Читать книгу Rache nur der Teufel war Zeuge. - Dagmar Schulz - Страница 12
9.Kapitel
ОглавлениеGerd machte zur Feier des Tages eine Flasche Wein auf. Sie setzten sich alle in den Garten – es herrschte Harmonie.
Diese Ruhe tat einfach gut. Kein Heinz, keine Aggressionen, keine Schläge, einfach nur Harmonie.
Hanna machte die kleinen Laternen an, die schon seit Jahren ausblieben, weil Heinz sie im Suff immer austrat.
Else, Freddy, Gerd und die Zwillinge machten es sich auf den Gartenstühlen gemütlich. Susanne und Monika durften auch ein Glas Wein trinken und fühlten sich richtig erwachsen und anerkannt.
Susanne schmeckte der Wein und sie genoss die Ruhe.
„Wo hast du eigentlich den Wein her, Papa?“, fragte Susanne.
„Hattest du ihn vor Heinz versteckt?“
Gerd lächelte bei dem Wort Papa und war glücklich. Hanna war auch erleichtert. Sie war dankbar, das Susanne und Monika es ihr einfach machten und Vorwürfe wegblieben.
Hätte sie zu dieser Zeit aber in Susannes Gedanken lesen können, hätte sie es allerdings mit der Angst bekommen.
„Susanne, mein Liebling“, sagte Gerd, „hol uns doch noch eine Flasche von dem guten Wein.“
„Wo haben wir denn Wein?“, fragte Susanne. „Heinz hat doch immer alles leer gesoffen.“
„Geh ins Haus zum Wäscheschrank, Liebling, da stehen im alten Schuhregal bestimmt noch 20 Flaschen. Heinz hatte die damals nicht gefunden, weil darüber Bettlaken und Handtücher lagen. Vermutlich war er auch zu faul zum suchen. Und Deine Mutter ist nicht dumm, sie hat den Wein für gute Zeiten verwahrt.“
„Raffiniert,“, lachte Susanne und ging ins Haus um noch eine Flasche von dem leckeren Gesöff zu holen.
Doch es sollte sehr lange dauern, bis Susanne zurückkam. Sie entschuldigte sich mit den Worten, dass die Flaschen sehr verstaubt gewesen seien und sie sie erst mal abgeputzt hätte.
Hanna lächelte ihre Tochter an und Susanne erwiderte ihre Zuneigung. Die Zwillinge hatten dann auch wieder ein Glas Wein bekommen.
Monika wurde davon müde und schlief auf dem Stuhl ein, aber Susanne blühte auf. Sie war lustig und holte noch eine weitere Flasche aus dem Regal. Dieses Mal dauerte der Rückweg noch länger. Sie fühlte sich frei, lustig und vergnügt. Jedes Mal, wenn sie eine Flasche holte, öffnete sie diese direkt und nahm erst einmal einen großen Schluck bevor sie zurück ging.
All der Kummer, den sie jahrelang im Herzen trug, war wie weggeblasen.
„Man, tut das gut“, dachte Susanne. Sie ließ sich aber nichts anmerken und fragte jedes Mal aufs neue, ob sie noch ein Glas Wein bekommen könnte.
„Der Alte ist tot“, sagte sie gehässig, „ein Grund zum Feiern, gebt mir doch noch ein Glas Wein.“
Die Erwachsenen sahen einander an und waren sich einig.
„Nein, Susanne, du hattest genug. Normalerweise hätten wir euch keinen Alkohol gegeben. Und wir feiern auch nicht den Tod von Heinz, wir wollen nur entspannen und uns von dem Theater der vergangenen Tage erholen.“
Nach einer halben Stunde ging Susanne ins Bett. Sie verabschiedete sich mit den Worten „Gute Nacht zusammen. Und Danke für den Wein. Ich fühle mich, als ob ich auf Wolken schweben würde.“
Alle sahen Susanne an. „War wohl doch zu viel Wein, Liebes“, erwiderte Hanna.
Jörg und Peter schliefen bereits, als Susanne in ihr Zimmer ging und so fiel es ihr auch nicht schwer, direkt einzuschlafen.
Als sie am Morgen erwachte, schien die Sonne. Es war so ruhig, so schön ruhig. Niemand schrie und man spürte, das sich etwas verändert hatte. Susanne zog sich an und ging in die Küche. Niemand saß am Tisch. Wo waren sie denn alle.
„Mama? Papa? Monika? Wo seid Ihr denn?“.
Auf dem Küchentisch lag ein kleiner Zettel, den Susanne beim Hereinkommen nicht direkt gesehen hatte. Jetzt las sie ihn:
„Guten Morgen, liebe Susanne.
Wir haben Dich schlafen lassen, weil Du Urlaub hast
und Dich mal erholen musst.Wir müssen noch den Papierkram
für Heinz´ Beerdigung erledigen. Bis gleich.
Deine Mama.“
In Susanne kam mit einem Schlag wieder alles hoch. Sie dachte an Heinz – ihren angeblichen Vater – an den Betrug ihrer Mutter mit Gerd, an alle Grausamkeiten die ihr angetan wurden.
