Читать книгу Schuldenberatung und Schuldenprävention als Soziale Arbeit - Christoph Mattes - Страница 19
2.4 Schuldenberatung als Akteurin im Rechtssystem des Konsument*innenschutzes
ОглавлениеAus sozialpolitischer Sicht sind die bisherigen großen Erfolge der Schuldenberatung im Zusammenhang des Konsument*innenschutzes und der Neuregelung gerichtlicher Verfahren und Abläufe zu finden. So waren es in den Anfängen vor allem herbeigeführte gerichtliche Grundsatzurteile zu überhöhten Zinsen, Kostentransparenz oder Formulierungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen und Kreditverträgen, die dem Konsument*innenschutz und der Schuldenberatung zugleich Ruhm und Ansehen bescherten. Dies war insbesondere in den 1950er bis 1970er Jahren sehr bedeutend, als die Konsum- und Kreditwirtschaft den Markt der Privatpersonen und Privathaushalte für sich entdeckte und eroberte. In diese Zeit vollzog sich unter anderem auch die Einführung und Durchsetzung des Lohn- und Gehaltskontos für private Haushalte. Die Einführung dieser neuen Bankdienstleistung war aber auch mit einer schmerzhaften Zäsur durch die Kreditwirtschaft verbunden. Nachdem die Barauszahlung der Löhne durch die Arbeitgeber*innen nicht mehr praktiziert wurde, die Dienstleistung der Bankkonten und des bargeldlosen Zahlungsverkehrs für Privathaushalte auf dem Markt durchgesetzt war, wurden fortan nicht mehr allen Personen Bankkonten zur Verfügung gestellt. Ausgeschlossen waren ab dann Personen und Haushalte mit überhöhter Verschuldung, wegen Zahlungsrückstände gekündigter Kredite und bestimmter gerichtlicher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.
Die Kreditwirtschaft bereitete in dieser Zeit auch den Weg der Bevölkerung zur Teilhabe an der Konsumgesellschaft, ließ sich diesen sozialintegrativen Service aber durch hohe Zinsen und Kosten von ihren Kund*innen bezahlen. Dies wurde von Seite der Kreditwirtschaft durch rechtlich fragwürdige Vertragsvereinbarungen und Geschäftsbedingungen mit den Kund*innen vereinbart, was zu zahlreichen höchstrichterlichen Grundsatzurteilen führte. In den Anfängen der Schuldenberatung gab es daher eine inhaltliche Nähe zu den Organisationen des Konsument*innenschutzes. Durch ihr Engagement zu rechtlichen Fragen des Konsument*innenschutzes war die Soziale Arbeit wesentliche Akteurin und ein dringend notwendiges Korrektiv der auf Konsum und Finanzdienstleistungen beruhenden arbeitsteiligen Gesellschaft. In ihr musste das Verhältnis von Konsument*innen und den Akteur*innen der Finanzdienstleistungen neu verhandelt und teilweise auch durch höchstrichterliche Urteile zum Konsument*innenschutz erstritten werden (vgl. Buschkamp 2019: 148ff).
Doch hierzu ist das Feld inzwischen weitgehend abgesteckt und Themen wie sittenwidrig überhöhte Zinsen, einseitig benachteiligende Geschäftsbedingungen oder Gültigkeit überraschender Vertragsklauseln bei der Sicherung von Ratenkreditverträgen durch Gesetze oder durch entsprechende Rechtsprechung weitgehend geregelt. Folglich sind solche Fragen nicht mehr in dem Maße Bestandteil der täglichen Arbeit der Beratungsstellen oder deren Fachverbänden. Dies bedeutet aber nicht, dass gänzlich auf das Engagement der Sozialen Arbeit oder des Konsument*innenschutzes verzichtet werden kann. Der gesellschaftliche Wandel, hier aktuell die Folgen der Digitalisierung, erfordern immer wieder die politische Einflussnahme der Sozialen Arbeit, um veränderte Rahmenbedingungen der Konsum- und Kreditwirtschaft der Menschen in prekären Einkommenssituationen oder benachteiligten Lebenslagen anzupassen.
Ausbauen konnte die Schuldenberatung schließlich ihre Position beim Privatkonkurs- und Restschuldbefreiungsverfahren und hier insbesondere ihr Mitwirken bei gerichtlichen Verfahrensabläufen (vgl. Elbers 2019: 260ff). Hier gelang es der Schuldenberatung insbesondere im Rahmen der Einführung von gerichtlichen Restschuldbefreiungsverfahren in Deutschland und Österreich eine zentrale Position bis hin zur Zugangsschwelle zu diesen Verfahren zu besetzen. Schuldenberatungsstellen übernehmen in solchen Verfahren umfassende administrative Aufgaben, nicht zuletzt zur Entlastung der Justiz, und sind Träger wesentlicher Teile dieser komplexen gerichtlichen Abläufe. Selbst in der Schweiz, in der zwar ein Privatkonkurs möglich ist, der aber nicht zu einer Restschuldbefreiung führt, fand die Schuldenberatung ihren Platz als zentrale Akteurin bei der Antragstellung dieses Verfahrens und hat Zugriff auf Rechtszüge wie die vorübergehende Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die eine Entschuldung erleichtert.