Читать книгу Rache nur der Teufel war Zeuge. - Dagmar Schulz - Страница 5

2. Kapitel

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Eines Tages nahm ihre Mutter sie beiseite und erzählte ihr, dass sie schwanger sei und Susanne bald ein kleines Geschwisterchen bekommen würde.

„Dein Vater wird sich dadurch bestimmt ändern und lieb zu uns sein, Schätzchen. Jetzt wird alles besser.“

Doch das war ein großer Irrtum.

Heinz quälte seine Frau zwar nicht mehr, was ihm große Mühe bereitete, doch nun war Susanne sein neues Frontalopfer!

Susanne musste die Wohnung putzen, spülen und waschen, bekam kaum etwas zu Essen und wurde von Heinz noch mehr geschlagen und getreten als früher. Und immer wieder gab es Tage an denen sie nicht die Schule besuchen konnte.

Zu seiner schwangeren Frau dagegen säuselte er:

„Du brauchst jetzt Ruhe. Das blöde Weib wird 12 Jahre alt und kann ruhig mal etwas für dich machen.“

Er aber ging weiter in die Kneipe und betrank sich bis zum Umfallen.

Die Dorfbewohner sprachen über ihn und die Schwangerschaft seiner Frau und er versuchte, sich nicht hinreißen zu lassen.

Er versuchte, ruhig zu bleiben und wenn er auf die Verletzungen seiner Tochter angesprochen wurde, antwortete er so ruhig er konnte:

“So ein Unfall passiert schon mal.“

Susanne hatte kaum noch Zeit für sich und ihre Freundinnen. Wann immer sie konnte, besuchte sie die Schule, lernte, ging für ein paar Mark für die alten Leute im Dorf einkaufen, kümmerte sich um den Haushalt und ging für ihre Mutter einkaufen. Dabei hatte sie wenigstens etwas Ruhe vor ihrem Vater.

Jeden Abend fiel Susanne todmüde ins Bett.

Dann wurde ihr Bruder geboren. Er war ein süßes und gesundes Baby.

Alle kümmerten sich jetzt nur noch um den Kleinen.

Niemand schenkte Susanne Beachtung, die weiterhin alleine den ganzen Haushalt erledigen musste.

Doch das alles war zu viel für sie. Susanne dachte in ihrer Verzweiflung darüber nach, wegzulaufen.

Aber wohin? Raus aus dem Dorf konnte sie nicht. Dafür hatte sie kein Geld. Und das Geld, was ihr von den dankbaren alten Leuten in die Hand gedrückt wurde, wurde ihr doch immer wieder weggenommen.

Und die Mutter fing jetzt auch noch an, ständig nur noch mit ihr zu schimpfen:

„Wir brauchen das Geld für dein Brüderchen. Geh mal öfter für die Alten einkaufen oder geh putzen. Streng dich mal an.“

Susanne verstand ihre Mutter nicht mehr.

Was sollte sie denn noch alles machen, fragte sie sich. Und warum schimpfte sie nur noch mit ihr?

Wie immer ging sie abends todmüde ins Bett. Am nächsten Morgen musste sie vor der Schule den Tisch decken und anschließend alles spülen und die Küche aufräumen.

Susanne erinnerte ihre Mutter mehr als einmal, dass sie zu spät kommen würde, wenn sie das jetzt noch alles verrichten müsse.

Aber die Mutter lachte nur und meinte:

„Mach dir dein Brot. Und renne dann halt ein wenig schneller. Ach ja, und vergiß nicht, die Windeln mitzubringen.“

Susanne schaute ihre Mutter aus großen Augen fragend an.

„Auf was wartest du noch?“ rief die Mutter.

Susanne antwortete leise mit gesenktem Blick:

„Ich brauch doch Geld.“

Da sprang ihre Mutter auf und schrie:

“ Du verdammte Göre! Wenn ich Geld hätte, würde ich die Windeln selber kaufen. Geh für die Alten einkaufen, schleppe ihre Taschen und lass dich ausgiebig bezahlen. Davon holst du die Windeln! Und wage Dich ja nicht, ohne sie nach Hause zu kommen!“

In diesem Augenblick kam Heinz aus dem Schlafzimmer und brüllte, was denn hier schon wieder los sei und was dieses Gezeter am frühen Morgen solle.

„Schatz, Susanne soll Windeln kaufen.“

„Dann kauf sie!“ schrie der Vater Susanne wütend an. „Oder bist du zu faul, für Deinen kleinen Bruder ein paar Windeln zu besorgen?“

Susanne begann zu weinen.

„Papa“, schluchzte sie erbarmungsvoll, „Ich bekomme kein Geld von der Mama für die Windeln.“

Heinz sah seine Frau an. Er war es bald leid mit diesem Weib und hätte sie jetzt am liebsten verprügelt, aber das konnte er nicht tun.

