Читать книгу Rache nur der Teufel war Zeuge. - Dagmar Schulz - Страница 13

10.Kapitel

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„Hör mal, Schwesterchen“, sagte Monika eines Tages und war selbst erstaunt, das sie das Wort Schwesterchen so einfach über die Lippen brachte.

„Wo warst du den ganzen Tag. Gerd und mein Papa haben dich zwei Stunden lang gesucht.“

Susanne erwiderte verächtlich

„Dein Papa? Vergesse mal nicht, das Gerd unser Vater ist!“

„Ja, stimmt.“, gab Monika kleinlaut zu.

„Ich kann das immer noch nicht glauben. Susanne, ich werde damit nicht fertig. Ich reiß mich zusammen, damit keiner was merkt aber es klappt nicht. Wie kommst du denn damit klar, Susanne?“

„Ich?“ fragte Susanne. Sie grinste. „Ich komme eigentlich gar nicht damit klar. Aber ich habe ein Geheimnis und das hilft mir alles zu ertragen.“

„Echt? Na dann bitte hilf mir doch, damit es mir auch besser geht,“ flüsterte Monika.

„O.k.“ sagte Susanne, „aber wenn du nur ein Wort sagst, bringe ich dich um!“

Sie zischte „Schwester hin oder her, das ist mir dann egal!“

Monika erschrak. „Du kannst dich auf mich verlassen, ich schweige wie ein Grab.“

„Dann komm mal mit“, sagte Susanne.

Beide Mädchen gingen ins Wohnzimmer zu ihren Eltern und wollten ihnen Bescheid sagen:

„Wir sind oben in Susannes Zimmer.“

„Moment“, erwiderte Hanna. „Susanne, mit dir müssen wir noch einmal reden. Dein Benehmen auf dem Friedhof war unpassend.“

Susanne fiel ihrer Mutter ins Wort.

„Was verlangst du denn, Mama. Soll ich etwa um so ein Arschloch trauern oder Lobreden halten? Das könnt Ihr vergessen!“

Susanne merkte, wie in ihr die Wut wieder aufkam. Ihre Atmung wurde schwerer und sie hatte Schwierigkeiten, sich zusammenzureißen.

„Ist schon gut“, lenkte Hanna beschwichtigend ein. „Vergessen wir es einfach.“

Susanne und Monika gingen nach oben.

„Mensch Susanne, bist du mutig. Ich hätte mich das nicht getraut.“, sagte Monika.

„Du hattest auch ein schönes Familienleben. Ich habe in den ganzen Jahren nur Krach, Qual und Schläge erlebt“, erwiderte Susanne. „Ich bin manchmal richtig neidisch. Warum hat Tante Else nicht mich ausgewählt sondern dich. Wir haben gleich ausgesehen. Sie hat einfach ein Baby genommen ohne zu überlegen. Warum nicht mich?“

Monika konnte darauf nicht antworten. Was sollte sie auch antworten. Sie wusste es doch auch nicht!

Susanne sagte nichts mehr. Sie öffnete leise ihre Zimmertür und schlich über den Flur in das kleine Zimmer mit dem Regal. Aus der hinteren Reihe griff sie eine Flasche und schlich leise in ihr Zimmer zurück.

„Das ist mein Geheimnis. Es hilft gegen Kummer und Sorgen“, sagte sie.

Monika schaute auf die Flasche und erwiderte „Das ist doch Alkohol.“ „

"Na und! Hauptsache es geht mir gut und es hilft. Ich trinke ja nicht viel davon und so merkt es auch keiner“, sagte Susanne stolz.

Monika überlegte. Sie verstand Susanne nicht. Heinz war doch das beste Beispiel dafür, was Alkohol aus einem Menschen machen kann.

Susanne hielt ihr die Flasche hin.

„Trink!“, sagte sie. „Trink und du vergisst alles!“

Zögernd nahm Monika die Flasche und setzte zum ersten Schluck an.

„Der schmeckt aber gut!“, staunte sie.

„Ja, klar“, grinste Susanne, „Sonst würde ich ihn ja auch nicht trinken.“

Monika nahm noch einen Schluck, noch einen und noch einen. Und innerhalb kurzer Zeit war die Flasche zur Hälfte geleert.

„Mensch, nicht so schnell Monika!“ sagte Susanne. „Sonst schwankst du gleich. Ich bin das ja schon gewöhnt, eine halbe Flasche zu trinken. Das ist ein Klacks für mich, aber für dich ist das noch neu. Ich glaube, mehr als eine halbe Flasche geht auch nicht.“

Susanne nahm ihr Flasche aus der Hand und trank die andere Hälfte aus. Beide Mädchen fingen an zu kichern, wurden fröhlich und fingen an, sich Geschichten von früher zu erzählen. Schöne Geschichten, über die sie lachen konnten.

„Ach Susanne, jetzt merke ich es auch. Mir ist alles so egal geworden. Der Wein hilft mir auch.“

„Sag ich doch“, erwiderte Susanne.

