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19. Schadensersatz
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Nicht mehr das Äquivalenz-, sondern das Integritätsinteresse des Käufers ist verletzt, wenn er über den Mangel der Kaufsache hinausgehende Nachteile erleidet. Diese Unterscheidung ist bedeutsam, denn während der Verkäufer eine bestimmte, zumindest objektiv als üblich zu bezeichnende Beschaffenheit der Kaufsache versprochen, also die Gewähr für die Mangelfreiheit übernommen hat, fehlt es an dieser Gewährträgerschaft für das Erreichen etwaiger fernerer Vertragszwecke und Interessen, welche der Käufer mit dem Erwerb verbunden hatte.
Der Verkäufer haftet für Schäden des Käufers im Bereich seines Integritätsinteresses (sog. Mangelfolgeschäden) nur, wenn ein gesonderter Zurechnungsgrund (Verantwortlichkeit) vorliegt. Hierfür verweist § 437 Nr. 3 über die §§ 281, 283 und 311a ebenso wie über § 284 auf das Verschuldenserfordernis der §§ 280 Abs. 1 S. 2, 276 Abs. 1 („zu vertreten“).
Dem steht nach § 276 Abs. 1 S. 1 a.E. ein Garantieversprechen (vgl. § 443 Abs. 1: „zusätzlich zu der gesetzlichen Mängelhaftung“) gerade in Bezug auf die ferneren Vertragszwecke gleich (früher: sog. zugesicherte Eigenschaften; seit 2014: Garantie, „die Sache auszutauschen, nachzubessern oder in ihrem Zusammenhang Dienstleistungen zu erbringen, falls die Sache nicht diejenige Beschaffenheit aufweist oder andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderungen nicht erfüllt“). Die Garantie ist verschuldensunabhängige Einstandspflicht für das Integritätsinteresse (die gesetzliche Gewährleistung ist hingegen die verschuldensunabhängige Einstandspflicht nur für das Äquivalenzinteresse).
Ohne zusätzliche Garantie wird dem Käufer Schadensersatz nur zugebilligt, wenn der Verkäufer nicht nur seine Gewähr auf mangelfreie Lieferung schlicht gebrochen, sondern sie schuldhaft verletzt hat. Dies ist dann eine Frage des Sorgfaltsmaßstabs, den der Verkäufer nach den Umständen des konkreten Geschäfts an die Kaufsache, ihre Obhut oder ihre Kontrolle zu legen hat. Anders als beim Schadensersatz gem. § 823 Abs. 1 steht hier nicht der Rechtsgüterschutz des Käufers (Verletzung einer jedermann treffenden Verhaltensnorm aus dem objektiven Zuweisungsgehalt eines Rechts) in Rede, vielmehr ist der Kaufgegenstand im Zeitpunkt der schuldhaften Pflichtverletzung zumeist noch im Eigentum des Verkäufers. Die verletzte Pflicht kann vielmehr nur eine schuldrechtliche sein. Sie kann je nach Einzelfall des Kaufverhältnisses ganz unterschiedliche Anforderungen stellen. Ein verkauftes Fahrrad ist bis zum Gefahrübergang gegen Diebstahl zu sichern; je nach Örtlichkeit und Typ mag das Speichenschloss genügen, oder ist es an eine Verankerung anzuketten. Beim Verkauf von Baumaterial im Baumarkt mag allenfalls eine stichprobenartige Kontrollpflicht des Verkäufers hinsichtlich der Qualität bestehen. Von einem Fachhändler wird etwa beim Gebrauchtwagenverkauf eine eingehende Sichtkontrolle erwartet.
Nur in einer solchen weitergehenden Pflicht kann ein Verschulden (korrekter: ein Vertretenmüssen, nämlich einer Pflichtverletzung) begründet sein und nur in diesem Rahmen haftet der Verkäufer für die Vernachlässigung der verkehrsüblichen Sorgfalt (vgl. § 276 Abs. 2), auch durch seine Erfüllungsgehilfen (vgl. 278).
Die Beschaffungspflicht eines Gattungsschuldners ist dabei zwar Primärpflicht, hat aber nicht die Konsequenz des § 276 Abs. 1 a.E. auf Ebene der Sekundäransprüche. Anders als beim Werkliefervertrag (vgl. § 650 S. 1) ist die Herstellungspflicht keine Nebenpflicht des Kaufvertrags, so dass ein Herstellerverschulden dem Verkäufer als (Zwischen-)Händler nicht anzulasten ist, auch nicht über § 278. Lag eine Beeinträchtigung der Kaufsache bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor, so kann ein Verschulden des Verkäufers nur in einer Verletzung etwaiger Kontrollpflichten über seine eigene ordnungsgemäße Lieferfähigkeit liegen; eine solche ist im Massengeschäft sicher zu verneinen. Dafür aber seit 2019 nun die §§ 445a/b, vgl. oben Rn. 94.
D.h. auch, dass es bei nicht behebbaren Mängeln auf den Zeitpunkt ankommt, in dem der Mangel eingetreten ist. Lag der Mangel bereits bei Kaufabschluss vor, sind etwaige Kontroll-, Prüfpflichten schadensersatzbegründend (Hätte der Verkäufer den Mangel kennen müssen?), bei später entstehenden Mängeln dagegen Obhutspflichten (Hätte er ihn verhindern müssen?); parallel zur anfänglichen Unmöglichkeit, vgl. in § 311a Abs. 2 S. 2). Bei behebbaren Mängeln gilt Selbiges. Allerdings tritt bei behebbaren Mängeln im Zeitpunkt des Gefahrübergangs die Beseitigungspflicht (§ 439) als Quelle von Pflichtverletzungen hinzu. Letzteres wirkt sich jedenfalls mit dem Nacherfüllungsverlangen (bzw. mit Ablauf der für die Nacherfüllung angemessenen Frist) dahin aus, dass der Verkäufer ab dann verschuldensunabhängig haftet (§ 276 Abs. 1 a.E.; er hat eine Einstandspflicht für die Lieferung einer mangelfreien Sache mit Kaufabschluss übernommen); aber bereits das Nacherfüllungsverlangen genügt als Mahnung der originären Lieferpflicht einer mangelfreien Sache und führt zur Verzugshaftung ab diesem Zeitpunkt (§§ 280 Abs. 2, 286, 287).
Beispiel:
Ein Betriebsausfallschaden infolge Lieferung einer mangelhaften Sache ist nach § 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 bewehrt (Schadensersatz „neben“ der Leistung; nur soweit er noch kompensierbar wäre, ist er solcher „statt“ der Leistung). Insoweit ist § 440 zu beachten sowie das Verschuldenserfordernis. Kommt der Verkäufer sodann durch solche Mahnung in Verzug, kann der Käufer einen nachfolgenden Betriebsausfallschaden alternativ darauf stützen (§§ 437 Nr. 1, 439, 280 Abs. 2, 286; dazu sogleich unter Verzugsfolgen). Problematisch ist aber der „erste“ Betriebsausfallschaden zwischen Ablieferung und Nacherfüllungsverlangen. Dieser scheitert als Mangelrecht und als Verzugsfolge am fehlenden Nacherfüllungsverlangen (Mahnung); er wäre daher nur als Nebenpflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 zu ersetzen; dazu fehlt aber wohl regelmäßig eine verletzte Pflicht.[65]