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2.6 Schuldenberatung in einer verschuldungsgeleiteten Volkswirtschaft

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Zuletzt sei die Funktionsweise der Verschuldung von Privatpersonen und Privathaushalten auch auf der Ebene der Volkswirtschaft analysiert. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist der Geldkreislauf zwischen Privathaushalten, Unternehmen und Staat ausgeglichen. Dabei tauschen Privathaushalte mit den Unternehmen Arbeitskraft gegen Geld und Geld gegen Güter und Dienstleistungen. Der Staat greift durch Besteuerung der Einkommen, Subventionen und Sozialleistungen ein, um den Geldkreislauf ausgeglichen zu halten (Blümle 1999).

In diesem Modell enthalten ist aber auch das Element Schulden, das die Akteur*innen des volkswirtschaftlichen Geldkreislaufes aufeinander abstimmt und aufrechterhält. Inwiefern Schulden im Verhältnis von Privathaushalten und Unternehmen reguliert sind oder dem freien Markt überlassen bleiben, liegt in der Verantwortung des Staates. Er entscheidet, welches Ausmaß und welche Formen der Verschuldung erlaubt und möglich sind, ob und wie überhöhter Verschuldung entgegengewirkt wird und inwiefern der Staat selbst mit dem Instrument Verschuldung auf Angebot und Nachfrage einer Volkswirtschaft Einfluss nehmen soll. So kam es in Deutschland, Österreich und der Schweiz in der zweiten Hälfte des vorangegangenen Jahrhunderts immer wieder zur Einflussnahme der Politik auf die Konsumnachfrage der privaten Haushalte. Hierbei ging es nicht nur um eine Steigerung des Lebensstandards durch Konsumgüter, es ging vielfach um die Schaffung von Arbeitsplätzen mit dem Ziel der Vollbeschäftigung. Diese Einflussnahme auf die Konsumnachfrage der privaten Haushalte erfolgte unter anderem durch eine Deregulierung des Konsumkreditbereichs der Kreditwirtschaft und vereinfachte Refinanzierungsmöglichkeiten bei den Zentralbanken. Drohte eine konjunkturelle Überhitzung und eine überhöhte Binnennachfrage der privaten Haushalte, wurde über die Steuerungsinstrumente der nationalen Zentralbanken und später auch durch die Europäische Zentralbank den negativen Trends entgegengewirkt (vgl. Mattes 2007: 131).

Mit anderen Worten: Verschuldung ist in einer arbeitsteiligen Gesellschaft ein zentrales Steuerungsinstrument des Staates, um Angebot und Nachfrage an Gütern und Dienstleistungen zu beeinflussen, volkswirtschaftliches Wachstum zu fördern und um konjunkturellen Schwankungen und Risiken entgegenzuwirken. Dazu gehört auch, dass der Staat selbst als Gläubiger*in auftritt, indem er Teile seiner Intervention und Steuerung über die Verschuldung der Haushalte und Unternehmen vornimmt, Folgen des Zahlungsverzugs gesetzlich reguliert oder dereguliert. Schulden wirken sich aber nicht nur auf abstrakte volkswirtschaftliche Geldkreisläufe aus. Sie treten in den Lebenslagen der Menschen in Erscheinung, die in der jeweiligen Gesellschaft ihren Alltag bewältigen, mit Benachteiligung konfrontiert oder im biographischen Verlauf Kritischen Lebensereignisse ausgesetzt sind. Letztlich verbleibt den privaten Haushalten ein individualisiertes Risiko, wie sie mit ihren Schulden umzugehen haben, nachdem der volkswirtschaftliche Effekt der gesteigerten Konsumnachfrage verpufft, das Geld ausgegeben und in Zeiten der Rezession und Arbeitslosigkeit die angehäuften Schulden noch weiter bestehen.

Schuldenberatung nimmt sich der Menschen an, die sich zwar volkswirtschaftlich korrekt als Konsument*innen und Kreditnehmer*innen verhalten, sozusagen der Kreditwirtschaft die Möglichkeit geben in ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Lohnarbeit zu investieren und das Arbeitseinkommen verzinslich vorzufinanzieren, im Einzelfall dadurch in Schwierigkeiten geraten. Bei Eintreten von Zahlungsstörungen benötigen die Betroffenen Hilfe und Unterstützung, um möglichst schnell wieder den Bedingungen der Volkswirtschaft zu entsprechen und Teil ökonomischer Geldkreisläufe sein zu können.

Schuldenberatung und Schuldenprävention als Soziale Arbeit

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