In ihr kam der Hass auf. Sie war so enttäuscht von allem.
„Wie soll ein Mädchen das ertragen? Soll ich alles herunter schlucken als wenn nichts war? NEIN! Mit mir nicht!“.
Schlagartig nahm sie eine Schere aus der Küchenschublade. Sie ging ins Elternschlafzimmer und öffnete den Kleiderschrank. Heinz´ Sachen hingen noch da, als ob er gar nicht weg sei.
Wutgeladen und weinend riss die Hemden, Jacken, Hosen von Heinz, einfach alles was sie zu packen bekam, aus dem Schrank und schmiss sie auf den Boden. Sie zerriss und zerschnitt die Sachen und lachte hämisch dabei. Nachdem sie die gesamten Kleidungsstücke zerstört hatte, setzte sie sich erschöpft auf das Bett der Eltern.
Sie war wie verwandelt, wutschnaubend und auf Rache gesinnt.
„Ich bin nicht mehr das süße Mädchen.“ Susanne war wie von Sinnen und hasste alles um sich herum. Sie hatte sich verändert und das machte selbst ihr Angst. Sie weinte und die Tränen kullerten ihr über die Wangen. Sie schluchzte wie ein kleines Kind. Todtraurig und mit geballter Wut im Körper ging sie zum Regal und nahm eine Flasche Wein heraus. Sie öffnete die Flasche und trank einen großen Schluck.
„Ach, tut das gut“, sagte sie und trank noch einen Schluck. Der Wein beruhigte sie.
Ihre Familie war noch nicht zurück, also räumte sie ein wenig auf und setzte sich in den Garten. Die Sonne schien heute sehr stark und Susanne spürte einen inneren Frieden. Sie war entspannt und es ging ihr gut.
Dann kam der Tag der Beerdigung. Niemand weinte. Susanne hatte sich ganz in weiß angezogen. Alle anderen, Hanna, Gerd, Freddy, Else, Monika und die beiden Buben trugen dunkelgraue Kleidung. Susanne stach mit ihrer weißen Kleidung ab, als ob sie nicht dazu gehörte.
Der Pastor hielt eine kleine Andachtsrede. Susanne grinste frech bei dem Gedanken, das Heinz es nicht verdient hätte und es ein Glück war, das er verreckt ist. Als alle zum Abschluss eine Rose ins Grab warfen, wartete Susanne bis zum Schluss.
Sie wollte die letzte sein, die vor dem Grab stand – gekleidet wie ein Engel in weiß. Dort angekommen, schaute sie auf den Sarg.
„Die schönen Blumen. Viel zu teuer für das versoffene Arschloch.“, dachte sie.
Der Sarg war schlicht gehalten. Sie drehte sich kurz um und sah alle an und fing an zu singen:
„Der Heinz ist tot, der Heinz ist tot. Ach ist das schön, der Heinz ist tot.“
Mit einem mal erstarrte sie. Voller Wut und mit diabolischem Hass in den Augen drehte sie sich zum Sarg, beugte sich herunter und fluchte
„Heinz, du Drecksau, fahre zur Hölle!“
Sie spuckte voller Verachtung auf den Sarg, stand auf, schüttelte ihre langen blonden Haare und ging hoch erhobenen Hauptes an allen vorbei. Weg! Einfach nur weg! Weg von diesem Arschloch. Er hat ihre Anwesenheit nicht verdient.
Erst spät abends kam Susanne nach Hause. Niemand wusste wo sie gewesen war. Sie ging heimlich zum Regal und nahm wieder einen großen Schluck aus der Weinflasche.
Wenn ich etwas Wein trinke, dann geht es mir besser, sagte sie sich leise. Ich bin ja nicht so ein versoffenes Schwein wie Heinz!
Sie hielt sich immer öfter an ihrem geheimen Platz am Abgrund auf. Dort fand sie auch ein Versteck für ihre Flasche Wein. Immer wieder kam sie dort hin,um zu entspannen und einen großen Schluck von dem leckeren Wein zu nehmen.
„Auf Heinz, den Scheißkerl.“
Als die Flasche leer war, warf sie sie im hohen Bogen in den Abgrund.
Sie fühlte sich so leicht und so ruhig wie schon lange nicht mehr und das Gefühl tat ihr gut.
Als sie später nach Hause kam, durfte keiner merken, dass sie getrunken hatte. Das war ihr Geheimnis. Sie ging ins Wohnzimmer und versuchte, ein freundliches und gelassenes Gesicht zu machen.
„Hallo zusammen“, sagte sie zur Begrüßung und bekam ein nettes
„Hallo Susanne“ zurück.
Susanne lächelte sie zuckersüß an. Nur Monika wusste, das dieses Lächeln nicht echt war. Sie kannte ihre Schwester inzwischen nur zu gut.
Hannas Geständnis veränderte beide Zwillinge.
Monika war danach niedergeschlagen und deprimiert. Susanne dagegen war aggressiv und beleidigend. Aber sie wusste, wie sie alle umschmeicheln konnte und so fiel ihre neue Art nicht auf.