Читать книгу Rachegöttin - Claudia Puhlfürst - Страница 15

12

Оглавление

Die Geschichte über den Tod auf den schmiedeeisernen Spießen des Eisenzauns, die den Sohn von Romy Schneider beim Überklettern durchbohrt hatten, überflog die Frau nur flüchtig. Interessanter Fall, nichts jedoch für Thanatos’ Schwester. Sie löste die Augen von dem Papier und betrachtete die gelborange Flüssigkeit in dem hohen Saftglas einen Moment lang nachdenklich, ehe sie einen Schluck trank. Die gedämpfte Bitterkeit des Grapefruitsaftes untermalte das samtene Glühen der Vorfreude in ihrem Innern.

»Eiserne Jungfrau –

Einer der gräßlichsten Folterapparate, den die Inquisition je hervorbrachte, trägt den schönen Namen ›eiserne Jungfrau‹ oder schmerzensreiche Gottesmutter‹ . [...]

Die in Frauenform gegossene hohe Gestalt aus Eisen, in die der Ketzerei oder sonstiger Vergehen Verdächtigte hineinsteigen mussten, war innen mit spitzen Dornen ausgekleidet, die dem Delinquenten langsam den Leib durchbohrten. Im 15. Jahrhundert hatte das Instrument dann die Form eines bis zur Erde reichenden Umhangs mit einem aufgesetzten Kopfteil, das ein Frauengesicht trug.«

Frauenform und Frauengesicht, soso. Die Folterknechte hatten den Verurteilten in das Innere der eisernen Jungfrau gestellt und dann langsam die Türen geschlossen. So durchbohrten die Dornen allmählich sämtliche Körperteile, töteten ihn jedoch nicht sofort. Der letzte Satz zu diesem Folterinstrument lautete:

»Und so verblieb er und machte ein grosses Geschrei und Wehklagen zwei Tage lang, bevor er starb.«

Es musste ungemein befriedigend gewesen sein, einen Übeltäter, gefangen in der eisernen Jungfrau, zu beobachten, sein Geschrei zu hören und sich dabei vorzustellen, wo sich die Dornen überall in das nachgiebige Fleisch bohrten. Leider, leider keine brauchbare Methode für Frau Pfanns. Es scheiterte nicht nur daran, dass ihr eine ›in Frauenform gegossene Gestalt aus Eisen‹ fehlte. Es würde auch schwierig sein, einen sicheren Ort zu finden, an dem der Delinquent zwei Tage lang ›wehklagen‹ konnte, ohne dass es jemandem auffiel.

Christine Pfanns schaute ins Leere und rieb mit dem gekrümmten Zeigefinger über die Nasenspitze. Um das Problem der zuverlässigen Unterkunft würde sie sich bald Gedanken machen müssen. Auch die Strafe für ›TP‹ verlangte nach solch einem Raum.

Leise summte der Lüfter des Computers neben dem Schreibtisch. Vor dem inneren Auge der Frau tanzten archaische Apparate einen Reigen. Hier in Westsachsen gab es einige mittelalterliche Burgen. Auch in den verschiedenen Heimatmuseen wurden zahlreiche Folterinstrumente ausgestellt. Würde es auffallen, wenn ein Besucher ein paar kleinere Teile mitnahm? Die meisten Museen hatten unzureichende oder gar keine Sicherheitsvorkehrungen.

Die Frau griff nach den gelben Zetteln und zog den kleinen Notizblock mitsamt dem Kugelschreiber heran. Wenn sie schon nichts aus den Ausstellungen mitnehmen konnte, so würde es doch auf jeden Fall Nemesis’ Phantasie anregen, diese Instrumente nur zu betrachten. Sie setzte einen zweiten Anstrich unter ›Baumarkt/Pflanzenschutzmittel‹ und schrieb bedächtig das Wort ›Museen‹. Dann fügte sie noch: ›sicherer Ort‹ hinzu. Das reichte als Gedächtnisstütze. Vielleicht konnte man einige der dort ausgestellten Geräte mit einfachen Mitteln nachbauen. Es musste ja nicht gleich die eiserne Jungfrau sein.

»Eiserner Käfig –

[...] Sie hingen an den Außenseiten der Rathäuser, Fürstenpaläste, Gerichtsgebäude und Kirchen oder baumelten an hohen eisernen Galgen [...]

In solche Käfige sperrte man die Delinquenten nackt. Die Opfer starben an Hunger und Durst; im Winter an Unterkühlung, im Sommer an Hitzschlag oder an Verbrennungen durch die Sonne. Die verfaulenden Leichen wurden gewöhnlich in den Käfigen belassen, bis die Gebeine zerfielen. [...]«

Das musste doch ein übler Gestank gewesen sein. Christine Pfanns schüttelte leicht den Kopf und las weiter.

»Eiserner Stiefel –

Eine Foltermethode für Füße und Unterschenkel vom gleichen Prinzip wie die eiserne Jungfrau, nur dass hier zusätzlich noch flüssiges Blei hineingegossen wurde. Hörte sich teuflisch gut an, war jedoch lediglich von theoretischem Interesse. Auch ›Elefantentritt‹ war eine hübsche Art, zu Tode zu kommen. Bedauerlicherweise nicht für die von Christine Pfanns Verurteilten. Die nächste Methode schien schon eher realisierbar, auch wenn man sie sicher abwandeln musste.

