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Kapitel 18

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Bald nach der Rückkehr in ihr Häuschen am Deister verabschiedete sich Antonia mit der Sporttasche über der Schulter von Leo.

„Dann fahre ich jetzt.“

„Muss das sein?“, fragte er wenig begeistert. Viel lieber hätte er auch noch den Abend mit ihr verbracht. „Soll ich uns nicht was Leckeres kochen?“

„Ich habe es meinen Mädels versprochen“, erinnerte sie ihn. „Mach es mir nicht so schwer, Leo.“

„Einen Versuch war es wert“, meinte er mit schiefem Grinsen und scheuchte sie zur Tür. „Ich muss mich sowieso wieder daran gewöhnen, dass ich dich nun nicht mehr rund um die Uhr für mich allein habe. Das wird verdammt hart.“

Sacht strich Antonia ihm über die Wange.

„Mein armes Sensibelchen.“

„Du nimmst mich nicht ernst“, monierte Leo. „Wie soll das erst werden, wenn wir verheiratet sind?“

„Darüber kannst du den ganzen Abend in Ruhe nachdenken“, riet sie ihm schelmisch und verließ das Haus.

Während des Trainings im Fitnesscenter hatten die Freundinnen wenig Gelegenheit, Antonia über ihren Kurzurlaub auszufragen. Kaum saßen sie später in fröhlicher Runde beisammen, warteten sie jedoch gespannt auf ihren Bericht.

„Nun erzähl schon“, forderte Elke sie ungeduldig auf. „Wie war es? Immer eitel Sonnenschein oder habt ihr euch schon nach kurzer Zeit gefetzt?“

„Es war von der ersten bis zur letzten Minute wundervoll“, strahlte Antonia. „Obwohl ich erst etwas skeptisch war, als ich in das Flugzeug steigen sollte.“

„Ihr seid nach Usedom geflogen?“

„Mir wurde auch erst am Flughafen klar, was Leo vorhatte. Dort ist mir gar nichts anderes übriggeblieben, als in diese kleine Maschine zu steigen.“

„Sag bloß, Leo hat ein Flugzeug gechartert?“, fragte Franziska verblüfft. „Kann sich ein Gärtner so was überhaupt leisten? Das kostet doch ein Vermögen.“

„Der Flieger gehört seinem Freund“, erklärte ihre Schwester. „Aber auch Leo besitzt einen Pilotenschein. Ihr hättet sehen sollen, wie professionell er diesen kleinen Vogel durch die Lüfte steuerte. Das war schon ein tolles Erlebnis.“

„Bestimmt nicht dein einziges“, vermutete Elke mit vielsagendem Lächeln. „Was habt ihr denn sonst noch getrieben?“

„Was willst du hören? Dass wir jede Nacht übereinander hergefallen sind?“

„Das setze ich bei diesem Wahnsinnsmann mal voraus“, lautete die trockene Antwort. „Aber vielleicht wurde dir das ein bisschen viel, Toni!? Immerhin wolltest du auf der Insel endlich mal ausspannen.“

„Trotz vieler Aktivitäten habe ich mich wunderbar erholt.“

„Das sieht man dir an. Sogar Farbe hast du bekommen. Anscheinend seid ihr viel an der frischen Seeluft gewesen.“

„Wir waren jeden Tag unterwegs – meistens mit dem Fahrrad zu den schönsten Plätzen der Insel. Leo weiß eine Menge über Usedoms Geschichte. Einem so vielseitig interessierten Mann begegnet man nicht oft. Ich kann wirklich über alles mit ihm reden.“

Liebevoll legte Franziska den Arm um die Schultern ihrer Schwester.

„Kann es sein, dass ich in der Ferne schon die Glocken läuten höre?“

„Gut möglich“, sagte sie sehr ernst. „Ginge es nur nach Leo, wären wir schon bald verheiratet. Aber ich möchte das nicht überstürzen.“

„Zweifelst du womöglich an seinen Gefühlen?“

„Nein, Elke, ich weiß, dass Leo mich liebt.“

„Und du?“, fragte Franziska behutsam. „Bist du noch nicht sicher, ob du das gleiche für ihn empfindest?“

„In meinem ganzen Leben war ich mir noch nie so sicher. Das erschreckt mich aber auch ein wenig. Es passt alles so perfekt zwischen uns. Ich habe Angst, dass so viel Glück nicht von Dauer sein könnte.“

