Читать книгу Person und Religion - Ciril Rütsche - Страница 30
2.2.2 Sind die apriorischen Erkenntnisse blosse TautologienTautologien?
ОглавлениеNichtsdestotrotz – oder gerade deswegen? – können die apriorischen Erkenntnisse bzw. Urteile leicht verwechselt werden mit tautologischen Erkenntnissen bzw. Urteilen. Von HildebrandHildebrandDietrich von spricht KantKantImmanuel das grosse Verdienst zu, „im Bereich der Urteile zum ersten Mal einen wesentlichen und höchst bedeutsamen Unterschied herausgearbeitet zu haben, nämlich den zwischen tautologischen und nichttautologischen Urteilen“1. Die tautologischen nannte KantKantImmanuel analytische, die nichttautologischen bezeichnete er als synthetische Urteile. Bei den analytischen Urteilen wird im PrädikatPrädikat nur wiederholt, was im Subjektsbegriff schon enthalten ist. Wird z.B. gesagt: „Jeder Sohn stammt von Eltern ab“, so ist im BegriffBegriff des Sohnes die Beziehung zu den Eltern schon enthalten. Das WissenWissen wird damit nicht erweitert. Das Wissen wird nur mit den Erkenntnissen erweitert, die seit KantKantImmanuel synthetische genannt werden. Synthetisch ist z.B. der von KantKantImmanuel bezeichnete SatzSatz „7 + 5 = 12“2, denn weder im Begriff von 12 noch von 7 oder 5 findet sich ein expliziter Bezug auf den im Satz ausgedrückten SachverhaltSachverhalt. Im Unterschied zu den analytischen oder tautologischen Urteilen, die bloss erläutern, was im Subjektsbegriff bereits gesetzt war, erweitern die synthetischen Erkenntnisse das Wissen.3
Im Buch Gamma seiner MetaphysikMetaphysik hat AristotelesAristoteles auf einen notwendigen SachverhaltSachverhalt aufmerksam gemacht: Unmöglich könne dasselbe demselben und in derselben Hinsicht zugleich zukommen und nicht zukommen.4 Das Bestehen dieses Sachverhalts ist so evident, dass er eines Beweises weder fähig noch bedürftig ist. Worin aber gründet der Sachverhalt, dass ein Sachverhalt nicht zugleich bestehen und nicht bestehen kann? Das Materiale, das SoseinSosein der betreffenden Seienden scheint keine Rolle zu spielen, das WiderspruchsprinzipWiderspruchsprinzip ist in Bezug auf morphische EinheitenEinheitenchaotische, zufällige, morphische ebenso gültig wie in Bezug auf innerlich notwendige EinheitenEinheitenchaotische, zufällige, morphische. Beispielweise kann der Sachverhalt mit absoluter GewissheitGewissheit erkannt werden, dass der vor dem Fenster stehende Baum nicht zugleich belaubt und nicht belaubt sein kann. Diese ErkenntnisErkenntnis ist absolut gewiss, obwohl weder der Baum noch das Laub in notwendigen EinheitenEinheitenchaotische, zufällige, morphische gründen. Beide gründen in sinnvollen, aber nicht notwendigen, in morphischen EinheitenEinheitenchaotische, zufällige, morphische. Gründet die Gewissheit demnach in den oben angesprochenen formal necessary features? Oder ist das Widerspruchsprinzip letztlich bloss analytischanalytisch? Im Gegenteil, dass etwas nicht zugleich existieren und nicht existieren kann, ist „alles andere als analytisch“, es ist „ein prototyp synthetischer Urteile“.5 Diese TheseThese begründet von HildebrandHildebrandDietrich von mit dem folgenden ArgumentArgument: „Wäre es [sc. das Widerspruchsprinzip] selbst analytisch, eine blosse Wiederholung, die nichts über die WirklichkeitWirklichkeit sagt, auf die sie sich bezieht, so wäre es unmöglich, festzustellen, ob irgendein UrteilUrteil tautologisch ist.“6 In sich ist das Widerspruchsprinzip eine materiale WahrheitWahrheit. Auch in der LogikLogik oder der Ontologie ist der WiderspruchWiderspruch von Wahrheit und Nichtwahrheit, von Sein und Nichtsein ein materiales Prinzip. In allen anderen Erkenntnisgebieten hat es jedoch einen „formalen Charakter, weil es nicht in der jeweils das Thema bildenden spezifischen NaturNatur der Gegenstände gründet, sondern in dem Gehalt des Seienden, der für alle diese Seinsbereiche schon die stillschweigende Voraussetzung ist“7.
Wie wiederholt gesehen, ist es dem philosophischen ErkennenErkennen – zumal so, wie es der vorliegenden Untersuchung zugrunde gelegt wird – nicht um die formalen Voraussetzungen der Erfahrung zu tun, sondern um das Verhalten der innerlich notwendigen Gegenstände, die ein absolut gewisses Erkennen und ein VerstehenVerstehen von innen her ermöglichen. Dass die ImmanenzImmanenz des eigenen Bewusstseins bei der Erlangung einer philosophischen ErkenntnisErkenntnis transzendiert wird, zeigt sich an der Unerfindbarkeit. Was einen Charakter innerer NotwendigkeitNotwendigkeitsubjektive und höchster IntelligibilitätIntelligibilität besitzt, kann unmöglich eine subjektive ErfindungErfindung oder eine blosse ErscheinungErscheinung sein.8 Bei der Erkenntnis eines notwendigen Sachverhalts wird die Immanenz des eigenen Bewusstseins ebenso transzendiert wie der Bereich des sinnlich Wahrnehmbaren.