„Jetzt haben wir zusammen ein Geheimnis!“

Freddy und Gerd standen vor ihrer Zimmertür. Sie verstanden nicht, was die Mädchen sagten, aber sie hörten die beiden lachen. Susanne bemerkte, das jemand vor der Tür war. Sie stand auf, ging zur Tür und lauschte, ob sie etwas hören konnte.

„Mit Susanne stimmt was nicht.“, sagte Freddy. „Sie geht immer ein paar Schritte zurück wenn ich auf sie zukomme.“

„Bei mir auch.“, meinte Gerd.

„Wir sollten das mal im Auge behalten.“

Als es Abend wurde, musste Monika mit ihrer Familie nach Hause gehen. Sie nahm ihren Bruder an die Hand. Jörg rannte los und zog Monika hinter sich her. Sie war immer noch benebelt vom Wein und stolperte beim Laufen.

Hoffentlich merken meine Eltern nichts, dachte sie.

Else schaute Monika einmal fragend an.

„Woher hast du denn so rote Augen?“

„Ich habe beim Toben mit Jörg etwas Erde in die Augen bekommen, Mama. Ist nichts schlimmes, juckt nur ein wenig.“

Zuhause angekommen ging Else in die Küche und kochte Kamillentee, damit Monika ihre Augen spülen konnte. Monika war heilfroh, dass ihre Lüge nicht aufgeflogen war. Sie ging mit dem Tee ins Bad, um ihre Augen brav zu spülen und schwor sich, nie wieder Wein zu trinken.

Hanna und Gerd saßen unterdessen in Hannas Wohnzimmer, in dem nun, seitdem Heinz nicht mehr da war, eine entspannte Atmosphäre herrschte.

„Weißt du“, sagte Hanna, „früher habe ich auch was getrunken. Zwar nicht so viel wie Heinz, aber mich beruhigte der Alkohol immer. Leider war ich dann aber auch oft gemein zu Susanne und das tut mir auch heute noch schrecklich leid. Das Mädchen konnte ja nichts dafür. Trotzdem habe ich meinen Kummer und die Sorgen zu oft an Susanne ausgelassen. Weißt du, Gerd, ich bete, das Susanne mir all das verzeihen kann!“

„Ich kann Susanne und ihre zukünftigen Reaktionen schlecht einschätzen nach dem, was du nach all den Jahren erzählt hast“, erwiderte Gerd.

„Dass beide Zwillinge die Wahrheit so locker aufnehmen kann ich mir allerdings nicht vorstellen. Ich habe das Gefühl, das sich Susanne verstellt und ihr das auch nicht schwer fällt.“

„Ja“, meinte Hanna, „es kommt mir auch komisch vor. Susanne war immer lieb nett zu allen Menschen und jetzt ist sie so launisch und oft extrem aggressiv.“

Susanne stand wie immer lauschend an der Tür und bekam das Gespräch mit.

Ja, soll sich Mama mal fragen, warum ich immer lieb und nett war, besonders zu alten Menschen. Einer musste doch das Geld in diese Scheiß-Familie bringen. Wenn nicht ich, wer dann? Hast du vielleicht mal einen Finger krumm gemacht? Von Heinz wollen wir mal gar nicht reden, dachte Susanne aufgewühlt.

Gerd hat Recht, ja, ich verstelle mich! Aber nicht Mama gegenüber. Meine Mutter mag ich. Gerd ist derjenige, den ich nicht leiden kann. Er kann mich mal! Kreuzweise kann er mich! Nach fast 18 Jahren meint der Knallkopf, so eben mal auftauchen zu können und den lieben Papa zu mimen! Mit mir nicht! Ich werde ihm schon zeigen, wozu ich fähig bin und dafür brauche ich keine 18 Jahre. Außerdem werde ich mal mit Monika sprechen. Ich hätte da so einiges mit ihr zu bereden!

Susanne spürte wieder ihre Wut in sich hochsteigen und ging so leise wie sie nur konnte in ihr Zimmer zurück.

„Bin mal gespannt, wann der Affe da unten wieder einen Abflug macht.“, murmelte sie.

Der kleine Peter bekam den letzten Satz seiner Schwester mit und sprach sie im Flur an.

„Susanne!“

Sie erschrak. Sie dachte, dass ihr Bruder doch schon längst schlafen sollte!

„Susanne, ich bin zwar noch jünger als du, aber ich kann genauso gut lauschen. Jörg sagt auch, das du böse geworden bist und immer mit allen meckerst. Der Gerd ist doch nett und lieb zu uns allen. Du warst immer für mich die große Schwester und etwas besonderes aber im Moment bist du komisch zu allen. Das macht mir Angst.“

„Peter!“ Susanne versuchte, sich zu beherrschen. „Was bildest du dir eigentlich ein? Du bist das Kind von einem gehässigen Säufer, der mich und Mama tyrannisiert und geschlagen hat. Halt Deine Klappe und vor allem: Halt dich da raus!“

Susanne ging wütend in ihr Zimmer und schlug die Tür mit voller Wucht zu.

Peter zuckte zusammen.

