Читать книгу Rache nur der Teufel war Zeuge. - Dagmar Schulz - Страница 10
7.Kapitel
ОглавлениеAls Heinz nach einiger Zeit aus dem Krankenhaus entlassen wurde, holte ihn niemand ab. Er musste alleine nach Hause laufen. Zuhause angekommen setzte er sich erst ein mal hin. Susanne und ihre Mutter ließen ihn alleine dort sitzen.
Abends ging er in seine Kneipe und kam erst spät zurück. Wie immer. Aber er ging schnurstracks ins Bett, ohne ein Wort an seine Frau zu richten.
Und so ging es die ganzen nächsten Tage. Immerhin ließ er Hanna und Susanne einigermaßen in Ruhe. Aber die Stimmung war angespannt.
Eines nachmittags bekam Heinz überraschend Besuch von seinem alten Freund Gerd, der schon vor vielen Jahren aus dem Dorf weggezogen war und nichts von Heinz´ Familiengründung mitbekommen hatte.
Ahnungslos klingelte Gerd an der Tür und erschrak, als Hanna ihm öffnete. Auch Hanna erschrak, als sie die Tür öffnete.
Zu gerne hätte sie sie wieder zugeschlagen, nachdem sie sah, wer da vor ihr stand. Gerd fragte höflich, ob Heinz zu Hause sei und Hanna war klar, das sie den großen Mann mit den blonden Locken jetzt ins Haus lassen musste.
Beide Männer begrüßten sich herzlich.
Heinz rief direkt seiner Tochter zu:
„Susanne, hol uns doch mal zwei Bier! Das ist mein alter Freund Gerd. Darauf müssen wir einen trinken!“
Susanne war erstaunt über den freundlichen Tons ihres Vaters und dachte:
„Ach, auf einmal so höflich?“
Sie sah den blonden Mann mit großen Augen an. Er hatte die gleiche Haarfarbe und Locken wie sie. Das kam ihr komisch vor.
Sie sah ihren Vater an, er hatte schwarze Haare.
„Na ja“, dachte Susanne, „wird wohl daran liegen, dass mein Vater wie ein Teufel ist.“
„Was ist los? Hörst du schwer?“. Heinz stieß sie in die Seite.
„Wer saufen kann, der kann auch selbst laufen und sich sein Bier holen“, rief Susanne mutig.
Doch sie dreht sich schnell um, rannte aus dem Zimmer und knallte die Tür zu. So mutig war sie schon lange nicht mehr.
„Susanne, was ist los mit dir?“, rief ihre Mutter, die erschrocken aus der Küche angelaufen kam.
„Mama“, sagte Susanne mit fester Stimme. „Ich will nicht mehr. Mit mir nicht mehr. Ich hol kein Bier.“
Susanne drehte sich auf dem Absatz um und ging in ihr Zimmer.
Mehr wollte sie einfach nicht mehr sagen.
Woher die Männer abends den ganzen Alkohol her hatten, wusste Susanne nicht. Jedoch waren beide sturzbetrunken. Zur Sicherheit holte sich Susanne das kaputte Stuhlbein aus dem Hof, das noch aus der Zeit stammte, in der ihr Vater betrunken randalierte und gegen Möbel trat. Einige kaputte Möbelstücke hatte sie dann mit ihrer Mutter später in den Hof getragen,
Sie versteckte es in ihrem Zimmer.
Es war zu ihrer Sicherheit, denn sie würde sich ab heute nicht mehr schlagen lassen!
Sie würde sich heute wehren, nahm sie sich vor.
Schließlich war sie inzwischen 15 Jahre alt, war mit der Schule fertig und würde sich nichts mehr gefallen lassen!
Sie musste zuhören, wie ihr Vater ihre Mutter immer wieder anschrie. Einige Zeit später rief Heinz schroff in den Flur:
„Susanne! Geh und beziehe ein Bett in der Kammer. Gerd bleibt ein paar Tage hier.“ Susanne stöhnte leise auf. Sie wollte doch früh ins Bett gehen, weil sie am nächsten Tag zum ersten Mal zu ihrer Ausbildungsstelle ging.
