Читать книгу Person und Religion - Ciril Rütsche - Страница 32
2.4 Die Frage nach dem GewissheitskriteriumGewissheitskriterium, die Seinsweise der notwendigen Wesenheiten und ihr metaphysischer Ort
ОглавлениеDer MenschMensch ist weder auf die ImmanenzImmanenz der sinnlich erfahrbaren Welt noch auf die seines eigenen Bewusstseins beschränkt. Er vermag die Grenze intentional zu übersteigen, die das Sinnliche und das Übersinnliche, die das Physische und das Metaphysische voneinander trennt. Wie sich gezeigt hat, vermag er dies auf zwei grundsätzlich verschiedene Arten: Einerseits mittels der absolut gewissen ErkenntnisErkenntnis eines allgemeinen Sachverhalts, der in einem intelligiblen und in sich notwendigen SoseinSosein gründet, andererseits durch die Erkenntnis des individuellen Sachverhalts der ExistenzExistenz der eigenen PersonPerson.
Doch wie kann man eigentlich wissen, ob es sich im gegebenen Fall um eine notwendige Soseinseinheit handelt, deren Verhalten von innen her verstanden und mit absoluter GewissheitGewissheit erkannt werden kann? Das Kriterium ergibt sich bei der Vertiefung in das SoseinSosein selbst. Es bedarf keines äusseren Kriteriums. „Der Charakter einer notwendigen, intelligiblen EinheitEinheit ist sein eigenes Kriterium.“1 Nach einem anderen Kriterium als der intelligiblen NotwendigkeitNotwendigkeitsubjektive eines Soseins zu fragen, ist absurdabsurd. Es kann kein höheres Kriterium geben.2
Wenn in diesem Sinne also mit GewissheitGewissheit erkannt werden kann, dass die VerantwortungVerantwortung FreiheitFreiheit und die Farbe den Raum voraussetzen, wo haben diese vier Soseinseinheiten dann eigentlich ihren Ort, ja, welches ist ihre Seinsweise? Als notwendige Entitäten gehören sie sicherlich nicht den morphischen EinheitenEinheitenchaotische, zufällige, morphische zu, die wohl sinnvoll, aber nicht innerlich notwendig sind. Solcherart geeinte Gegenstände wie z.B. ein Löwe oder der menschliche Körper sind in dem Sinne real, dass sie sinnlich wahrgenommen werden können. Die GerechtigkeitGerechtigkeit, die Freiheit, die Farbe, der Raum und alle notwendigen Soseinseinheiten dagegen „sind in der Tat so potent, dass es sie in bestimmter Weise gibt, selbst wenn gerade kein wirkliches Exemplar ihrer Art existiert“3. „Sie sind für ihre volle Gültigkeit weder darauf angewiesen, in einem wirklichen Gegenstand anwesend zu sein, noch von uns gedacht zu werden. Sie allein besitzen ideale Seinsweiseideale Seinsweise im vollen SinnSinn“4. Unabhängig von ihrem Realwerden im Menschen eignet beispielsweise dem SoseinSosein der Verantwortung eine ideale Seinsweise, sie ist etwas Objektives, das SeinsautonomieSeinsautonomie besitzt. Selbst wenn kein MenschMensch existiert, der Verantwortung übernimmt, selbst dann schliesst das Sosein der Verantwortung aus, eine blosse IllusionIllusion oder FiktionFiktion zu sein.
Was sodann den metaphysischen Ortmetaphysischer Ort der notwendigen Soseinseinheiten oder Wesenheiten betrifft, so zeigt sich von Hildebrands Ideologiefreiheit in aller Deutlichkeit. Denn während er einerseits die Leugnung der idealen Seinsweise der notwendigen Wesenheiten für unmöglich erklärt, begnügt er sich andererseits mit der Feststellung, „noch keinen metaphysischen Ortmetaphysischer Ort für diese notwendigen Wesenheiten [zu] haben“5. Damit zeigt er die Grösse, die alle jene nicht besitzen, die „im Sinne der Ausfüllung des nicht Erfassten“6 ein konstruktives Verhalten an den Tag legen. Wenngleich ein metaphysischer Ort der in idealer Weise seienden notwendigen Wesenheiten nicht auszumachen ist, eröffnen sowohl die Sphären der Zahlen oder der FarbenFarben ebenso einen Blick auf das Verhältnis zwischen dem idealen und dem realen Sein wie die Sphären des Ethischen oder des Personalen. Auch hier beabsichtigt er allerdings nicht, eine Lösung dieses Problems zu bieten. Bei den Zahlen lässt sich immerhin so viel sagen, dass sie „keineswegs von der realen Welt ausgeschlossen sind“7. Wenn drei Personen im Zimmer stehen, wird von einem realen, konkreten SachverhaltSachverhalt gesprochen. Dabei kann nicht verleugnet werden, „dass sie in spezifischer Weise in die reale Welt eintreten, obwohl sie nicht den Seinsmodus besitzen, der Substanzen und viele Akzidentien auszeichnet“8. Von einer analogen Weise, doch einem anderen Typus, muss bei den Farben gesprochen werden.9
Im Falle eines sittlichen Wertessittlicher Wert wiederum schliesst das ideale Sein bereits volle Realität ein. So zeigt alleine schon die Tatsache, dass menschliche HandlungenHandlungen gut sein sollen, „dass die Realität sittlicher WerteWerte durch ihre ideale Seinsweiseideale Seinsweise gewährleistet wird“10. Da sich im weiteren Verlauf dieser Untersuchung wiederholt zeigen wird, inwiefern sich bei der Setzung eines sittlich guten Aktes „eine völlig neue Art des ‚Herabreichens‘ des idealen Seienden in die Realität“11 ereignet, möge es an dieser Stelle mit diesen HinweisenHinweise sein Bewenden haben.