während der es angenommen werden kann, ähnliche Bindungswirkung hat (§§ 145–148; so sind z.B. Put-/Call-Optionen rechtlich schlicht Angebote mit Laufzeit-Bindungsfristen)[6]. Erst eine inhaltliche Übereinstimmung („Einigung“) von Antrag und Annahme bringt den Vertragsschluss zustande. Diese Kongruenz wird durch Auslegung beider Willenserklärungen ermittelt, wofür der jeweilige Empfängerhorizont maßgeblich ist.
Diese an einem verständigen Empfänger orientierte Auslegung setzt naturgemäß den vorherigen Zugang der jeweiligen Willenserklärung voraus (§ 130).[7] Bei Erklärungen gegenüber Abwesenden (etwa durch Brief) genügt dabei das Eingelangen in den Machtbereich (Briefkasten, Mailbox, Faxspeicher) mit der Folge der Zugangsfiktion auf denjenigen Zeitpunkt, wann regelmäßig mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann (während der Geschäftszeiten bzw. übliche Leerungszeit eines privaten Hausbriefkastens).
Die Zugangsfiktion gilt auch während Abwesenheit des Empfängers (etwa im Urlaub), allerdings darf ein Absender (z.B. Arbeitgeber hinsichtlich Kündigung) das nicht bewusst ausnutzen. Ihm gegenüber gilt der Zugang erst nach Rückkehr als bewirkt. Erreicht eine Erklärung den Empfänger dagegen gar nicht (ist er etwa unbekannt verzogen oder verweigert er die Annahme), gilt die Zugangsfiktion auf den ersten erfolglosen Zustellversuch nur, wenn der Empfänger aufgrund (vor-)vertraglicher Bindung mit einem Zugang rechnen musste und der Absender alles Zumutbare unternimmt, um den Empfänger doch noch zu erreichen (Wiederholungsversuch, Adressermittlung). Eine Willenserklärung, die einem Geschäftsunfähigen (vgl. § 104) gegenüber abgegeben wird, wird nicht wirksam, bevor sie nicht dem gesetzlichen Vertreter zugeht (§ 131 Abs. 1). Steht die Vertretung eines Kindes den Eltern gemeinsam zu, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil (§ 1629 Abs. 1 S. 2). Für den Zugang bei beschränkt Geschäftsfähigen gilt dasselbe, sofern die zugehende Willenserklärung ihm nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist oder der gesetzliche Vertreter in sie eingewilligt hatte (§ 131 Abs. 2).
26
Die so zugegangene Willenserklärung ist zur Ermittlung ihres Inhalts auszulegen (§ 133). Beim gesprochenen Wort kann folglich nur das wirklich Gesagte zugehen. Bei Hörfehlern fehlt es daran und deshalb an der Wirksamkeit dieser Willenserklärung überhaupt, weshalb insoweit nachfolgend gar kein Vertrag zustande kommen kann, gleichwie der Versender eine allfällige Reaktion des Adressaten deutet.[8]
Die Auslegung der beiden Willenserklärungen (Angebot und Annahme) entscheidet hernach, ob der Vertragsschluss an offenem Dissens (§ 155) gescheitert oder aber mit welchem kongruenten Inhalt (sog. Geschäftswille) er zustande gekommen ist. Die Auslegung und damit den Vertragsinhalt bestimmende Mängel in der Willensäußerung (Schreib- und Fehler im sprachlichen Ausdruck, § 119 Abs. 1), ebenso Mängel in der vorausliegenden Willensbildung (Eigenschaftsirrtum, § 119 Abs. 2, und Täuschung, Drohung, § 123) hindern also gerade nicht den Vertragsschluss, sondern geben dem Betroffenen lediglich die befristete Möglichkeit der Anfechtung von Willenserklärung und damit Rechtsgeschäft (§ 142 Abs. 1).[9] Beides wird durch wirksame Anfechtung rückwirkend nichtig und das Rechtsgeschäft verliert entsprechend seine Eigenschaft als Rechtsgrund für die darauf bezogenen Erfüllungshandlungen (Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht). Auch die Anfechtung selbst ist wiederum eine (einseitige empfangsbedürftige) Willenserklärung.
Die sog. ergänzende Vertragsauslegung hilft, während der Vertragsabwicklung auftauchende Lücken in der Vereinbarung zu füllen, soweit nicht bereits das dispositive Gesetzesrecht Streitfragen klärt. Maßgeblich ist dann, worauf sich die Partner redlicherweise hätten einlassen müssen, wenn der Regelungsbedarf bereits bei den Vertragsverhandlungen erkannt worden wäre.[10]
§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › A. Grundsätze › II. Abschlusstechnik („Der Vertragsschluss“)