Er dachte an die Leute, die schon ständig gafften, um seinen Sohn zu bewundern.

Also zerrte er blitzschnell Susanne zu sich und prügelte wahllos auf sie ein.

Er konnte sich einfach nicht mehr beherrschen, zu sehr kochte die Wut in ihm.

Dieses dumme Balg kapiert es einfach nicht, dachte er.

Er schlug Susanne mehrmals mitten ins Gesicht und trat ihr mit voller Wucht gegen ihr Bein, woraufhin Susanne schmerzverzerrt zusammensackte und mit stockendem Atem nur noch schluchzen konnte.

Heinz tobte, er schäumte geradezu vor Wut.

„Hör auf zu heulen, sonst schlage ich dich tot.“, brüllte er. Das wäre vielleicht sowieso das Beste, dachte er. Dann wäre er sie los, dieses faule Miststück!

„Jetzt hau endlich ab!“, schrie Hanna ihre Tochter an.

Susanne zuckte zusammen. Warum war ihre Mutter jetzt auch so zu ihr. Das verstand das Mädchen nicht mehr.

Susanne packte mit zitternden Händen ihre Schulsachen und humpelte mit ihrem verletzten Bein so schnell zur Schule, wie sie nur konnte.

Es war zu spät.

Susanne kam wieder zu spät.

Ihre Wangen brannten noch immer von den brutalen Schlägen des Vaters und ihr Bein schmerzte höllisch.

„Was mache ich nur?“, fragte sie sich. „Ich mache nichts richtig.“

Susanne humpelte langsam bis ans andere Ende des Dorfes. Niemand sah sie. Sie war ganz alleine. Dort angekommen, setzte sie sich auf eine Bank und starrte vor sich hin.

Sie bemerkte nicht, dass es dabei immer später wurde und irgendwann die Dunkelheit einbrach.

Plötzlich schrak sie auf: „Die Windeln!“

Wie durch Geisteshand schoss es ihr wie ein Blitz durch den Kopf.

Sie sollte doch die Windeln für das Brüderchen mitbringen!

Aber woher sollte sie die jetzt noch bekommen? Alle Geschäfte hatten doch bereits zu.

Susanne hinkte langsam und hoffnungslos zu einem kleinen Abhang und schaute hinunter. Dort unten sah es so friedlich aus.

Diese grünen Bäume, deren Kronen sich langsam im Wind wiegten, die sanften Wiesen und Felder und diese gemütlichen Häuser, die von hier oben aus aussahen wie Spielzeughäuser.

Sie dachte, dass sie sich diese Stelle unbedingt merken müsse. Hier könnte sie vielleicht zwischendurch mal zu Ruhe kommen.

Dann drehte sie sich langsam um und machte sich auf den Heimweg.

Auf der Straße traf sie ihre Schulfreundinnen, die ihr zuriefen:

„Hi, wo warst du denn?“

Sie kamen näher und sahen, das Susanne humpelte und ihre Wange dick angeschwollen und blau war. Sie erschraken und fragten:

„Was hast Du gemacht? Du siehst ja schlimm aus.“

Susanne log – wie immer: „Ich bin ausgerutscht.“

Aber die Mädchen glaubten ihr nicht.

Sie wollten Susanne helfen. Aber wie?

Susanne flunkerte weiter, das sie verschlafen habe und deswegen nicht in der Schule gewesen sei. Dann wollte sie die Windeln kaufen und sei ausgerutscht.

Aber dann konnte sie nicht mehr und fing bitterlich an zu weinen.

Ihre Freundinnen trösteten sie:

„Susanne, wir wissen, wie du zu Hause behandelt wirst. Du musste uns nicht mehr anlügen und Windeln besorgen wir dir auch.“

Susanne wurde ruhiger.

Die Mädchen hielten zusammen. Das war der einzige Trost, den sie hatte.

Eine ihrer Freundinnen lief sofort zu ihrer Tante, die ebenfalls vor kurzem ein Baby bekommen hatte. Sie erzählte ihr, was bei Susanne zu Hause los sei und die Tante gab ihr lächelnd ein Paket Windeln und erwiderte kurz, dass so etwas bestraft werden müsse und schloss dann ihre Tür.

So also hatte Susanne endlich nach einem langen Tag die ersehnten Windeln.

Als sie nach Hause kam, sagte die Mutter kein Wort.

Sie nahm die Windeln und das Baby und ließ Susanne stehen.

Zu Essen war nur etwas trockenes Brot da. Susanne hatte so großen Hunger, dass sie das Brot ziellos in sich hineinstopfte und dann erschöpft zu Bett ging.

Rache nur der Teufel war Zeuge.

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