Sie war so stolz, als sie mit dem Ausbildungsvertrag nach Hause kam! Auszubildende für den Beruf der Friseurin. Was anderes gab es ja leider im Dorf nicht.
Der erste Tag im Friseur-Salon war ganz nett und etwas langweilig. Sie dachte, sie dürfe sofort loslegen, aber sie durfte gerade mal zusehen, wie die Meisterin den Kunden die Haare schnitt. Nach jedem Kunden musste sie den ganzen Salon fegen und sie durfte sich nicht einmal setzen. Aber die Meisterin und die Kunden waren sehr nett zu ihr.
Als der letzte Kunde gegangen war und sie den Besen in die kleine Kammer stellte, durfte sie endlich gehen.
Sofort lief sie zu Monika und erzählte ihr neben den Ereignissen ihres ersten Tages im Friseur-Salon auch von dem Besuch dieses komischen Mannes mit den blonden Locken, der ihr so ähnlich sah.
Else kam hinzu und hörte gespannt zu.
„Das glaubst du nicht Monika! Er sieht aus wie wir! Blonde Haare und sogar die gleichen Locken“, rief Susanne aufgeregt.
„Das muss ich sehen“, sagte Monika, „kann ich mir nicht vorstellen.“
„Es stimmt aber“, rief Susanne aufgeregt,“schau ihn dir einfach mal an.“
Else hätte bei den Worten fast alles fallen lassen. Zum Glück sahen die Kinder ihr erschrockenes Gesicht nicht. Sie wurde genauso rot wie Susannes Mutter und versuchte, sich so gut wie nichts anmerken zu lassen.
„Wollt Ihr Kuchen haben, Kinder?“, fragte Else.
Als die Mädchen die Frage bejahten war Else froh, schnell wieder in die Küche gehen zu können. Die Mädchen schauten Else nach. Sie sah verzweifelt aus und „irgendwie komisch“, dachte Susanne.
Else beschloss in der Küche, mit ihrer Schwester zu sprechen, ehe es zu einer Katastrophe kam.
Denn Susanne und Monika waren ja intelligent. Sie würden es herausfinden.
Am nächsten Abend ging auch Onkel Freddy rüber zu Heinz. Er überlegte vorher lange, ob er das tun sollte oder nicht. Aber schließlich gab seine Neugier keine Ruhe. Susanne freute sich, als sie Freddy sah. Er begrüßte erst seine Nichte und lächelte freundlich Hanna an, die gequält versuchte, ein freundliches Gesicht zu machen. Dann ging er ins Wohnzimmer, wo Heinz und Gerd saßen.
Gerd saß mit dem Rücken zur Tür. Heinz hing wieder an seiner Flasche und setzte sie nicht einmal ab.
Freddy grüßte freundlich, als er eintrat – bis sich Gerd zu ihm umdrehte.
Wie ein Blitz durchfuhr es Freddy, als er Gerd sah und für kurze Zeit glaubte er, nicht mehr atmen zu können. Damit hatte Freddy nicht gerechnet.
Er hatte Gerd längst aus seinem Leben gestrichen.
„Was ist los mit dir?“, fragte Heinz verwundert. „Komm, trink einen mit uns.“
Auf diesen Schreck brauchte Freddy wirklich einen Schnaps. Er setzte sich und leerte das Glas in einem Zug.
Susanne stand hinter der Tür. Sie hatte es sich angewöhnt, die Tür immer einen Spalt offen zu lassen, um so mehr zu erfahren, wenn es wieder mal rund ging.
Sie sah zu ihrem Onkel Freddy und bemerkte sein verzerrtes Gesicht.
Er sah sehr erschrocken aus, dachte Susanne. „Da stimmt was nicht“, hörte sie sich leise sagen. Schnell hielt sie sich den Mund zu. Sie wollte ja nicht erwischt werden. Sie wusste, wie man sich leise verhielt. Sie hatte es gelernt.
