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Das Trommeln des Regens auf dem Autodach hatte sich während der zwei Stunden in ein feines Nieseln verwandelt. Menschenmassen entströmten dem hell erleuchteten Kinoeingang. Norberts Herz machte einen Hopser, als die beiden vertrauten Gestalten auftauchten, und pochte dann mit fiebrigen, unregelmäßigen Schlägen weiter.

»Doreen, Doreen, was machst du da?« Die Augen des Detektivs zogen sich bis auf einen schmalen Spalt zusammen. Das Bild der beiden Menschen wurde etwas schärfer. Die Frau schob ihren Arm unter den des Mannes. Im wiegenden Gleichschritt machten sich die beiden auf den Weg. Über ihren Köpfen tanzte der Schirm im gleichen Takt auf und ab. Die zwei gingen in Richtung Äußere Plauensche Straße davon. »Wohin wollt ihr, verflucht?« Das Surren des Motors überblendete die gemurmelten Worte. In Norberts Hals ätzte der Säureball. Hektisch purzelten die Gedanken übereinander. Die Äußere Plauensche Straße war eine Fußgängerzone. Da es hier jedoch keine Gaststätten gab, war anzunehmen, dass die beiden Turteltäubchen geradeaus weiter in die Stadt gehen würden.

Es gab also nur zwei Möglichkeiten: ihnen zu Fuß zu folgen, was die Gefahr mit sich brachte, bemerkt zu werden; oder auf Umwegen mit dem Auto hinterherzufahren, was bedeuten konnte, dass sie ihm entwischten.

Norbert presste die untere Zahnreihe in die Oberlippe. Der große, im Regen glitzernde Schirm hüpfte noch einmal auf und ab und verschwand dann links um die Ecke. Er drückte die Handbremse nach unten und trat auf das Gaspedal.

Forsch schlingerte der Kadett um die Ecke, beschleunigte, raste durch die Kreisigstraße und bog, ohne zu warten, auf den Ring ab. Dann verlangsamte sich seine Geschwindigkeit, um am Fußgängerüberweg vor dem Ringcafé kurz anzuhalten. Hastig wischte Norbert mit dem Ärmel über die Seitenscheibe und presste das Gesicht dicht ans Glas. In Höhe der Müller-Drogerie schwankte der braune Schirm. Hinter ihm hupte es ärgerlich und er hob, ohne sich umzudrehen, die rechte Hand und zeigte dem Ungeduldigen seinen Mittelfinger.

Im Weiterfahren sah Norbert, wie Doreen und Paul nach rechts in die Peter-Breuer-Straße abbogen, dann gab er Gas und preschte in Richtung Landgericht weiter.

Die Peter-Breuer-Straße war Zwickaus ›Kneipenstraße‹. Eine Gaststätte an der anderen. Es gab das riesige Brauhaus, die Grünhainer Kapelle, einen Sushi-Imbiss, seit Neuestem die sogenannte ›Sky-Lounge‹ und verschiedene andere Restaurants und Bars.

Die Ampel an der Gewandhausstraße zeigte Grün und Norbert bog in die Innenstadt ab. Im Schritttempo fuhr das Auto am wartenden Vogtland-Express vorbei und hielt mit eingeschalteter Warnblinkanlage in einer Parktasche vor dem Holiday Inn.

Im Handschuhfach war ein halb voller Beutel Sahnedrops. Während seine Finger ungeschickt an dem Papier nestelten, überdachte Norbert seine Aussichten, Paul und Doreen wiederzufinden.

Wenn er Doreens Vorlieben in puncto Essen bedachte, saßen sie wahrscheinlich beim Chinesen, aber er konnte schließlich nicht einfach dort aufkreuzen. Die Peter-Breuer-Straße entlangzuflanieren, kam auch nicht in Frage. Doreen kannte seinen Schirm, Doreen kannte seine Kleidung, seine Gestalt, seinen Gang. Ein zufälliger Blick nach draußen würde reichen.

Und was, wenn gerade ein dicker, alter Kerl versuchte, durch die Fenster des chinesischen Restaurants zu spähen, und das Pärchen säße in der Bar gegenüber beim Cocktail? Er würde vor Scham im Boden versinken. Es reichte schon, dass Norbert Löwe, ein gestandener Mann von fast fünfzig, wie ein eifersüchtiger Teenager hinter seiner Kollegin herschnüffelte.

Der Kadett rollte aus der Parklücke und fuhr in Richtung Domhof davon. Es war schier unmöglich, die zwei Turteltäubchen zu finden.

»Was machen wir jetzt?« Der Sahnedrops verstärkte den ätzenden Schmerz im Hals, anstatt ihn zu lindern. Norbert schluckte das letzte Stückchen im Ganzen hinunter. Ihm war kalt. Die Autoheizung wärmte nicht. Vorn, an der Kreuzung zur Inneren Plauenschen Straße, würde er wenden, nach Hause fahren, sich volllaufen lassen und den Strudel der Bilder im Kopf vergessen.

Das Gleiche hast du schon vor zweieinhalb Stunden gedacht.

Rachegöttin

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