„Du musst daran glauben, dass diesmal nichts dazwischenkommt“, riet Franziska ihr. „Wenn du Leo liebst, dann halte ihn fest, Toni. Gib ihm eine Chance.“ Verschwörerisch zwinkerte sie ihr zu. „Einen Gärtner habe ich mir schon immer als Schwager gewünscht.“

„Ich wäre schon mit einem Bullen als Schwager zufrieden“, gab Antonia den Ball zurück. „Wie läuft es denn mit dir und deinem Sherlock Holmes? Mögt ihr euch immer noch oder habt ihr schon genug voneinander?“

„Wir sind beinah Tag und Nacht zusammen und müssen dafür nicht mal in den Urlaub fahren. Das bezahlt alles Vater Staat.“

„Von unseren Steuern“, fügte Elke hinzu. „So was sollte verboten werden.“

„Was du nicht sagst“, kommentierte Franziska mit fast überzeugend vorwurfsvollem Blick. „Wer hat denn kürzlich behauptet, dass bei einer Verbindung zwischen Staatsanwältin und Kommissar lebenslänglich rauskommt? Oder war das nur ein Spruch, damit du bei einem nicht unattraktiven Gärtner freie Bahn hast?“ Triumphierend schüttelte sie den Kopf. „Dumm gelaufen, meine Liebe. Der Gärtner war schon vergeben, bevor du deine Verführungskünste an ihm testen konntest. Und auch der fesche Bulle ist nicht mehr zu haben. Deshalb musst du wohl oder übel weitersuchen.“

Auf dem Parkplatz des Fitnesscenters trennten sich die Freundinnen bald voneinander.

„Hast du in den letzten Tagen eigentlich was von Mam gehört?“, fragte Antonia, als Elke bereits abgefahren war.

„Nachdem ich sie über ihr Handy nicht erreichen konnte, habe ich ihr gestern eine SMS geschickt“, erwiderte Franziska und blieb neben ihrem Wagen stehen. „Abends kam dann die Antwort. Stell dir vor, unsere eiserne Lady hat einen sehr netten Mann kennengelernt. Trotzdem kommt sie spätestens in zwei Wochen zurück.“

„Allein? Oder bringt sie ihn etwa mit?“

„Keine Ahnung. Aber du kennst doch Mam. Sie würde sich nicht Hals über Kopf in eine Affäre stürzen.“

„Das würde ihr aber vielleicht gut tun. Sie hat lange genug um Paps getrauert. Sie verdient ein zweites Glück.“

„Mit einer Urlaubsbekanntschaft? Erfahrungsgemäß ist so was nicht von Dauer.“ Fragend hob sie die Brauen. „Arbeitest du morgen wieder?“

„Gezwungenermaßen.“

„Kannst du dir den Autopsiebericht des letzten Opfers des

Orchideenmörders mal ansehen, Toni? Vielleicht hat dein Kollege doch was übersehen.“

„Das glaube ich zwar nicht, aber da ich die anderen Opfer obduziert habe, bleibe ich natürlich am Ball.“

„Gut“, nickte Franziska. „Dann musst du noch was erfahren: Bei der letzten Leiche wurde ein fremdes Haar gefunden.“

„Was?“, entfuhr es Antonia erstaunt-vorwurfsvoll. „Wieso sagst du mir das erst jetzt?“

„Am Telefon wollte ich nicht darüber sprechen, Toni. Man kann ja nie wissen ...“

„Verstehe. – Hat die Analyse was ergeben?“

„Mit hoher Wahrscheinlichkeit stammt das Haar vom Täter. Bei der Untersuchung der chemischen Zusammensetzung wurde eine Quecksilberkonzentration nachgewiesen.“

„Dann hat der Täter vermutlich Amalgamfüllungen in den Zähnen“, schloss Antonia daraus. „Das darin enthaltene Quecksilber setzt sich in den Haaren ab.“

„Das hat Dr. Reinhardt auch gesagt.“

„Das will ich doch hoffen. Immerhin ging er durch meine Schule.“

„Trotzdem bist und bleibst du die Beste deiner Zunft“, war Franziska überzeugt. Sie hob abwehrend die Hände, als Antonia etwas einwenden wollte. „Sei nicht immer so bescheiden, Toni. - Und nun sieh zu, dass du zu deinem Gärtner kommst. Leo wartet bestimmt schon sehnsüchtig auf dich.“