Morgens früh saßen Hanna, Gerd und Peter schon am Frühstückstisch, als Susanne die Küche betrat. Sie kam mal wieder viel zu spät.

„Susanne, du kommst zu spät zur Berufsschule“, sagte Hanna.

„Hab keine Lust. Ist sowieso alles blöde. Ich kann auch so allen die Haare schneiden“ entgegnete Susanne.

„Komm mal her, Peter, ich zeige mal was ich kann.“

„Ohne mich“, schrie Peter.

„Komm schon her, du Feigling“, lachte Susanne und sah ihn aus schmalen, bösen Augen an.

Sie hatte schlechte Laune und die ließ sie auch direkt an alle aus.

„Mama? Wie lange bleibt Gerd eigentlich noch hier?“

Die Frage kam so unverhofft, das Hanna nicht auf Anhieb die richtigen Worte fand. „Ich, ja weißt du, Gerd bleibt so lange hier, bis im Gasthaus ein Zimmer frei ist.

Warum fragst du, Susanne? Ich dachte du magst deinen Papa und freust dich über seine Anwesenheit.“

„Warum?“ schrie Susanne. „Ja warum wohl! Die Leute reden schon im Dorf über euch. Das ist mir total peinlich. Dieses ewige Gequatsche über uns. Erst über Heinz das ständige Theater und jetzt mit Gerd. Ihr schlaft doch zusammen, ich bin doch nicht blöd. Und ich lasse mich deswegen bestimmt nicht dauernd auf der Straße von Leuten beleidigen „Na Susanne. Den Säufer seid ihr ja jetzt los. Macht Ihr jetzt einen Puff auf?“ Mir reicht es!“

Susanne stand auf und fegte in ihrer Wut alles Geschirr vom Tisch auf den Boden.

Gerd stand auf. Drohend war sein Blick, als er auf Susanne zuging.

„Was fällt dir eigentlich ein, Susanne? Das geht dich gar nichts an, was deine Mutter und ich machen. Und im Dorf wird immer geredet. Das ist nichts neues. Heute über uns und morgen sind es andere, über die geredet wird. Und jetzt fegst du die Scherben vom Fußboden weg.“ Gerd kochte vor Wut.

„Mache deine Scheiße selber weg“, schrie Susanne „und hau hier ab!“

Susanne merkte, wie ihr Herz schneller schlug, sie spürte die Aggression in ihr hochkommen, die Verachtung und den Hass.

„Du bist auch Schuld. Spielst hier nach 18 Jahren den Vater und bringst alles durcheinander. Hättest du alles abgestritten, wäre es nicht so ausgeartet und Monika und ich hätten jetzt, wo Heinz tot ist, ein besseres ruhiges Leben. Aber du musstest ja bleiben!“

Susanne drehte sich auf dem Absatz um und rannte aus dem Zimmer.

„Bloß weg von dem Arschloch!“, fauchte sie vor sich hin.

Die Tage vergingen und Gerd dachte gar nicht daran in ein Gasthaus zu ziehen. Warum auch, bei Hanna ging es ihm gut. Selbst Peter bemerkte, das er nicht gehen wollte.

„Geht Gerd gar nicht arbeiten so wie Papa?“ fragte er eines Abends, als er mit seiner Mutter alleine in der Küche saß. Auch Susanne kam gerade nach Hause. Hanna, die Peter gerade auf seine Frage antworten wollte, öffnete Susanne die Tür. Hanna erstarrte. Susanne war völlig verändert. Die blonden langen Locken waren weg – stattdessen kurz und struppig geschnittene Haare und rot gefärbt – ja, rot gefärbt. „Was schaut ihr mich so an?“ sagte Susanne. „Sieht das nicht toll aus. Meine Freundin findet das super und die in der Berufsschule auch.“

Peter war wie erstarrt. Hanna war froh, dass sie auf seine Frage nicht mehr antworten und lügen musste.

„Du siehst blöd aus, Susanne“, meinte Peter. „Total blöd!“

Wieder öffnete sich die Tür und Gerd kam herein.

Gerd sah Susanne wie versteinert an.

„Nein!“ rief er fassungslos. „Das glaube ich jetzt nicht! Was ist aus meinem Engel geworden?“

„Dein Engel?“, brach es aus Susanne heraus. „ich war noch nie dein Engel. Sieh mich an, Gerd. Ich bin eine zauberhafte Hexe!“

Susanne lachte dröhnend bösartig. Sie drehte sich um und verließ die Küche lachend.

Gerd sah Hanna an.

„Mensch Hanna, das ist doch nicht normal. Und dieses bösartige Lachen.“

„Ich weiß es nicht, Gerd. Lass uns einfach nicht mehr darüber reden, dann wird auch Ruhe sein“, erwiderte Hanna.

Die Tränen stiegen ihr in die Augen. „Warum immer ich? Immer nur Ärger. Ich gebe bald auf.“

Peter zog sich an und ging zu seinem Freund Jörg.

„Mal sehen, was er davon hält wenn ich ihm das erzähle“, dachte er sich.

Rache nur der Teufel war Zeuge.

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