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»Ich weiß nicht, ob ihr solche Fälle überhaupt übernehmt.« Paul Freiberger wandte seinen Blick von Doreen zu Norbert.

»Erzählen Sie uns erst einmal, um was es sich handelt und dann sehen wir weiter.«

»Gut. Es ist nicht ganz einfach. Ich vermute, dass in meinem Umfeld jemand lange Finger macht, kann es aber nicht beweisen.«

»In Ihrem Umfeld.« Norbert senkte die Stimme beim letzten Wort. So klang es nicht wie eine Frage, sondern wie eine Feststellung.

Vor Doreens Augen erschien die Gestalt einer 20-Jährigen blonden Schnepfe mit grell geschminktem Gesicht, die sich vor dem Badezimmerspiegel in Pauls Wohnung die Lippen nachzog, während er hinter ihr stand, den flachen Bauch der Tussi umfasste und sie an sich drückte.

»Ein Fremder kommt eigentlich kaum dafür in Frage.«

»Berichten Sie doch bitte zuerst der Reihe nach, was eigentlich passiert ist. Danach können Sie Ihre Vermutungen äußern.« Norbert klang unwirsch. Von einem Journalisten konnte man doch wohl erwarten, sich verständlich und geordnet auszudrücken.

»Sie haben recht. Ich bin ein bisschen zerstreut.« Paul Freiberger schaute kurz zu Doreen, hob die Augenbrauen und lächelte. »Aus meinem Keller sind verschiedene Sachen verschwunden. Das Schloss war unbeschädigt.«

»Was für Dinge waren das?«

»Ein Fernglas von Zeiss, eine betagte Spiegelreflexkamera, Fahrradersatzteile. Und ein paar Bücher.«

»Seit wann fehlen denn die Sachen?«

»Das weiß ich nicht genau. Ich gehe ja nicht jeden Tag da runter.«

»Also dann – wann haben Sie den Einbruch bemerkt?«

»Vor drei Wochen ungefähr. Kleinen Moment ...« Paul Freiberger beugte den Oberkörper zur Seite, um nach seiner auf dem Boden stehenden Tasche zu angeln und kam dabei Doreen gefährlich nahe. Er richtete sich wieder auf, begann in seinem Kalender zu blättern und hielt dann inne. »Hier. Gemerkt habe ich es am vierzehnten Oktober.«

Doreen schaute zum Wandkalender. Heute war der siebte November. »Hast du Anzeige erstattet?«

»Aber sicher doch. Da jedoch das Vorhängeschloss an meiner Kellertür unbeschädigt war, gibt es keine Beweise für einen Einbruch.« Paul zuckte entschuldigend die Schultern. Seine Augen leuchteten im Licht der Nachmittagssonne grün und Doreen spürte, wie das Feuerrad in ihrem Leib erwachte. Fahrig wandte sie den Blick ab, nur um sich in Norberts zornig wirkenden Murmelaugen wiederzufinden. Das war auch nicht besser. Schau einfach zwischen den beiden hindurch. Doreen bedauerte es, nichts zum Schreiben vor sich liegen zu haben.

»Hat die Polizei auf Ihre Anzeige hin etwas unternommen?«

»Nicht wirklich. Sie waren da, haben sich die Gegebenheiten angeschaut und dann das Verfahren eingestellt.«

»Ah ja. Das war zu erwarten. Zahlt bei Einbruch nicht die Hausratversicherung?«

»Wenn ein Einbruch nachweisbar ist, schon. In die verschlossene Wohnung zum Beispiel. Bei Kellerräumen sieht es da anders aus. Es ist auch kein existenzieller Verlust für mich.«

»Sie sind sich aber schon bewusst, dass Ihnen durch die Beauftragung einer Detektei weitere Kosten entstehen?« Der Typ hatte doch nicht ernsthaft daran geglaubt, dass das Detektivbüro Löwe umsonst für ihn arbeiten würde, bloß weil er mal mit Doreen zusammengewesen war? Im Kopf des Detektivs wälzten sich seine Kollegin und der ihm gegenübersitzende Mann stöhnend in den Laken. Mit einem unwilligen Schnaufen schüttelte Norbert das Bild in eine dunkle Ecke seines Bewusstseins. Es wollte ihm einfach nicht gelingen, Doreens ›Ex‹ als ganz normalen Klienten zu betrachten.

»Das weiß ich. Ich weiß auch, dass Sie die verschwundenen Dinge wahrscheinlich nicht wiederfinden werden. Es geht mir ums Prinzip.« Paul holte eine gelbe Mappe aus seiner Tasche.

»Ich habe alles, was ich an Unterlagen besitze, mitgebracht.« Der Hefter landete in der Mitte des Tisches.

»Eine Kopie der Anzeige auch?« Norbert griff nach den Dokumenten und nahm sich vor, in den nächsten Tagen bei Ebay nach den verschwundenen Sachen zu schauen. Falls sie den Fall übernehmen würden.

»Auch die Anzeige.«

Während Paul weiter aufzählte, was in der Mappe war und ihr Kollege dabei die entsprechenden Papiere durchsah, erhob Doreen sich und begann, den Tisch abzuräumen. Norbert sollte allein entscheiden, ob sie die Sache übernehmen würden oder nicht.

Paul und Norbert konnten äußerlich nicht unterschiedlicher sein. Groß, fast hager der eine, mit glatt rasiertem Gesicht und kantiger Nase; eher klein und untersetzt, mit fast weißem Bart der andere. Charakterlich waren sie sich wahrscheinlich ähnlicher, als es ihnen bewusst und lieb war.

