Читать книгу Rache nur der Teufel war Zeuge. - Dagmar Schulz - Страница 14

11.Kapitel

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Das idyllische, malerische kleine Dorf veränderte sich im Laufe der Jahre. Es wurde ein großes Einkaufszentrum gebaut, ein großer Vergnügungspark kam dazu, kleine Schmuckläden mit echtem Schmuck, Modeschmuckgeschäfte und sogar ein Spielkasino. Der Bürgermeister ließ sogar ein modernes Schwimmbad bauen mit Freibad, damit die Jugendlichen auch am Wochenende eine Beschäftigung hatten. Das verschlafene Nest entwickelte sich zu einer modernen Kleinstadt. Eine Disco kam dazu und ein neuer, größerer Friseursalon.

Susanne hielt weiter an ihrem Geheimnis fest. Sie ging weiter an das Regal, in dem inzwischen schon viele Flaschen fehlten und holte sich immer wieder einen Wein heraus.

Heute Abend wollte Monika kommen und da kann eine Flasche ja nicht schaden, dachte sie. Wie immer lauschte Susanne dabei in alle Richtungen, ob jemand kam. Erwischen lassen wollte sie sich ja nun nicht.

Hanna und Gerd hatten ihre neue Art akzeptiert. Sie ließen sie in Ruhe, wenn sie nach Hause kam. Susanne brauchte nur ihren diabolischen Blick mit den blitzenden Augen aufsetzen und schon sprach sie keiner mehr an.

Kein Theater mehr mit „Warst du in der Berufsschule?“ oder „Wie war die Arbeit?“ Endlich Ruhe!

Neuerdings schloss sie auch ihre Tür ab. Sie traute Gerd nicht und wollte verhindern, dass er ihr Zimmer durchsuchte. Susanne hörte laute Musik und trank wie eine Erwachsene Wein aus einem Glas, das sie aus der Küche mitgehen ließ. Sie hatte sich verändert. Sie war schnell, gerissen und viel selbstbewusster als früher. Sie hatte keine Angst mehr. Susanne nahm ohne viele Worte einen Stock, Stange oder egal, was sie in die Finger bekam, um sich ohne viele Worte zur Wehr zu setzen. Sie brauchte nicht immer ihre Ausdrücke – sie schlug zu. Schnell und zack! Niemand würde es mehr wagen, ihr etwas anzutun. Sie war schneller!

„Morgen wird es heiß werden“, dachte sie. „Da werde ich mal sonnen gehen. Vielleicht kommt Monika auch mit.“

Mittlerweile war die Flasche Wein leer.

Scheiße, murmelte Susanne, die Flasche ist schon leer.

Susanne spürte den Wein nicht, sie war daran gewöhnt.

Wenn die wüssten, das ich die Lehre hingeschmissen habe. Das habe ich ja gut hinbekommen. Die Alten merken ja echt gar nichts mehr, dachte sie mit bösem Funkeln in den Augen.

Susanne öffnete die zweite Flasche Wein.

„Hoffentlich kommt Monika bald. Morgen werden ich 19 und dann wird gefeiert bis zum umfallen.“

Es schellte. Monika kam und lächelte Gerd und Hanna freundlich an, die sich gerade eng umschlungen küssten.

Auch das noch, dachte Monika. Wie peinlich für Susanne!

Sie wusste ja, was Susanne von Gerd hielt.

„Wo ist Susanne?“, fragte sie Hanna. „Geh ruhig nach oben, Kleine. Susanne ist wie immer in ihrem Zimmer. Aber warte mal, ich wollte dich noch was fragen.“

Monika schaute Hanna verstört an.

„Was denn?“

„Sag mal, weißt du, ob Susanne noch zur Arbeit geht? Wir erfahren nichts mehr und ich mache mir Sorgen.“

Monika reagierte blitzschnell: „Na klar, ich sehe Susanne jeden Morgen zum Laden gehen und abends geht sie den gleichen Weg zurück nach Hause.“

„Danke“, sagte Hanna beruhigt.

Mensch, ich bin schon genauso wie Susanne, dachte Monika. Ich lüge genauso wie sie.

Sie ging hoch zu Susanne, die schon ungeduldig auf sie wartete. „Da bist du ja endlich. Das hat ja lange gedauert.“

Monika schilderte ihr das Gespräch mit Hanna und Susanne lachte hitzig auf.

„Super hast du das gemacht, Monika. Du bist doch meine Schwester.“

„Na klar“, erwiderte Monika, „meinst du etwa, ich haue dich in die Pfanne. Würdest du für mich doch auch machen, Susanne, oder?“

„Ja, ja,“ erwiderte Susanne, „natürlich. Schläfst du heute bei mir? Dann feiern wir unseren Geburtstag zusammen. Die kurze Zeit dazwischen ist doch egal. Wir sind Zwillinge.“

„Genau“, antwortete Monika, „Zwillinge!“,während ihr Blick auf die halbleere Flasche Wein fiel.

