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3.3 Die WerterkenntnisWerterkenntnis

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An dieser Stelle sind zwei Fragen von vordringlichem Interesse. Erstens: Können die WerteWerte auf der Basis der oben beschriebenen MethodeMethode erkannt werden? Zweitens: Inwiefern sind die Werte, die zwar keinen stringenten GottesbeweisGottesbeweis ermöglichen, dennoch „ein Fingerzeig, ein Hinweis auf GottGott“1?

Was die erste Frage betrifft, so steht es für von HildebrandHildebrandDietrich von zweifelsfrei fest, dass die WerteWerte mit einer ebensolchen absoluten GewissheitGewissheit erkannt werden können wie die notwendigen Sachverhalte, denn es besteht „eine wesenhafte Verbindung zwischen dem Wert und dem Gegenstand“2. „Wir verstehen: die ReueReue ist sittlich gut, und so muss es sein.“3 Die BedeutsamkeitBedeutsamkeit – in diesem Falle der Reue – kann nie von etwas Neutralem abgeleitet, sondern „einzig in einer originären IntuitionIntuition erfasst werden“4. Und ist er einmal erfasst, „so verstehen wir, dass er wesenhaft im SoseinSosein der Reue gründet“5. Die Relation zwischen einem Seienden und seinem Wert ist „in sich nicht empirisch und kontingentkontingent, sondern vielmehr notwendig und intelligibelintelligibel“6. „Der Wert ist in jedem SinnSinn des Wortes objektiv.“7 Ja, die Werte gehören so sehr zum Seienden, „dass sie geradezu das Mark seines Sinngehaltes bilden“8.

In seiner Habilitationsschrift SittlichkeitSittlichkeit und ethische WerterkenntnisWerterkenntnis hat von HildebrandHildebrandDietrich von das intuitive Erfassen eines Wertes spezifiziert. Er grenzt die evidente Werterkenntnis – im Sinne eines auf Sachverhalte gerichteten Erkennens – ab von einem zugrunde liegenden intuitiven Werterfassen und hält fest, dass Ersteres ohne Letzteres „nur in sehr beschränktem Masse möglich“9 sei.10 Das intuitive Werterfassen, das eine Werterkenntnis im Sinne eines Sachverhaltserkennens fundiert, scheidet er nochmals in zwei Elemente: in ein WertsehenWertsehen und ein WertfühlenWertfühlen.11 Den Unterschied verdeutlicht er mit folgendem Beispiel:

Wir hören manchmal eine Melodie und erfassen deutlich ihre SchönheitSchönheit, aber sie greift uns nicht ans Herz, sie „ergreift“ uns nicht. Wir haben ihre Schönheit gegenwärtig, ohne gleichsam persönlich mit ihr in Kontakt zu treten. […] Die Schönheit derselben steht deutlich vor uns, so dass sich die ErkenntnisErkenntnis, sie ist schön, klar darauf aufbauen kann. Aber sie berührt uns nicht im eigentlichen SinnSinn, wir fühlen sie nicht. Man denke dagegen an den Fall, in dem mich die Schönheit „bis zu den Tränen“ rührt. Sie spricht jetzt deutlich zu mir, sie tritt mir nahe, oder ich dringe wirklich in sie ein.12

Dieses WertfühlenWertfühlen ist ein unmittelbares AffiziertwerdenAffiziertwerden13 vom Wert. Dasselbe Beispiel des Affiziertwerdens von der SchönheitSchönheit bringt von HildebrandHildebrandDietrich von in Ästhetik 1,14 nicht wortwörtlich, dafür aber mit einer Explikation des Phänomens. „Wir hören eine schöne Melodie und erfassen nicht nur ihre Schönheit, sondern sie greift uns beglückend ans Herz, sie giesst etwas in unsere SeeleSeele ein; sie berührt unser Herz und erfüllt unsere Seele mit einem bestimmten GlückGlück.“15 Die Schönheit kann ergreifen und zu Tränen rühren, sie kann entzücken und in die TiefeTiefe führen.16

Das AffiziertwerdenAffiziertwerden von der SchönheitSchönheit „ist nicht mehr nur das verstehende Erfassen eines Wertes“, so wie es bei der reinen Sachverhaltserkenntnis oder dem WertsehenWertsehen der Fall ist, „sondern eine besondere ‚WirkungWirkung‘ des Wertes auf unsere SeeleSeele, eine von aller blossen KausalitätKausalität weit entfernte, tief sinnvolle intelligible Wirkung“.17 Im Affiziertwerden wird „ein neues Stadium der EinheitEinheit verwirklicht“, das jenes, welches dem ErkennenErkennen eigen ist, „einschliesst und überschreitet“.18 Damit positioniert von HildebrandHildebrandDietrich von jedoch keine neue MethodeMethode neben das oben beschriebene apriorische Erkennen. Denn auch das apriorische Erkennen eines in einer notwendigen Soseinseinheit gründenden Sachverhalts setzt die Erfahrung des Soseins ja voraus. Und in vielen Fällen handelt es sich bei den notwendigen Soseinseinheiten gerade um WerteWerte. Zu denken ist etwa an das notwendige SoseinSosein der GerechtigkeitGerechtigkeit, deren intrinsische BedeutsamkeitBedeutsamkeit unzweifelhaft ist. Ebenso unzweifelhaft ist, dass das philosophische Erkennen in dem Masse an Deutlichkeit gewinnt, als das Fühlen des Wertes vorhergeht. Denn auch das Fühlen des Wertes steht in einem gewissen Sinne ja für das Erfahren des Soseins. Oder anders formuliert: Das Sosein bestimmter Seiender kann so erfahren werden, dass der diesem Seienden inhärente Wert gefühlt wird. Auf die Eingangsfrage zurückkommend, können die Werte und mit ihnen auch bestimmte notwendige Soseinseinheiten auf der Basis des oben beschriebenen Affiziertwerdens also nicht nur erkannt, sondern von innen her umso besser verstanden werden.

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