Читать книгу Wir draußen - Colin Roß - Страница 7

Grenzschutzkämpfe in Lothringen Das erste Gefecht

Оглавление

m Tage nach unserer Ausparkierung im Aufmarschgebiet wurden wir bereits vorgeschickt und am folgenden Tag ging es in Feindes Land.

Ich dachte, wir würden mit Hurra und geschwungenen Säbeln und Helmen über die Grenze ziehen, allein ein Regimentsbefehl sandte mich als Patrouille voraus. Es war ein einsamer Ritt durch dichten Wald. Die scharf markierte Linie, die auf der Karte deutlich beide Länder trennt, konnte im buschigen Holz nur ungefähr bestimmt werden. Die Sonne malte durch das Blattwerk helle Muster auf den moosigen Waldgrund. Der weiche Boden verschluckte den Hufschlag der Pferde. So war das Janken von Sattel und Lederzeug und ab und zu ein leichtes Klirren der Säbel an die Sporen der einzige Ton in der friedlichen sonntäglichen Stille. Erst das Zollhaus mit französischer Aufschrift, das am Waldausgang am Wege stand, gab Bestätigung und Recht zu dem froh-stolzen Gefühl: Wir reiten nach Frankreich hinein.

Nur der Gedanke an den Ernst der Lage wollte noch nicht kommen, auch nicht, als die Patrouille in dem französischen Grenzstädtchen Cirey wieder zu der marschierenden Kolonne stieß. So manövermäßig war alles: Die Kavallerie voraus, die rasselnden Züge der Artillerie in die Infanterie eingeschoben, dann Pioniere und Trains. „Es ist wie im Manöver“, meinte einer. „Ja, nur dass scharf geschossen wird!“ Allein auch das plötzlich in der Front anschwellende, prasselnde Rollen des Schützenfeuers ließ die Nerven nicht rascher vibrieren.

Der Befehl zum Vorziehen der Artillerie kam. Die Stäbe galoppierten vor. Mit plumpem Rattern und Rasseln kamen die Batterien nach, vorbei an der seitwärts weichenden Infanterie.

Weiter vorn sieht es schon anders aus. Über die Hänge rollt das Gewehrfeuer, an der Straße steht wartend eine Maschinengewehrkompagnie, da ein Verwundeter. Vom Grund können die Batterien nicht wirken. Wir müssen vor. Die Landstraße führt durch ein Dorf. Obstbäume nehmen die Aussicht nach rechts und links. Eben reitet der Regimentsstab zwischen den ersten Häusern. Da knallt es: peng, peng; jetzt unheimlich nah und an den Nerven zerrend. Dann ein Poltern und Klirren. Die Reitergruppe stutzt. Die Pferde bäumen. Es ist ein Moment, wo das Auge blitzschnell in Sekundenbruchteilen lange Bilderreihen erfasst: Die kleinen Rauchwölkchen, die aus den Dachluken und zwischen heruntergelassenen Jalousien hervorquellen. Vor den Häusern unsere Infanteristen im Anschlag. Das blanke aufgepflanzte Bajonett blinkt in der Sonne. Kolben krachen gegen verschlossene Türen und verbarrikadierte Fenster. Ein Wutschrei von Mund zu Mund: „Die Einwohner schießen aus den Häusern!“

Wir wenden die Pferde. Allein kein Weg führt am Dorfe vorbei. Sumpf zu beiden Seiten. Also doch hindurch! Von der harten Straße widerhallen die Hufschläge der galoppierenden Pferde. Schussbereit hält die Faust die Pistole.

Es ist ein schönes, freundliches Dorf. Hell rieselt auf dem weiten Platz der Brunnen in den Steintrog. Dahinter steigt auf sanftem Hügel die Kirche an. Man bringt den Pfarrer, einen ehrwürdigen Abbé. Der lange schwarze Rock deckt die Knöchel, silberweiße Locken fallen auf die Schultern, Sanftmut und Frieden in den Zügen. Und doch war er es, der die Dörfler zum Widerstand aufforderte. Und der Maire schoss als erster auf den Kommandeur des Infanterieregiments.

Die ersten Gefangenen werden aus den Häusern geschleppt. Vor der Bajonettspitze eines Soldaten ziehen ein paar Frauen, eine alte und eine blutjunge. Das schwarze Haar klebt an den Schläfen; trotzig blicken die Augen. Männer, die man auf frischer Tat, mit der Waffe in der Hand, erwischt, sitzen gefesselt am Wege, trübselig nebeneinander wie Vögel im Regen auf einer Stange. Unseren Leuten flammt die helle Wut aus den Augen, als man die hinterrücks Angeschossenen blutüberströmt aus dem Dorfe trägt. Wir haben kaum den Ort im Rücken, da flammt das erste Haus auf. Blutrot bricht die Flamme durch schwelenden, dickschwarzen Rauch.

Keine Zeit zum Nachdenken! Dort auf der Höhe soll die Artillerie in Stellung. Vom Gegner ist nichts zu sehen. „Ein Erkundungsoffizier auf die Höhe!“ In Karriere geht’s hinauf, den Körper über den Hals des Pferdes gebeugt. Jetzt herunter und auf allen Vieren durch das Kornfeld. — Da singt es über dem Kopf: Sssssss und Sssssss, wie schwirrende Vögel. Ein unheimlicher Gesang, allein er kündet die Richtung des Feindes. Eilfertig sucht das Zeiß-Glas am Horizont. Da — auf dem langgestreckten Hügel sich bewegende schwarze Punkte. Dort steht der Feind. . .

Da rasseln die Batterien heran. In ruhigem Trab biegt die Tete von der Straße ins Feld, so gleichmäßig wie auf dem Exerzierplatz. Die Protzen gehen zurück. Scharf abgerissen klingen die Kommandos. Der erste Schuss kracht. Ein weißes Wölkchen zerstiebt vor den fernen schwarzen Punkten. Noch eins und noch eins. Jetzt eins dahinter und jetzt eins mitten darüber. Aus den schwarzen Punkten da drüben werden Striche, die rennen und laufen und eilig den Hang hinunter verschwinden. . .

Sengend brennt die Sonne. Die Kleider kleben am Körper. Das Wasser rinnt unter dem Helmrand hervor. Der Körper erschlafft. Wenig Ruhe brachten die letzten Tage; wenig Schlaf die letzten Nächte. Da kommt der Befehl zum Abbruch des Gefechtes. Der Gefechtszweck ist erreicht, die gegnerischen Grenzschutztruppen geworfen.

Wir liegen im Straßengraben im spärlichen Schatten einiger Büsche. Langsam beruhigt sich der fiebernd schlagende Puls. Ruhe zieht ins Herz, Ruhe und stolzes Glück: War das heutige Gefecht auch noch so unbedeutend, so verschwindend im Hinblick auf die Riesenarmeen, die gegeneinander marschieren, es war der erste siegreiche Schritt nach Frankreich hinein. Die Feuerprobe ist bestanden.

Wir draußen

Подняться наверх