Читать книгу Schuldenberatung und Schuldenprävention als Soziale Arbeit - Christoph Mattes - Страница 8

1.2 Verständnis dieses Buches

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Neben der Schwierigkeit einer gendergerechten Sprache, ergibt sich aus der juristischen Prägung heraus noch eine weitere, zu Beginn dieses Buches zu klärende Unschärfe, was den Gegenstandsbereich Verschuldung anbelangt. Geht es um »Verschuldete« im Sinne einer einzelnen Person, die nicht erfüllte Schuldverpflichtungen mit sich tragen, oder ist der »verschuldete Haushalt« gemeint, in dem eine oder mehrere Personen verschuldet sind, die Folgen daraus sich aber auf alle in diesem Haushalt lebende Personen auswirken? Konkret gesagt: Ist nur die Person, die als einkommensbeziehendes Haushaltsmitglied häufig auch für einen Großteil der Forderungen haftet Adressat*in der Beratung oder geht es im professionellen Verständnis auch um die Haushalts- oder Familienangehörigen, die zwar nicht für die Schuldentilgung herangezogen werden können, trotzdem aber mit den wirtschaftlichen und familiären Auswirkungen konfrontiert sind? Im Hinblick auf das Grundanliegen dieses Buches, von einer individualisierten Betrachtung von Verschuldung und Schuldenberatung zu einer alltagsorientierten Auseinandersetzung zu kommen, wird in diesem Werk soweit als möglich von verschuldeten »Haushalten« oder »Personen und Haushalten« gesprochen. Dabei ist es zwar nicht gleichgültig, wer im betroffenen Haushalt für die Zahlungsverpflichtungen rechtlich haftet und wer nicht. Im Mittelpunkt der fachlichen Auseinandersetzung stehen die Haushaltsgemeinschaften, also Ein- oder Mehrpersonenhaushalte, Familien oder familienähnliche Haushaltspraktiken, die als Verschuldungsbetroffene die Adressat*innen der Sozialen Arbeit und deren Beratung darstellen. Die Haushaltsgemeinschaft, mit ihrer eigenen Binnenstruktur, ihren Ritualen, Themen und Ressourcen, ist die zentrale Referenzgröße der Schuldenberatung, auf deren Grundlage Problemlösungen erarbeitet und ein gelingender Alltag ermöglicht werden kann. Soweit es um spezifische Zusammenhänge der Beratung einer einzelnen Person oder der Bildungs- und Partizipationsaspekte im Rahmen von Schuldenprävention handelt, bei der nicht die Haushaltsgemeinschaft, sondern einzelne Individuen im Vordergrund stehen, wird in diesem Buch von Personen oder Ratsuchenden gesprochen.

Zum Duktus dieses Buches gehört auch der Hinweis, dass es sich um eine kritische Auseinandersetzung mit Experte*innenwissen und Expert*innenberatung handelt. Gerade die Schuldenberatung definiert sich maßgeblich über Fachwissen und Expert*innenberatung, was nicht dem genuinen professionellen Beratungsverständnis der Sozialen Arbeit entspricht. Zugleich sieht sich die Schuldenberatung oft den Erwartungen und Zuschreibungen der Betroffenen gegenüber, die in der Annahme der Lösbarkeit der Verschuldung und schuldenspezifischem Fachwissen, im Beratungssetting dieses Expert*innenwissen einfordern. So wird Schuldenberatung immer auch das Bedürfnis nach Rechtsauskünften erfüllen müssen, um den Erwartungen der Betroffenen gerecht werden zu können. Schuldenberatung stellt die Gestaltung zweier parallel verlaufender Prozesse dar: die Information und Bildung der Ratsuchenden mit verschuldungsrelevantem Wissen; zudem aber auch die Beratung im Sinne der Klärung eigener Bedürfnisse und Erschließung individueller Fähigkeiten und Ressourcen, um die aktuelle Situation zu klären und Perspektiven der Betroffenen zu erarbeiten.

In diesem Buch wird Schuldenberatung und Schuldenprävention getrennt voneinander abgehandelt. Es handelt sich hier um eine rein analytische Trennung dieser beiden Bereiche. Das Phänomen der Verschuldung und das Hilfeangebot Schuldenberatung sind stark historisch oder durch ihre Entstehungsgeschichte als Einzelhilfe geprägt. Die Schuldenprävention, im Verständnis wie sie in diesem Buch eingeführt ist, orientiert sich dabei stark am Fachdiskurs der Sucht- und Gewaltprävention und der Gesundheitsförderung und zielt sowohl auf Verhaltens- wie auch Verhältnisprävention. Am Ende des Buches wird jedoch deutlich, dass Schuldenberatung nicht getrennt von Schuldenprävention erklärt und in der Praxis umgesetzt werden kann.

Schuldenberatung und Schuldenprävention als Soziale Arbeit

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