Susanne nahm eine bereits leere Flasche und schmiss sie mit Schwung aus dem Fenster.

„Da schaut eh keiner hin“, sagte sie. „Schau, da hinten wird gebaut und dort liegt eh Müll herum, sieh mal, sogar ein Dreirad.“

Monika griff zur halbvollen Flasche Wein und leerte den Rest in einem Zug.

„Übung macht den Meister“, lachte Susanne und schleuderte diese Flasche auch aus dem Fenster.

Monika blickte der Flasche nach.

„Sag mal, hast du gar keine Angst, das deine Mutter und Gerd dich dabei erwischen?“.

„Ach was!“, Susanne lachte. „Schau doch mal raus. Siehst du den kleinen Abgrund?Wenn man weit genug wirft, fliegen sie dort hin. Und mal ganz ehrlich, Monika, es wäre mir das auch egal.“

Beide Mädchen liefen abwechselnd im Zimmer, denn Susanne hatte inzwischen schon anderthalb Flaschen Wein getrunken und Monika eine halbe. Sie lachten und waren froh, dass sie nicht schwankend durch das Zimmer liefen.

Monika rief ihre Mutter an. Gerd hatte ein neues Telefon angeschafft, was Susanne natürlich zu Gute kam. Er meinte damals, dass er es bräuchte, falls er mal unverhofft weg müsse und Hanna fragte nicht weiter.

Monika ließ es lange klingeln und wollte gerade auflegen, als ihre Mutter sich doch meldete.

„Hallo Mama, kann ich bei Susanne schlafen? Wir werden doch beide morgen 19 Jahre alt und wollen reinfeiern.“

Else passte es nicht und sagte es auch.

Monika wurde wütend und gehässig zu ihrer sonst so lieben Mama.

„Was glaubst du eigentlich wer du bist?“, schrie Monika. „Du bist nicht meine Mutter und Freddy nicht mein Vater. Ich scheiß auf euch. Ihr seid für mich Betrüger. Ihr habt 18 Jahre ein falsches Spiel gespielt und noch etwas, Ihr könnt mir gar nichts mehr verbieten. Ihr beide seid grausam zu mir. Ich habe auch eine Seele und Ihr habt mir verdammt weh getan – einfach alles kaputt gemacht.“

Else war geschockt über den Ausbruch Ihrer Tochter.

„Wir haben dich doch lieb, Kind!“

Monika schrie so laut, das sie ganz rot wurde und ihr die Luft weg blieb.

„Ich glaube euch gar nichts mehr. Ihr seid keine Eltern für mich. Ihr seid die größten Schweine, die hier im Dorf herumlaufen. Und noch etwas: Ihr seht mich nicht mehr wieder!“ Monika legte aufgeregt den Hörer auf.

Gerd und Hanna hörten das Geschrei und liefen ins Wohnzimmer. Sie waren entsetzt, das Monika so aus der Haut fuhr und ihre Mutter zusammenstauchte.

Susanne fing an zu lachen. „Wir sind wirklich Zwillinge!“

Monika ging mit Susanne die Treppe hoch in Susannes Zimmer. Monika war fix und fertig.

„Ich brauche jetzt was. Ich brauche einen Schnaps.“ Wein reichte ihr nicht mehr.

Klasse, freute sich Susanne diebisch. Jetzt habe ich sie in der Hand. Nur, wo bekomme ich jetzt den Schnaps her?

Monika war immer noch innerlich aufgewühlt.

„Die Arschlöcher haben alles kaputt gemacht. Jetzt mache ich alles kaputt! Meine Mama und mein Papa und mein angeblicher Bruder Jörg werden nach diesem Anruf bestimmt hier her zu Hanna und Gerd fahren.“

„Wie kommst du darauf?“, fragte Susanne.

Monika blitzte Susanne wutentbrannt an.

„Die hocken doch immer zusammen, wenn es was Schönes oder wieder mal Ärger gibt. Jetzt haben sie wieder einen Grund. Sie sagen bestimmt „die eine früher, die andere später!"Wir sind Zwillinge.“

Monika fiel der Keller zu Hause ein. „Susanne, wir haben im Keller Schnaps und Wein und wenn wir schnell sind und einen anderen Weg nehmen, sind wir schneller wieder zurück. Vielleicht noch schneller als meine ach so tolle Familie, die jetzt bestimmt total geschockt im Wohnzimmer sitzt.“

Monika war immer noch zittrig, aber dann musste sie lachen.

