Читать книгу Schuldenberatung und Schuldenprävention als Soziale Arbeit - Christoph Mattes - Страница 17
2.2 Schuldenberatung als Fortschrittskonzept
ОглавлениеEin Blick in die Entstehung der Schuldenberatung zeigt, dass in den Anfängen dieses Hilfeangebotes Unklarheit bestand, ob nun das Phänomen Konsument*innenverschuldung, das seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts zunehmend in Erscheinung trat, bekämpft werden soll, auch mit dem aus heutiger Sicht unrealistischen Ziel, diese wieder beseitigen zu können. Oder ob es um die Bewältigung auswegloser Verschuldungssituationen geht, zu der externe Unterstützung durch eine Beratungsstelle oder spezialisiertes Expert*innenwissen erforderlich ist, die sozusagen als soziale Dienstleistung für eine normal gewordene Notlage agiert.
Da sich seit den 1970er Jahren inzwischen eine auf Finanzdienstleistungen beruhende Konsumgesellschaft unstrittig durchgesetzt hat, Verschuldung als gesellschaftliche Realität akzeptiert wurde, diese in das Rechtssystem integriert und ein auf private Konsumnachfrage beruhendes Gesellschaftsmodell etabliert werden konnte, geht es längst nicht mehr um die Bewältigung einer gesellschaftlichen Fehlentwicklung. Schuldenberatung bearbeitet ein gesellschaftlich integriertes Problem und wendet Verfahren und Gesetze an, die aus der Überzeugung der Schutzbedürftigkeit der verschuldungsbetroffenen Haushalte durch den Gesetzgeber eingeführt wurden. Zudem begleitet sie den gesellschaftlichen Fortschritt durch flankierende Maßnahmen und ihr sozialpolitisches Engagement, die gesellschaftlichen Transformationsprozesse so zu gestalten, dass auch für verschuldete oder zahlungsunfähige Menschen Teilhabe möglich ist.
Schuldenberatung ist somit Teil eines gesellschaftlichen Fortschrittskonzeptes, das parteilich die Anliegen und Bedürfnisse verschuldungsbetroffener Menschen politisch verwertet, durch eigenes berufliches Handeln negative Auswirkungen von Verschuldung bekämpft und mit der Haltung den Betroffenen gegenüber tätig ist, dass verhaltens- und verhältnispräventiv eine Bekämpfung des Problems möglich ist (vgl. Mattes 2010: 214).