Читать книгу Schuldenberatung und Schuldenprävention als Soziale Arbeit - Christoph Mattes - Страница 18
2.3 Schuldenberatung als Spezialisierung und Arbeitsteilung
ОглавлениеDie Entstehung spezialisierter Schuldenberatungsstellen ist einerseits den expansiven Sozialstaatsvorstellungen geschuldet, die lange Zeit spezialisierte Hilfen priorisierten und Professionalität mit spezialisierten Angeboten gleichsetzten. Insbesondere in den 1980er Jahren, unter dem Druck stetig steigender Arbeitslosigkeit und Entstehung von Armut als gesellschaftlicher Realität, bildeten sich eine Vielzahl spezialisierter Hilfeangebote in der Sozialen Arbeit aus, die sich schnell der Kritik ausgesetzt sahen, zu sehr auf ein bestimmtes Problem fokussiert und zu wenig vernetzt mit anderen Hilfeangeboten zu arbeiten. Dass ein möglichst ausdifferenziertes und spezialisiertes Hilfesystem nicht zwangsläufig mit der Qualität und Wirksamkeit von Hilfen gleichzusetzen ist, wurde erst viel später erkannt. Im Zusammenhang erforderlicher Kostenersparnisse und dem zunehmenden Druck auf soziale Institutionen, bestimmte Qualitätsstandards einzuhalten und die Erreichbarkeit ihrer sozialpolitisch definierten Ziele nachzuweisen, trübte sich das Bild der spezialisierten Hilfen spürbar ein. Die Wiederentdeckung der Qualität von Hilfen aus einer Hand oder von Hilfen unter einem Dach stellte die vorangegangene Spezialisierung der Sozialen Arbeit grundlegend in Frage, verlangte wieder mehr Kooperation, Fallführung und Vernetzung (Grunwald/Thiersch/Ansen 2016).
Doch gab und gibt es weiterhin gute Gründe, weshalb sich gerade zum Problem der privaten Verschuldung ein hoch spezialisiertes Angebot entwickelte und sich als Anbieter von Lösungen weiterhin hält. Kein anderes Beratungsangebot der Sozialen Arbeit ist genuin so stark technokratisch geprägt, wie das von Schuldenberatungsstellen zur Verfügung gestellte Expert*innenwissen und die Verfahrensroutinen im Umgang mit Gläubiger*innen.
Zwar wirft die Relevanz dieses exponierten Expert*innenwissens immer wieder die Frage nach dem professionellen Selbstverständnis von Beratung bei Verschuldung auf. Doch erbringt die Schuldenberatung zugleich auch eine wichtige Dienstleistung für viele andere Bereiche der Sozialen Arbeit. Sie ist Wissensträgerin und Multiplikatorin zu verschuldungsrelevanten Fragen innerhalb des Hilfesystems. Damit gemeint ist, dass nicht nur durch Schuldenberatungsstellen Betroffene beraten werden. Auch in anderen Arbeitsfeldern treffen Sozialarbeitende auf Menschen mit Geld- oder Schuldenproblemen. Innerhalb dieser nicht spezialisierten Beratung greifen sie auf Wissen zurück, das von der Schuldenberatung bereitgestellt und durch Weiterbildungen und Fachberatungen vermittelt wird oder nehmen deren kollegiale Fallberatung in Anspruch. Das heißt, die nicht spezialisierte Schuldenberatung ist auf die Vernetzung und den fachlichen Austausch mit spezialisierten Stellen angewiesen, um das Thema Schulden integriert in ihr eigentliches Beratungsangebot für die jeweilige Zielgruppe anbieten zu können.