„Ich wäre gerne dabei gewesen, um ihre verdutzten Gesichter zu sehen. Weißt du, Susanne, für mich ist alles grausam und ich schwöre, das gibt Rache. Wie auch immer. Jetzt ist Schluss mit diesem geheuchelten Leben, endgültig Schluss!“

„Ja“ antwortete Susanne. „Alle werden dafür büßen, uns so etwas angetan zu haben. Wäre Gerd nicht gekommen und hätten alle geschwiegen, wäre heute noch alles in Ordnung. Aber so? Alles Scheiße!“

„Stimmt genau“, meinte Monika. „also hauen wir jetzt ab, sonst schaffen wir das nicht mehr, bis die alle eintrudeln.“

Susanne staunte und dachte: Mensch, ist Monika aggressiv, gemein und gehässig geworden. Sie ist total verändert.

Susanne ging also mit Monika den schnellsten Weg zu Monikas Haus, wo sie erst mal vorsichtig nachsahen, dass auch keiner mehr da war.

Die Mädchen hatten Glück. Keiner war zu Hause, aber das Fenster im Keller war verschlossen.

„Was soll das denn?“ sagte Monika zu Susanne. „Bis jetzt war das Fenster immer nur angelehnt, aber nie verschlossen.“

Susanne reagierte schnell. Sie griff einen Stein und schlug ihn gegen das Kellerfenster bis die Scheibe zerbrach.

„Oh je, das gibt Ärger.“ meinte Monika.

„Na und? Was haben wir damit zu tun?“

„Auch wieder wahr“ grinste Monika. Da sie sehr schlank waren, hatten sie keine Probleme, durch das schmale Kellerfenster in den Keller zu gelangen. Alle Flaschen standen ordentlich sortiert in Regalen. Susanne staunte, als sie die große Auswahl sah. Monika sah sich um und nahm vorsichtig zwei Weinflaschen aus dem linken Regal. Dann suchte sie den Schnaps.

„Eine Flasche reicht uns, oder?“ fragte sie.

Susanne nickte.

Monika stellte alles vorsichtig wieder zusammen. Dann stiegen beide Mädchen nacheinander aus dem Fenster. Monika zuerst. Sie nahm die Flaschen an. Susanne folgte ihr.

„Was machen wir jetzt mit dem Fenster?“ überlegten sie.

Dann hatten sie die Lösung: Susanne nahm einen lockeren Busch, rupfte ihn aus der Erde und buddelte ihn mit den Händen direkt vor dem Fester ein. Monika wollte eigentlich Pappe davor stellen, aber die Idee mit dem Busch war einfach besser.

„Das merken die nicht, die gehen immer schnell in den Keller und schnell wieder rauf“, sagte Monika.

Beide Mädchen wickelten die Flaschen in ihre Jacken. Sie sahen auf die Uhr und bemerkten, dass es doch schon sehr spät geworden war. Sie hatten länger gebraucht als sie dachten.

„Mir reicht es jetzt“, giftete Monika und öffnete die Flasche Schnaps wie ein Profi. Susanne war erstaunt über das Verhalten ihrer Schwester.

„Trink einen Schluck, dann geht es dir auch besser.“

Susanne setzte die Flasche an und nahm einen großen Schluck.

„Hi Monika, der ist ja richtig süß und schmeckt klasse.“

Sie gab Monika die Flasche zurück, die sie wieder verschloss.

„Jetzt aber schnell!“

Da ja alles im Dorf verändert wurde, die Straßen wurden breiter gemacht, es gab gepflegte Wege wie in einer richtigen Kleinstadt, kamen beide auf dem Rückweg an einem kleinen Haus vorbei, vor dem am Straßenrand ein Fahrrad abgestellt war. Sie sahen erst das Fahrrad und dann sich an.

Monika drückte ihrer Schwester zwei Flaschen Wein in die Hand, die Susanne in ihre Jacke knotete und rollte dann ihre angefangene Flasche Schnaps in ihre Jacke. Sie schauten sich um. Keiner war zu sehen. Monika stieg auf das Fahrrad und Susanne setzte sich auf den Gepäckträger und hielt sich am Sattel fest. Monika trat in die Pedale und fuhr wie eine Wahnsinnige.

Kurz vor dem Haus von Susanne stiegen beide ab, schmissen das Fahrrad in ein Rosenbeet und kletterten leise an einer Leiter nach oben in Susannes Zimmer, die schon vorher ins Gras gelegt hatten. Vorsichtshalber hatten sie Susannes Zimmer abgeschlossen und die Musik laut gedreht, damit nicht auffiel, das sie weg waren.