„So wie Pit auf dich?“, erwiderte sie und küsste sie zum Abschied auf die Wange. „Grüß ihn von mir.“

„Dito“, erwiderte Franziska und drückte sie kurz an sich. „Komm gut nach Hause.“

„Gute Nacht, Franzi.“

Antonia war ein wenig enttäuscht, dass das Haus bei ihrer Rückkehr in tiefer Dunkelheit lag. Anscheinend war Leo gegangen, weil sie es vorgezogen hatte, den Abend mit ihren Freundinnen zu verbringen. Dennoch hatte sie gehofft, er würde auf sie warten. Nun musste sie eben allein schlafen.

„Selbst schuld ...“, murmelte sie und ging mit ihrer Sporttasche über der Schulter hinein. Schon in der Diele stellte Antonia fest, dass Quincy nicht in seinem Körbchen lag. Wahrscheinlich hatte Leo ihn mitgenommen, damit sie an ihrem ersten Arbeitstag länger schlafen könne. Wieder einmal wurde ihr bewusst, wie rücksichtsvoll Leo immer war. Bestimmt waren die letzten Stunden ihres gemeinsamen Urlaubs nicht gerade nach seiner Vorstellung verlaufen: Er musste auf ihren Hund aufpassen, während sie sich mit ihren Mädels traf! Insgeheim schalt sie sich als völlig unsensibel. Wieso hatte sie das Training nicht abgesagt und den Abend mit Leo verbracht?

Verärgert über sich selbst stieg sie die Treppe hinauf und öffnete ahnungslos die Tür zu ihrem Schlafzimmer. Beim Anblick der vielen brennenden Kerzen, die den Raum in romantisches Licht tauchten, stiegen ihr Tränen der Rührung in die Augen. Überwältigt trat sie näher und entdeckte eine große Muschel auf dem Nachtkästchen. Aus dem Gehäuse zog sie eine zusammengerollte Botschaft:

Danke für die unvergesslichen Urlaubstage. In Liebe Leo.

„Ach, Leo ...“, seufzte Antonia und hob die Muschel ans Ohr. Sie hörte das Rauschen des Meeres, vernahm aber noch ein anderes Geräusch von der Tür her, so dass sie in diese Richtung schaute.

Leo lehnte lächelnd am Türrahmen und betrachtete sie liebevoll.

Prompt meldete sich ihr Gewissen.

„Es tut mir so leid, Leo. Ich hätte meinen Freundinnen absagen sollen.“

„Nein“, widersprach er und schloss sie in seine Arme. „Versprechen muss man einhalten. Außerdem hätte ich sonst gar keine Zeit gehabt, unsere letzte Urlaubsnacht vorzubereiten.“

„Das verdiene ich gar nicht.“

„Das zu beurteilen, kannst du getrost mir überlassen“, sagte er, bevor er sie leicht auf die Stirn küsste. „Warum machst du es dir nicht schon bequem? Ich bin gleich wieder da.“

„Verrätst du mir vorher, wo Quincy ist?“

„Wir hatten uns in deinem Arbeitszimmer versteckt. Inzwischen liegt er friedlich schlummernd in seinem Körbchen.“

Verstehend nickte sie. Es hätte sie auch gewundert, wäre nicht auch ihr Hund von Leo bestens versorgt worden. So schlüpfte sie aus ihren Kleidern und dann unter die Decke.

Wenig später kam auch Leo wieder herein. Seine Aufmachung löste ein herzhaftes Lachen bei Antonia aus. Nicht das Tablett in seinen Händen war der Grund , sondern die Tatsache, dass er nichts als Antonias weiße Rüschenschürze am Körper trug.

Ungeachtet ihrer Heiterkeit, blieb er mit ernster Miene vor dem Bett stehen und setzte das Tablett auf dem Nachtkästchen ab.