Der Griesgram hatte indessen weitergeredet. »Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass es ein Hausbewohner war?«

»Die Außentür zu den Kellerräumen ist verschlossen. Auch ins Treppenhaus kommt man nur durch eine extra verschließbare Zwischentür.«

»Und diese Türen sind immer zu?«

»Meistens. Manchmal vergisst jemand abzuschließen.«

»Meistens, hm. Es könnte also doch jemand von außerhalb gewesen sein.«

»Aber wieso hat sich der Dieb gerade meinen Keller ausgesucht?«

»Gute Frage, Herr Freiberger.« Norbert griff nach einer Wasserflasche und schenkte sich ein. Sein Gegenüber ›vergaß‹ er dabei. »In Ihrer Wohnung war niemand?«

»Nicht, dass ich wüsste. Ich schließe immer ab, wenn ich gehe.«

Das muss nichts heißen, Mann. »Nun gut. Haben Sie denn irgendeine Vermutung, wer es gewesen sein könnte?«

»Vielleicht. Aber was, wenn ich mich irre?«

»Wir arbeiten diskret. Sollte derjenige es nicht gewesen sein, wird er nie von unseren Nachforschungen erfahren. Also können Sie mir ruhig sagen, wen Sie verdächtigen.«

»Vielleicht die Leute im zweiten Stock. Blasenhuber heißen sie. Unfreundliche Gesellen. Die Frau schaut drein, als ob sie misshandelt würde und der Mann sieht mit seinen langen Haaren und dem Fusselbart aus wie ein Späthippie.« Paul schaute schnell zu Norberts kurzgeschorenem Bart und griff dann nach dem Mineralwasser, um sich selbst einzugießen. »Abends ist er regelmäßig besoffen. Sie sind angeblich mit der Miete im Verzug, das erzählt man sich jedenfalls. Spricht das nicht dafür, dass sie knapp bei Kasse sind? Grüßen können sie auch nicht. Ihr großmäuliger Sohn hat übrigens ein Fahrrad. Ein Fernglas und eine Spiegelreflexkamera kann man weiterverkaufen, aber wer nimmt außerdem noch wertlose Fahrradersatzteile mit, wenn er sie nicht selbst benötigt?«

»Blasenhuber? Klingt nicht gerade sächsisch.« Norbert schrieb den Namen auf und dachte darüber nach, dass es sehr selten die ›Auffälligen‹ waren. Meist entpuppten sich am Ende die als Täter, von denen man es am wenigsten erwartet hatte, die Netten, Höflichen, Hilfsbereiten.

»Was wollen Sie tun, wenn wir herausfinden, wer es war?«

»Das weiß ich jetzt noch nicht genau. Mal sehn.« Paul Freiberger trank das halbe Glas in einem Zug leer. »Reden wir über die Kosten. Wie sind denn eure Stundensätze?«

Jetzt war er wieder zur jovialen Anrede übergegangen. Doreen versuchte, Norberts Gesichtsausdruck zu ergründen. Welchen Betrag würde er nennen? Es gab keine feste Gebührenordnung für Privatdetektive. Ihr Kollege entschied sich meist schon, wenn der Kunde die Detektei betrat, welche Summe er ihm nennen würde. Sah einer eher wie ein armes Schwein aus, machte Norbert es billiger. Von einem Hartz IV-Empfänger konnte man kaum fünfzig Euro die Stunde verlangen. Schon gar nicht in Zwickau. Sie befürchtete, dass Paul mehr als das Übliche würde bezahlen müssen.

»Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Normalerweise nehmen wir fünfunddreißig Euro die Stunde plus Mehrwertsteuer, Spesen und Fahrtkilometer extra.«

»Das ist in Ordnung. Vielleicht kann ich es von der Steuer absetzen.« Paul Freiberger grinste.

Schöne Zähne hatte der Typ auch noch. Ein Bild von einem Mann. Aus Norberts Bauch drang ein wütendes Kollern.

»Dann übernehmen Sie den Fall?« Der Schönling rutschte auf dem Stuhl nach vorn und zog die Augenbrauen hoch.

»Ich denke schon. Doreen?« Norbert wandte sich zur Seite und sah seine Kollegin zustimmend nicken. »Gut.« Sein Tonfall wurde geschäftlich und er versuchte, trotz der Bilder im Kopf ein förmliches Gesicht zu machen. Auf – gar – keinen – Fall würde er es sich entgehen lassen, im Haus dieses Mannes herumzuschnüffeln, mochte Doreen davon halten, was sie wollte. »Wir besichtigen zuerst die Örtlichkeiten und versuchen, Spuren zu sichern. Wann können wir zu Ihnen kommen?«

»Moment.« Paul Freiberger schlug seinen Filofax auf und Norbert versuchte, unauffällig hineinzuschielen, konnte aber nichts entziffern.

»Morgen Nachmittag, ab sechzehn Uhr?«

»Das müsste gehen. Warten Sie.«

Doreen reichte Norbert den Kalender.

»Morgen, Dienstag, achter November. Um sechzehn Uhr sind wir bei Ihnen.« Beide Männer trugen den Termin ein und erhoben sich dann gleichzeitig.

»Die Unterlagen lasse ich euch da. Bis morgen bei mir zu Hause. Doreen weiß ja, wo das ist.« Paul Freiberger grinste.

Rachegöttin

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