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Kapitel 13
ОглавлениеNach Dienstschluss erschien Kommissar Gerlach noch einmal bei der Staatsanwaltschaft, um Franziska über den neuesten Stand der Ermittlungen zu informieren.
„Mittlerweile habe ich auch eine Aufstellung über Gemeinsamkeiten der Opfer gemacht“, berichtete Pit. „Alle vier waren zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Jahre alt. Außerdem waren sie ausgesprochen hübsch und hatten langes blondes Haar. Keines von ihnen hat in einer festen Beziehung gelebt. Dadurch waren sie vermutlich für eine neue Bekanntschaft offen.“
„Demnach kann man davon ausgehen, dass der Täter über Eigenschaften verfügt, die Frauen ansprechen“, überlegte Franziska. „Wahrscheinlich sieht er gut aus, oder er versteht es, charmant zu plaudern, Komplimente zu machen. Womöglich sucht er auch Situationen, in denen er durch Hilfsbereitschaft Kontakt zu seinen späteren Opfern aufnimmt.“
„Ausschließen können wir aber auch nicht, dass die Kontaktaufnahme über die berufliche Tätigkeit der Opfer läuft“, gab Pit zu bedenken. „Eines der Opfer hat neben dem Studium an einer Tankstelle gearbeitet. Die Medizinstudentin hat nebenbei in einem Bistro gejobbt.“
„Und das dritte Opfer in einer Weinhandlung“, fügte Franziska hinzu. „Wie passt aber die arbeitslose Polin in dieses Bild?“
„Bis vor zwei Monaten war sie Verkäuferin in einer Buchhandlung. Von ihrer Mitbewohnerin Mona wissen wir, dass Nadja durch Personaleinsparungen ihren Job verloren hat.“
„Also könnte er seine bisherigen Opfer tatsächlich in ihrem beruflichen Umfeld kennengelernt haben. De facto bringt uns das aber nicht wirklich weiter, da es in allen vier Betrieben unzählige Kunden gibt. Es ist zwar nicht sehr wahrscheinlich, dass sich in jedem davon Kollegen an denselben Mann erinnern, trotzdem sollten wir unbedingt in diese Richtung ermitteln. Vielleicht haben wir zur Abwechslung mal Glück und bekommen wenigstens eine Beschreibung.“
„Ich habe schon alles Nötige veranlasst. Sollte sich auch nur einer an jemanden erinnern, der besonderes Interesse an einem der Opfer gezeigt hat, reicht die Beschreibung vielleicht für ein Phantombild. Würde das veröffentlicht, gäbe es bestimmt zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung. Sollte nur einer davon eine heiße Spur bedeuten ...“
„So optimistisch bin ich im Augenblick noch nicht.“ Leicht hob sie die Brauen. „Hat sich durch die Befragung von Nadjas Mitbewohnerin irgendein Anhaltspunkt ergeben? Wie gut waren die beiden befreundet? Haben sie sich alles anvertraut?“
„Du meinst, Nadja hätte ihr erzählt, dass sie einen neuen Verehrer hat“, schloss er aus ihren Worten. „Leider Fehlanzeige. Nadja hat ihr auch verschwiegen, dass sie sich gelegentlich prostituiert hat. Das fand Mona nur zufällig raus.“
„Es ist doch nicht möglich, dass sämtliche Ermittlungen in einer Sackgasse enden. Uns bleiben nur noch drei Wochen! Dann schlägt der Orchideenmörder wieder zu! Und was haben wir? Nichts! Die Öffentlichkeit erwartet, dass wir ihr zumindest einen Tatverdächtigen präsentieren!“
„Wenn uns wenigstens diese Buchstaben weiterbrächten. Aber die einzigen sinnvollen Worte, die sie bislang ergeben sind: SEIN, EINS oder der Name INES. Wir recherchieren im Moment deutschlandweit, ob es in den letzten Jahren ein Mordopfer mit diesem Namen gab. Bisher leider ohne Ergebnis.“
„Ich fürchte, der Orchideenmörder ist zu clever, einfach den Vornamen von jemandem als Botschaft zu benutzen. Zwar ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass er sich durch seine Morde für den Tod von jemandem rächen will, aber das endgültige Wort ist vermutlich viel bedeutender – und länger. Immerhin hat er uns mit jedem Opfer seine Überlegenheit demonstriert. Ich wette, diese Holzbuchstaben sind sehr intelligent gewählt.“
„Wahrscheinlich hast du recht“, stimmte der Kommissar ihr zu. „Lass uns für heute Schluss machen, Franziska. Wollen wir noch irgendwo was essen gehen?“
„Heute nicht“, lehnte sie ab. „Ich möchte lieber nach Hause.“
Der erwartungsvolle Ausdruck in seinen Augen verwandelte sich in Enttäuschung.
„Schade. Wir haben immer so wenig Zeit für uns. Ich möchte viel öfter mit dir allein sein. Manchmal habe ich das Gefühl, dass du das mit uns nicht ganz ernst nimmst.“
„Mich wundert, weshalb einer unserer fähigsten Ermittler nicht an das Nächstliegende denkt, wenn ich sage, dass ich lieber nach Hause möchte. Er ist doch sonst so scharfsinnig.“
„Besteht wirklich die Aussicht, dass Staatsanwaltschaft und Polizei heute noch einige Überstunden in privatem Rahmen vor sich haben?“
„Da unser Fall noch lange nicht abgeschlossen ist, bleibt uns wohl nichts anderes übrig“, meinte Franziska und griff nach ihrer Tasche.
Zusammen fuhren sie in Hannovers Stadtteil List. Dort besaß Franziska eine Eigentumswohnung im obersten Stockwerk eines Hauses nahe der Eilenriede. Von der Dachterrasse konnte man weit über den Stadtwald sehen.
„Jetzt sollten wir erst mal den Kühlschrank plündern“, sagte Franziska in der Diele. „Ich habe den ganzen Tag noch nichts Vernünftiges gegessen.“
„Wieso hast du meine Einladung zum Abendessen dann abgelehnt?“
„Was könnte wohl der Grund dafür sein?“, fragte sie auf dem Weg in die Küche. „Vielleicht findet unser Super-Ermittler auch das noch raus!?“
„Einen Anfangsverdacht hat er bereits“, sagte Pit und folgte ihr. „Sollte er sich erhärten, könnte die Spurensuche die ganze Nacht dauern.“
„Als pflichtbewusste Staatsanwältin muss ich das wohl in Kauf nehmen“, sagte sie, hauchte einen schnellen Kuss auf seinen Mund und öffnete den Kühlschrank.