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2.Einbeziehung vergabefremder Kriterien

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21Nach dem Scheitern eines Tariftreuegesetzes auf Bundesebene hatten zahlreiche Bundesländer eigene Vergabegesetze nach Landesrecht erlassen. Sie beinhaltete zuvörderst die Regelung, dass Bieter mindestens die ortsübliche tarifliche Vergütung bei der Auftragserbringung an ihre Arbeitnehmer leisten mussten. Verstöße hiergegen konnten mit bis zu dreijährigen Auftragssperren geahndet werden.93 Der EuGH hat indes im Rüffert-Urteil entschieden, dass solche Tariftreueklauseln mit dem Gemeinschaftsrecht, konkret mit der Arbeitnehmerentsende-Richtlinie, die im Lichte der Dienstleistungsfreiheit auszulegen ist, unvereinbar sind.94 Nordrhein-Westfalen etwa hatte sein Landesvergabegesetz infolgedessen zwischenzeitlich aufgehoben.95 In vielen Bundesländern ist mittlerweile aber wieder eine stärkere Entwicklung hin zu Tariftreueregelungen zu beobachten, die nunmehr gemeinschaftsrechtskonform ausgestaltet sein sollen.96 Einige Bundesländer knüpften darüber hinaus eine Pflicht zur Einhaltung von Mindestlöhnen an das Vergaberecht, was zu einer Reihe offener Fragen und Vorlageverfahren beim EuGH geführt hatte. Dieser hatte daraufhin jüngst Teile des nordrhein-westfälischen Tariftreue- und Vergabegesetzes gekippt. Eine Verpflichtung des Auftraggebers, vom Nachunternehmer die Zahlung eines Mindestlohns zu erbringen, wenn letzterer die Leistung allein im Ausland erbringt, sei nicht mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar.97 Hingegen hatte der EuGH das rheinland-pfälzische Landesgesetz für europarechtskonform erklärt: Bei der Leistungserbringung im Inland könne die Vergabe gesetzlich davon abhängig gemacht werden, dass ein Mindestlohn gezahlt werde. Ein Bieter, der die verpflichtende Zahlung des Mindestlohns an seine Beschäftigten ablehnt, könne daher vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.98 Abzuwarten bleibt, wie die Rechtsprechung den seit 1.1.2015 geltenden bundesweiten Mindestlohn bewerten wird.99

22Im Zuge der Vergaberechtsreform 2009 wurden dessen ungeachtet erstmals gesetzlich mit § 97 Abs. 4 GWB a. F. soziale und ökologische Vergabekriterien zugelassen. So kann die Auftragsvergabe daran gekoppelt werden, ob sich der Bieter in der Vergangenheit gesetzestreu100 verhalten hat oder bestimmte soziale und ökologische Kriterien erfüllt, soweit diese Kriterien in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen, und überprüfbar sind.101 Soziale und ökologische Anforderungen dürfen also nicht abstrakt formuliert werden, sondern müssen sich auf den konkreten Leistungsgegenstand des einzelnen Auftrags beziehen.102 Als umweltbezogene Kriterien gelten etwa schadstoffarme Firmenwagen oder die Verwendung von Recycling-Materialien. In sozialer Hinsicht können etwa equal payment von Frauen und Männern oder die Verwendung zertifizierter, ohne Kinderarbeit angefertigte Produkte vorgeschrieben werden, soweit diese nicht gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot verstoßen.103 Die Voraussetzung der Gesetzestreue in § 97 Abs. 4 GWB a. F. diente dabei insbesondere zur vergaberechtlichen Durchsetzung der Einhaltung von für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträgen.104 Soweit im Einzelfall die Förderung von sozialen und ökologischen Zwecken im Rahmen der Auftragsvergabe mit der Verwirklichung der Interessen der mittelständischen Wirtschaft kollidiert, dürfte diese Interessenkollision wegen der sprachlich verschärften Fassung des § 97 Abs. 3 Satz 1 GWB a. F. zugunsten des Mittelstandes aufzulösen sein, da dessen Interessen nun einmal „vornehmlich“, d. h. vor anderen (gesellschaftlichen) Erwägungen berücksichtigt werden müssen.105 Im Hinblick auf den Umweltschutz erfolgten im Jahre 2011 zwei bedeutsame Änderungen der VgV. Erstens müssen gem. § 4 Abs. 7 VgV a. F. bei der Beschaffung von Straßenverkehrsfahrzeugen bei der Vergabeentscheidung der Energieverbrauch und Umweltauswirkungen berücksichtigt werden. Zweitens müssen gem. § 4 Abs. 4 und 5 VgV a. F. bei der Beschaffung von energieverbrauchsrelevanten Waren und technischen Geräten höchste Anforderungen an die Energieeffizienz gestellt werden.106

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