Endlich waren sie wieder im Zimmer. Leise ging Susanne an die Tür. Sie hörte Stimmen und eine rege Diskussion. Sie setzten sich erst mal erschöpft hin und Monika sah Susanne aufmerksam an.

„Sag mal, warum trägst du eigentlich ein schwarzes Tuch um deine Haare?“

„Nur so“, meinte Susanne. „Ich wollte dich nicht schocken.“

„Schocken?“ fragte Monika. „Wieso schocken? Was hast du denn wieder angestellt?“

Susanne grinste frech, zog das Tuch vom Kopf und ihre knallroten kurzen Haare leuchteten Monika entgegen.

Sie starrte verblüfft ihre Schwester an.

„Was ist?“, fragte Susanne. „Gefällt dir das nicht?“

„Mann“, meinte Monika, „Du hast Mut! Aber mir gefällt es. Ich glaube, das mache ich auch, sonst sehen wir uns nicht mehr so ähnlich.“

„Es sind doch nur die Haare“, meinte Susanne.

Beide Mädchen schlichen dann, nachdem sie jeder noch einen Schluck aus der Schnapsflasche getrunken hatten, leise nach unten um mal wieder zu lauschen.

Sie steckten sich vorher schnell ein paar Bonbons in den Mund für den Fall, das sie erwischt würden. Es sollte ja schließlich ein Geheimnis bleiben mit dem Schnaps. Beide kamen sich sehr schlau vor in ihrem Tun. Dann standen sie an der angelehnten Wohnzimmertür.

Die Stimmen waren laut und sehr klar zu hören. Monika hatte recht, Tante Else und Onkel Freddy saßen bei Hanna und Gerd und alle vier diskutierten eifrig.

Jörg und Peter waren nicht zu sehen, die beiden wurden anscheinend nach oben in Peters Zimmer geschickt, damit sie von dem Gespräch nichts mitbekamen.

„War ja wieder klar“, sagte Susanne.

„Die quasseln viel zu viel!“

Sie sahen, das Gerd Hanna im Arm hatte. Heimlich hatten die Zwillinge die Tür vorsichtig etwas weiter geöffnet, um so besser sehen und lauschen zu können.

„Mensch, wir sind so schlau“, sagte Monika. „Und die da drinnen merken gar nichts."

Sie lauschten weiter.

„Wir sind zu weit gegangen“, hörten sie Else sagen. „Die Mädchen verkraften das nicht. Erst das Theater mit Heinz. Da war Susanne fix und fertig genug. Sie hat so oft bei uns geweint. Und dann das Theater mit dir, Gerd. Hanna, warum hast du das nur getan. Ich weiß, das Heinz dir viel angetan hat und du ihn fertig machen wolltest, was dir ja auch gelungen ist. Aber in deiner Wut hast du nicht an unsere Mädchen gedacht.“

Else fing bei ihren eigenen Worten an zu weinen.

Freddy nahm sie in die Arme und versuchte, seine Frau zu beruhigen, aber Else ließ sich nicht beruhigen.

„Meine Monika war immer ein liebes Mädchen, aber nach deiner Beichte flippt sie nur noch aus und ist nicht wiederzuerkennen. Sie ist wie eine Fremde für mich und Freddy geworden. Ich bereue zutiefst, das wir hierhin gezogen sind.“

Hanna erstarrte.

„Warum machst du mir jetzt Vorwürfe? Meinst du, es war leicht für mich, damals mein Baby abzugeben? Ich habe nächtelang geweint. Ich habe alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann und ich bereue es. Aber ich kann es nun mal leider nicht mehr rückgängig machen.“

„Susanne macht uns auch das Leben schwer“, erwiderte Gerd. „Habt ihr die Haare gesehen? Kurz und knallrot wie ein Teufel! Sie sieht wie ein Feuermelder aus. Ich schäme mich für das Mädchen. Sie wird doch erst 19 Jahre alt. Und dann dieses aggressive Benehmen von ihr. Wir sollten überlegen ob es nicht besser wäre, Susanne in eine Psychiatrie zu stecken, vielleicht besser noch beide Mädchen, Susanne und Monika. Dort können sie psychologische Hilfe bekommen. Wir schaffen das doch gar nicht mehr. Was sollen wir denn tun?“

Hanna und Else schwiegen. Sie wussten darauf keine passende Antwort.

Monika und Susanne starrten sich an. Sie verstanden sich auch ohne Worte.

„Das also auch noch“, flüsterten beide.

„Komm mit rauf“ sagte Susanne, „wir müssen uns was einfallen lassen. Wir brauchen einen Plan, um Gerd zu schaden und es muss sehr sehr schlimm sein.“

Rache nur der Teufel war Zeuge.

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