»Elektrischer Stuhl –

[...] Die meisten Verurteilten wissen genau, welche Schrecklichkeiten sie erwarten: Man wird ihnen die Haare und die Augenbrauen abrasieren, damit sie auf dem elektrischen Stuhl nicht Feuer fangen. [...]«

Dass Haare am Kopf durch den Strom Feuer fingen, schien unglaublich zu sein. Aber ihre Freundin Katja Doubek hatte sicher gründlich recherchiert. Es klang jedenfalls realistisch. Die Frau nagte kurz an ihrem rechten Daumennagel und richtete den Blick wieder auf die Mitte der Seite.

»Das Todesteam wird ihnen eine schwarze Haube über den Kopf ziehen, damit die Zeugen nicht sehen können, wie der Blitz aus der Steckdose – 2 000 Volt stark – ihr Gesicht zu einer Fratze entstellt, wird ihnen Baumwolle ins Rektum stecken und Windeln anlegen, weil die elektrische Entladung die Entleerung der Blase und der Gedärme bewirkt. [...]«

Wieder blickte Christine Pfanns auf. Das klang ja verheißungsvoll. Jetzt wusste sie endlich, warum die Verbrecher vor der Hinrichtung eine Art Zipfelmütze aufgesetzt bekamen. Es diente dazu, die anwesenden Zeugen nicht zu sehr zu schockieren. Womöglich änderten diese ihre Meinung und fänden die Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl nicht mehr angemessen. Schade, dass Deutschland die Todesstrafe abgeschafft hatte. Nemesis konnte sich gut vorstellen, wie eines ihrer Schäfchen auf einem selbst gebastelten elektrischen Stuhl – das Gesicht zu einer Fratze entstellt – vor sich hin brutzelte. Ein Problem schienen die 2 000 Volt zu sein. Flossen aus einer normalen Steckdose nicht lediglich 220 Volt?

»[...] Wirklich gruselig wird es, wenn man sich vor Augen führt, was bei dieser Hinrichtungsmethode alles an Mißgeschicken geschehen kann:

Amerikas stümperhafteste Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl war auch eine der ersten. Als der erste Stromstoß durch seinen Körper fuhr, zuckten seine Beine und rissen den Stuhl mit den Fußfesseln auseinander. Der Strom wurde abgeschaltet und man versuchte, den Stuhl notdürftig zu reparieren. Als der Schalter wieder umgelegt wurde, floß keine Elektrizität, weil der Generator durchgebrannt war. Als es endlich wieder Strom gab, war Taylor bereits tot. [...]«

Man konnte viel falsch machen, wenn man nicht richtig plante. Es war eine wunderbare Idee, aus einem Stuhl mit metallenen Armlehnen und Beinen einen Hinrichtungssitz zu bauen und diesen unter Strom zu setzen, aber damit fingen anscheinend die Schwierigkeiten erst an.

»[...] Ein anderer Delinquent überlebte 1932 ebenfalls die Stromstöße, ließ sich jedoch nichts anmerken und erschreckte die Bestatter beinahe zu Tode, als er auf dem Weg zum Friedhof aus seinem Sarg sprang und versuchte, zu fliehen. [...]«

»Also, das lassen wir dann mal lieber.« Gleichzeitig mit diesen Worten sackte Christine Pfanns in sich zusammen, nur um sich gleich darauf wieder aufzurichten. »Lesen wir auch den Rest mit ›E‹.«

»Erdbeben [...]«

Uninteressant.

»Erkältung [...]«

Dauerte zu lange.

»Erschöpfung [...]«

Hastig glitten die Augen der Frau über die Beispiele. Nicht schlecht, aber ungeeignet.

»Ersticken [...]«

Die Hand hielt über der Seite inne. Ersticken kam in die engere Wahl. Atemnot war qualvoll. Ein Erstickungstod schien leicht herbeizuführen. Die Frau schrieb das Wort in ihre Racheliste und blätterte dann zur nächsten Seite.

»Exhumierung [...]«

Es war amüsant zu lesen, was mit den bereits beerdigten Leichen von Yves Montand und Johann Wolf gang von Goethe geschehen war, oder dass Goyas Kopf fehlte, als man sein Grab 60 Jahre nach der Beerdigung zur Überführung der Gebeine in die Heimat öffnete. Zwei Ganoven hatten Charlie Chaplin ausgebuddelt und Lösegeld für den Leichnam gefordert. Christine Pfanns schüttelte, ohne es zu bemerken, den Kopf. Die letzte bei ›E‹ aufgeführte Todesart war ›Explosion‹. Auch dies war für einen Laien nicht ohne erheblichen Aufwand zu realisieren. Hinzu kam, dass Nemesis die Verurteilten leiden sehen wollte. Es war vielleicht für den Delinquenten schön, wenn es einen mächtigen Knall gab und er dahingerafft wurde, aber für die Rachegöttin war es weitaus befriedigender, wenn es ein bisschen dauerte.

Christine Pfanns klappte die Rachebibel mit einem hörbaren Geräusch zu, verstaute sie im Schreibtischkasten und schloss diesen ab. Den kleinen gelben Zettel klebte sie an die Klappe des Portemonnaies. Es wurde Zeit, den Gedanken Taten folgen zu lassen. Als Erste würde Gerlind Erbstedt in den nächsten Tagen ein paar hübsche kleine Überraschungen erleben. Parallel dazu konnte sie sich einen weiteren Verurteilten vornehmen.

Rachegöttin

Подняться наверх