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In Verfolgung der französischen Ostarmee
ОглавлениеSüdlich Saarburg liegen die Straßen voll, als sei Messe im Ort und als hätten die Kaufmannswagen auf dem Wege dorthin die Hälfte ihrer Waren verloren. Bunt lag es da durcheinander: Tornister, Mäntel, Feldflaschen, Schanzzeug, Gewehre und Bajonette. Unsere Leute vervollständigen ihre ein wenig mitgenommene Equipierung. Wie liebenswürdig von den Franzosen, so für uns zu sorgen! Doch auch Tote gab’s, liegengebliebene Verwundete und aufgedunsene Pferdekadaver.
Die breite Chaussee nach Süden war teilweise unfahrbar durch das Feuer unserer schweren Artillerie. Tiefe Löcher hatte sie in den festgestampften Straßengrund gerissen. Sie muss bös gehaust haben unter den abziehenden Franzosen. Wir fanden Briefe und Tagebücher.
Staunender Schreck verriet sich darin über unsere Mörser und Haubitzen: „Die Deutschen haben eine erschreckende Übermacht an Artillerie. Es ist wahrhaftig wahr, dass ein einziger Schuss zweiundvierzig der Unseren zerschmetterte.“ — So stand’s in einem.
Das musste gestern geschrieben worden sein. Verlor der Schreiber nur sein Büchlein, oder musste er heute am eigenen Leibe die Wirkung deutscher Geschosse erleiden?
Am Nachmittag erwischten wir noch südlich des Rhein— Marne-Kanals eine abziehende Kolonne. Es war das reine Scheibenschießen. Wie die Karnickel liefen die Aufgescheuchten dem schützenden Waldrand zu, als die ersten Schrapnells über ihnen platzten. Allein unbarmherzig sauste Schuss auf Schuss unter die Wehrlosen. Es war eigentlich ein jammervoller Anblick, doch in keinem Herzen regte sich Mitleid, nur Freude und Genugtuung.
Am folgenden Tag hatte die französische Heeresleitung ihre Truppen augenscheinlich wieder in der Hand. Starke Nachhutartillerie, darunter auch schwere Batterien, hielten unseren Vormarsch auf und machten uns ziemlich zu schaffen.
Am nächsten Tag ging es durch das schon einmal genommene Blamont. Und wieder mussten wir aufmarschieren und den Gegner, der sich uns heute mit noch stärkeren Kräften entgegenstellte, zurückdrängen. Die französische Artillerie versteht sich ausgezeichnet auf Geländedeckung. In diesem unübersichtlichen Waldgelände fährt sie versteckt auf Lichtungen und Waldblößen auf, und kein Scherenfernrohr, keine Patrouille kann sie entdecken.
Es war ein ungleicher Kampf. Mit unseren Feldgeschützen konnten wir an die weittragenden französischen Zehn-Zentimeter-Kanonen nicht heran, und unsere Haubitzen waren noch nicht in Stellung.
Hinter dem Wald stand die erste Abteilung unseres Regiments. Wir lagen davor und suchten verzweifelt nach den gegnerischen Batterien. Da kracht es über unseren Köpfen. Starke Äste brachen herunter. Die Franzosen haben uns gesehen oder sie streuen, wie gewöhnlich, die Waldränder ab.
Wir decken uns hinter der niederen Bodenwelle. Schauerlich klingt das Brechen und Krachen im Wald.
Die zweite Abteilung ist im Vorfahren. Wenn sie nicht Gegenbefehl erhält, fährt sie gerade in das feindliche Feuer. Ein Ordonnanzoffizier muss zurück. Es ist ein unsympathischer Weg.
Bis an den hinteren Waldrand, wo unsere Pferde stehen, streuen die Franzosen. Einen Gaul hat es erwischt. Es ist ein starker Rappe. Zu dem schwarzen Fell kontrastiert grässlich das aus der klaffenden Wunde quellende Blut.
Als wir später vorgingen, sahen wir im vorliegenden Niederholz die Wirkung. Auch die Infanterie hatte bös gelitten.
Erst gegen Abend erkämpften wir die Feuerüberlegenheit. Es wurde Nacht, bis die umstrittenen Höhen in unserem Besitz waren.
Die Verbände waren ziemlich durcheinander gekommen. Wir lagen zusammen mit preußischer und badischer Artillerie. Spät wurde es, bis wir in unser Quartier kamen. Das uns zugewiesene Dorf war ganz verlassen. Wir suchten uns ein großes Gehöft aus und erbrachen die fest verrammelte Tür nach Kriegsrecht. Im Keller war noch Wein, im Stall Hühner, und doppelt weich waren die Betten nach kalten Biwaknächten.