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I.Beibehaltung der haushaltsrechtlichen Lösung als erster Umsetzungsversuch von Gemeinschaftsrecht

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10Das Zweite Gesetz zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes vom 26.11.199348 war der erste Versuch, die bis dahin erlassenen EG-Richtlinien49 zur öffentlichen Auftragsvergabe in deutsches Recht umzusetzen. Aufgrund des bisher geltenden Verständnisses, dass die öffentliche Auftragsvergabe primär eine Frage der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der öffentlichen Verwaltung sei, versuchte die Bundesregierung, die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts in das deutsche Haushaltsrecht zu integrieren. Damit änderte sich auch die Zielrichtung des Vergaberechts, welches nicht mehr nur dem Haushaltsrecht, sondern dem europäischen Binnenmarkt mit primärrechtsschützenden Vorschriften diente. Bei der Umsetzung verfolgte der deutsche Gesetzgeber eine sog. Kaskadenlösung50: Es wurden zunächst nur der Begriff des öffentlichen Auftraggebers in § 57a HGrG definiert und der Bundesregierung eine Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Regelung der weiteren Fragen erteilt. Von dieser Ermächtigung machte die Bundesregierung mit Erlass der Verordnung über die Vergabebestimmungen für öffentliche Aufträge (VgV) vom 22.2.1994 Gebrauch.51

11In der VgV wurden sodann für die in § 57a HGrG definierten Auftraggeber die VOB/A und die VOL/A für verbindlich erklärt.52 Ihre Schwellenwerte und Verfahrensarten wurden übernommen, wobei der Terminus „offenes Verfahren“ der öffentlichen Ausschreibung, der Terminus „nicht offenes Verfahren“ der beschränkten Ausschreibung und der Terminus „Verhandlungsverfahren“ dem der freihändigen Vergabe entsprach. Zudem wurde eine Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) erlassen und mit Änderung vom 29.9.1997 in die VgV integriert.53 Darüber hinaus erließ die Bundesregierung die Verordnung über das Nachprüfungsverfahren für öffentliche Aufträge (NpV), um die entsprechende EG-Nachprüfungsrichtlinie in nationales Recht umzusetzen. Hierdurch wurden erstmals Vergabeüberwachungsausschüsse beim Bundeskartellamt neben den bereits bestehenden Vergabeprüfstellen bei den jeweiligen Aufsichtsbehörden eingerichtet.54

12Ein wirklicher Fortschritt im Hinblick auf den subjektiven Rechtsschutz von Unternehmen als Bieter erfolgte indes mit dieser haushaltsrechtlichen Lösung nicht. Ausweislich der Gesetzesbegründung zur Änderung des HGrG wollte der Gesetzgeber explizit einklagbare subjektive Rechte von Bietern ausschließen.55 Dies stand aber in klarem Widerspruch zur Intention der Europäischen Kommission, die ausdrücklich einen Bieterschutz vor Gericht vorgesehen hatte.56 Dies wurde implizit auch durch ein Urteil des EuGH aus dem Jahre 1995 bestätigt.57 Auch die vergaberechtliche Literatur kritisierte von Anfang an die haushaltsrechtliche Lösung aufgrund der Ausblendung eines effektiven – von den europäischen Richtlinien vorgegebenen – Primärrechtsschutzes.58 Zudem wurde kritisiert, dass es sich bei den beim Bundeskartellamt angesiedelten Vergabeüberwachungsausschüssen nicht um ein Gericht i. S. d. Art. 234 EGV a. F. (bzw. Art. 267 AEUV) handle.59 Schließlich barg die haushaltsrechtliche Lösung stets die Gefahr, dass die Vergabestelle durch eine schnelle Zuschlagserteilung gegenüber dem rechtsschutzsuchenden Bieter Fakten schaffen konnte. Denn zum einen verfügten die Vergabeüberwachungsausschüsse nicht über die Möglichkeit, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen, mit der Folge, eine Zuschlagserteilung vor der letztinstanzlichen Entscheidung über das Rechtsschutzgesuch zu unterbinden.60 Zum anderen waren auch die Möglichkeiten, einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen, nicht ausreichend.61 Daraufhin fasste die Bundesregierung am 25.9.1996 einen Grundsatzbeschluss zur Neuregelung des Rechtsschutzes bei der Vergabe öffentlicher Aufträge.

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