Nach einiger Zeit wollte Onkel Freddy einfach nur nach Hause, sein Schock saß zu tief. Er verabschiedete sich freundlich und wünschte allen eine gute Nacht.
Ihm war zum Heulen zumute, als er nachdenklich nach Hause ging.
Am nächsten Morgen trafen sich Else und Hanna. Die beiden wollten über die neue Situation sprechen. Sie saßen bei Else im Garten und tranken Kaffee. Es war alles so schön harmonisch und friedlich.
„Hat keiner was bemerkt?“, fragte Else vorsichtig.
„Heinz merkt doch sowieso nichts“, erwiderte Hanna.
„Und Gerd?“
„Gerd?“
„Na ja“, sagte Hanna, „Er hat die beiden Mädchen ja kurz gesehen. Ich hatte große Angst, dass er es merkt, aber vermutlich war er auch zu betrunken. Er trinkt ja sonst kaum. Er hat nur einmal kurz von sich gegeben, das er doppelt sehen würde, als er die beiden Mädchen sah, hat es aber wohl auf den Schnaps geschoben und ist dann ins Bett gegangen.“
Else wurde hektisch:
„Hanna, dann sag auch nichts. Wenn Gerd es nicht von alleine merkt – verdammt, dann behalte es auch für dich. Sonst ist deine Ehe kaputt.“
„Ich weiß nicht“, antwortete Hanna, „lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Ach verdammt, ich bin verzweifelter denn je.“
Else legte ihren Arm um ihre Schwester Hanna.
„Weißt du Hanna, Ihr hattet eine schöne Zeit mit Susanne. Und wir mit Monika auch. Ich will mir das nicht kaputt machen lassen!“
Susanne und Monika reimten sich in der Zeit viel zusammen. Jedes Mädchen wollte zu gerne mit ihrer Mutter darüber reden, aber nie war der passende Zeitpunkt da. Immer kam etwas dazwischen.
Einige Tage später kam Gerd wieder zu Besuch. Er brachte bergeweise Fleisch mit und hatte den Einfall, ein großes Lagerfeuer zu machen. Alle sollten kommen!
Seine betonte Höflichkeit fiel auf – besonders diese übertriebene Freundlichkeit Susannes Mutter gegenüber, die natürlich vor Scham direkt rot anlief.
Freddy und Gerd machten Feuer und die Mädchen rannten in den Wald, um noch mehr Holz zu holen. Es sollte ein schöner Abend werden und beide Mädchen waren sich einig: Solange das Feuer brannte, würde es bestimmt keinen Streit geben.
Heinz war wieder betrunken und Hanna hatte Mühe, ihren Mann von dem nahen Feuer fernzuhalten.
Susanne und Monika saßen nebeneinander, tuschelten und lachten und ihre blonden Locken schimmerten dabei in der Abendsonne. Es war ein schöner Anblick.
Gerd sah die beiden Mädchen an und drehte sich zu Hanna und Else, die beide zusammenzuckten.
„Ihr habt sehr schöne Mädchen – wie kleine Elfen, so fein und zart.“
Er lächelte Else und Hanna an und beide Frauen verstanden den Wink.
Gerd wusste es, aber er würde nichts sagen.
Beide Frauen waren dankbar. Zu nah schien ihr Glück schon verloren.
Die Männer gingen später ins Haus und beide Frauen hatten Gelegenheit, miteinander zu sprechen.
„Mein Gott, Hanna. Ich glaube, wir haben Gerd falsch eingeschätzt. Er will die beiden Mädchen nicht trennen.“
Noch bevor Hanna etwas erwidern konnte, standen Susanne und Monika vor ihnen. „Wieso trennen?“, fragte Monika. „Wir haben doch jeder eine Familie. Das versteh ich nicht, Mama. Wie meinst du das?“
Aus Susanne platzte es plötzlich heraus:
„Ihr seid alle genauso falsch und lügt – wie Papa!“
Susanne tobte und weinte zugleich.