„Dreh dich doch bitte mal um“, sagte Antonia immer noch lachend, worauf er sich ganz langsam umwandte. „Du siehst sehr reizvoll aus“, meinte sie, als sie die sorgsam gebundene Schleife über seinem wohlgeformten Po erblickte. „Das Hausfrauen - Journal würde dich sofort als Modell engagieren.“

„Das hat man nun von seiner Gutmütigkeit. Ich bin um dein leibliches Wohl besorgt – und du lachst mich aus.“

„Ich lache doch gar nicht“, behauptete sie, um einen ernsten Ton bemüht. Es gelang ihr jedoch nicht, das vergnügte Funkeln in ihren Augen zu unterdrücken. „Allerdings frage ich mich, welche der Köstlichkeiten appetitanregender ist.“

„Vielleicht sollten wir mit etwas Prickelndem beginnen“, schlug er vor und zog eine Flasche aus dem Eiskübel.

„Champagner? Du sollst dich doch meinetwegen nicht in solche Unkosten stürzen, Leo!“

„Die Flasche stammt aus dem Weinkeller meines Freundes“, beruhigte er sie. „Dafür entschädige ich ihn mit einem guten Tropfen vom Weingut meines Vaters.“

„Eigentlich müssen wir deinem Freund dankbar sein“, sagte sie nachdenklich. „Hätte er dir nicht diesen Job angeboten, wären wir uns wohl nie begegnet. Auch die wundervollen Tage auf Usedom verdanken wir im Grunde seiner Großzügigkeit. Wenn er das nächste Mal nach Hause kommt, möchte ich ihn unbedingt kennenlernen.“

Ihr entgingen die Zweifel in Leos Blick, als er ihr ein gefülltes Glas reichte.

„Wenn ich euch miteinander bekannt mache, riskiere ich vielleicht, dass er dir besser gefällt. Ein Mann, der dir jeden Wunsch von den Augen abliest, der dir die Welt zu Füßen legen kann ...“

„Ich brauche keine goldene Kreditkarte.“

„Er hat eine Platin - Card.“

„Noch schlimmer“, antwortete sie spöttisch. „Reiche Männer haben mich noch nie interessiert. Was ist denn das für ein Leben, wenn man keine Wünsche und Träume mehr hat, weil sie umgehend erfüllt werden? Ich freue mich über kleine Dinge oder über etwas, für das ich sparen muss, um es mir leisten zu können. Dadurch weiß ich es umso mehr zu schätzen.“

„Jede andere Frau wäre glücklich, hätte sie einen Mann, der ...“

„Mit Sicherheit nicht“, fiel sie ihm abermals ins Wort. „Hatte dein millionenschwerer Arbeitgeber schon mal eine Freundin, die ihn überallhin begleitet hat?“

„Nein.“

„Soll ich dir den Grund dafür verraten? Abgesehen von wenigen Ausnahmen möchte eine Frau nicht ständig aus dem Koffer leben. Sie wünscht sich ein gemütliches Zuhause. – Und einen Mann, der abends nach der Arbeit zu ihr heim kommt, anstatt von einem Ende der Welt zum anderen zu hetzen. Kein noch so großes Vermögen kann Nähe und Geborgenheit ersetzen.“ Leicht ließ sie ihr Glas an seinem klingen. „Fest steht jedenfalls: Wärst du ein reicher Mann, wären wir heute hundertprozentig nicht zusammen.“

Er ließ sich nicht anmerken, was er dachte oder empfand. Sattdessen flüchtete er sich in einen Scherz.

„Sag bloß, dann hätte dich mein unwiderstehlicher Charme völlig kalt gelassen?“

„Eiskalt“, bestätigte sie. „Da du aber keine Reichtümer besitzt, darfst du jetzt zu mir ins Bett kommen. – Und bring die Erdbeeren mit“, fügte sie mit einem Blick auf das Tablett hinzu. „Ich hatte heute kein Abendessen.“

„Allmählich glaube ich, dass du mich hier nur duldest, weil ich immer was Leckeres parat habe“, meinte Leo und legte die Schürze ab.

„Du hast mich durchschaut“, bekannte sie, wobei sie schuldbewusst den Blick senkte. Aber nur, um schelmisch unter ihren dichten Wimpern hervorzublinzeln. „Mein Appetit ist grenzenlos. Ich werde dich wohl zum Dessert vernaschen müssen.“

„Du mich?“, lachte er, kniete sich auf die Matratze und hielt Antonia eine Erdbeere in Mundhöhe. „Du kennst meine Pläne noch nicht.“

Mondlicht auf kalter Haut

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