„Wenn Ihr alle so falsch seid, dann gehe ich mit Gerd mit!“
Monika, aufgestachelt von Susannes Wut, schrie ebenfalls
„Und ich gehe mit Susanne mit. Der Gerd ist bestimmt besser als Ihr, Ihr elendigen Lügnerinnen.“
Beide Mädchen rannten weg. Sie liefen in Susannes Zimmer und knallten die Tür zu.
Irritiert von dem Lärm gingen Gerd, Freddy und der wie immer betrunkene Heinz in den Garten zu den Frauen.
Hanna weinte.
„Was haben wir nur getan“, schrie sie.
Nun ergriff Gerd das Wort:
„Wir reden in Ruhe darüber. Ich weiß, dass ich ihr Vater bin. Es ist auch nicht zu übersehen. Glaubt ihr wirklich, ich hätte die beiden getrennt? Verdammt, schaut Euch die beiden doch einmal an. Sie sind froh, das sie einander gefunden haben. Ich dachte eigentlich, ich hätte nur ein Kind und jetzt habe ich zwei!“
Es klang, als wäre er stolz, nun Vater von zwei Kindern zu sein.
„Wir werden das klären,“ sagte Gerd. „Beide müssten jetzt alt genug sein, um die Wahrheit zu erfahren.“
Der Abend neigte sich dem Ende zu und es kehrte ein wenig Ruhe ein.
„Willst du heute bei mir schlafen?“, fragte Susanne ihre Freundin. „Dann können wir beide mal reden. Es ist ja nie Zeit dafür da.“
„Monika“, rief Else unruhig, „komm wir gehen nach Hause.“
Sie wollte sich ihrer Tochter gegenüber nicht anmerken lassen, wie aufgewühlt sie war. Doch Monika kannte ihre Mutter und spürte die Anspannung in ihr. Sie stand auf und ging auf ihre Mutter zu.
„Mama, es tut mir leid, ich wollte dir nicht weh tun.“
Else nahm ihre Tochter in den Arm. „Wir reden mal in Ruhe darüber, Schatz.“
„Kann ich nicht heute bei Susanne schlafen?“, fragte Monika und schaute ihre Mutter liebevoll aus ihren Kulleraugen an.
Hanna kam dazu. „Wenn Deine Mutter nichts dagegen hat“, meinte sie, „dann ist das auch für mich in Ordnung.“
Allen vier Frauen sah man die Anspannung und Verzweiflung im Gesicht an. Hanna nahm ihre Tochter in den Arm.
„Niemand will euch trennen“, sagte sie. „Wir haben Euch beide sehr lieb und würden so etwas nicht tun.“
Else stimmte zu, das Monika über Nacht bleiben durfte und beide Mädchen nahmen sich glücklich in die Arme. Man wünschte sich schnell eine gute Nacht und schon waren die beiden in Susannes Zimmer verschwunden.
Sie redeten die halbe Nacht und kamen immer wieder auf neue Ideen. Sie sprachen auch über ihre Geburtstage.
„Wir sehen gleich aus. An welchem Tag bist du geboren, Monika?“
Monika überlegte. „Es war an einem Freitag.“
„Weißt du die genaue Uhrzeit?“, fragte Susanne.
„So ungefähr um 23.40 Uhr. Und du?“.
„Am Samstag um 0.15 Uhr. Das habe ich nachgelesen.“
„Typisch für dich“.
„Na klar“, sagte Susanne. „Ich wollte wissen, was die alle für ein Geheimnis haben, meine und deine Mama und alle anderen. Jedes Mal, wenn sie zusammentreffen haben sie roten Köpfe sobald Gerd kommt und eine zittrige Stimme wenn es um uns beide geht. Ist doch komisch, oder?“
Monika bejahte die Fragte.
Susanne sprang plötzlich hoch. „Hurra! Wir sind keine Zwillinge. Du bist am Freitag um 23.40 Uhr geboren und ich am Samstag um 0.15 Uhr!“
„Stimmt!“, lachte Monika und die beiden freuten sich.
Beruhigt schliefen die beiden Arm in Arm ein.