Читать книгу Rache nur der Teufel war Zeuge. - Dagmar Schulz - Страница 11

8.Kapitel

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Am nächsten Morgen standen beide im Bad und machten sich frisch.

Monika wandte sich zu Susanne und schlug vor:

„Du, was meinst du, sollen wir das nicht einfach vergessen? Dann sind alle vielleicht zufrieden. Wenn wir jetzt weiter fragen, kommen bestimmt Sachen ans Licht, die wir nicht wissen wollen.“

Susanne überlegte.

„Wir versuchen es. Die waren ja fertig genug und ich will auch meine Ruhe haben, genauso wie du.“

Beide Mädchen beschlossen, das Thema auf sich beruhen zu lassen und gingen fröhlich lachend in die Küche.

Dort angekommen erschraken sie. Hanna und Heinz saßen bereits am Tisch. Heinz trank mit zittrigen Händen seinen Kaffee. Auf der anderen Seite des Tisches saßen Else, Freddy und Gerd.

Was wollten die denn so früh schon hier, fragte sich Susanne, ließ sich aber nichts anmerken.

„Guten Morgen“, sagten Susanne und Monika wie aus einem Mund lächelnd.

„Habt ihr auch so gut geschlafen wie wir?“

„Na klar“, sagte Hanna. „Dann lasst uns mal jetzt frühstücken.“

Das Mittagessen stand schon vorbereitet auf dem Herd.

Es war Sonntag und nach dem Frühstück, bei dem alle eine gute Mine machten, gingen die beiden Mädchen in den Garten. Der kleine Peter lief ihnen auf seinen kurzen Beinchen hinterher. Er wollte mit den beiden fangen spielen. Auch Monikas kleiner Bruder Jörg wollte mit. Alle lachten. Doch Hanna und Else fingen ihre beiden Kleinen ein. Sie wollten, das die Mädchen einmal nur Zeit für sich hatten. Ihre kleinen Brüder würden ihnen ja nicht weglaufen.

„So wie jetzt stelle ich mir eine Familie vor,“ sagte Susanne, „so friedlich, kein Geschrei am frühen Morgen, keine Schläge, kein Alkohol.“

Doch Susanne hatte sich zu früh gefreut.

Genau in diesem Augenblick hörte sie die wütende Stimme ihres Vaters.

„Hanna, roll an!, schrie er. „Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“

Er brüllte so laut, dass alle zusammenzuckten.

Heinz hatte sich lange genug zusammengerissen. Als Alkoholiker hatte er es gelernt, perfekt zu schauspielern und den liebevollen Mann und Vater zu mimen. Aber was genug ist, ist genug! Es wurde auch mal wieder höchste Zeit, zu zeigen, wer hier der Herr im Hause war, dachte er.

Onkel Freddy stand auf und holte eine Flasche Bier für Heinz.

„Und wo ist mein Schnaps? Was soll ich mit Bier? Susanne!“, brüllte er, „bring mir meinen Schnaps!“

Susanne wollte wegrennen, aber Heinz war schneller. Er packte sie und schlug ihr mit der nackten Hand ins Gesicht. Er trag ihre Lippe, sie platzte auf und das Blut spritzte. Susanne schrie erschrocken. Gerd rannte auf die beiden zu und zog Susanne zur Seite. Heinz versetzte er einen kräftigen Schubs, so das er in die Büsche flog.

Hanna kam angelaufen. Sie sah Susanne blutverschmiert und fing an zu weinen. Else hatte direkt einen kalten Waschlappen zur Hand und lief in den Garten, um Susanne zu helfen.

Hanna zog Heinz aus den Büschen heraus und bei seinem Anblick konnte sie sich einfach nicht mehr zusammenreißen. Alles, was sie über die Jahre in sich hineingefressen hatte, schoss in einem aus ihr heraus:

„Was bildest du dir eigentlich ein, du versoffenes Stück Scheiße? Du kannst nichts, überhaupt nichts.“

Ihre Stimme überschlug sich und es brach weiter aus ihr heraus. „Du bist ein Trottel, ein Versager und noch etwas“, brüllte Hanna, „Susanne ist nicht deine Tochter!“

Sie lachte Heinz aus. „Du Versager, selbst das hast du nicht geschafft. Du hast ja nur gesoffen! Gerd ist Susannes Vater und auch der Vater von Monika!“

Jetzt war es raus.

Heinz sah Hanna an und sackte in sich zusammen. Mit so etwas hatte er nicht gerechnet. In ihm spielte alles verrückt. „Nicht meine Tochter? Du untreue Schlampe!“, schrie er. Heinz wollte aufstehen und Hanna angreifen, aber er hatte keine Kraft mehr und sank wieder in seinen Gartenstuhl.

Dann wurde es leise. Niemand sagte etwas. Man hätte eine Stecknadel fallen hören. Susanne und Monika starrten Hanna wie angewurzelt an. Fast sah es so aus, als ob die Mädchen nicht mehr atmen würden.

Sie schauten sich an, nahmen sich an die Hände, drehten sich um und gingen ins Haus.

Sie wollten nur noch weg. Denn das hatten sie nicht erwartet. Alles, aber nicht das!

In Susannes Zimmer angekommen standen die Mädchen immer noch unter Schock. Sie legten sich wie gelähmt auf Susannes Bett und keine sprach auch nur ein Wort.

Etwas später hörten sie Sirenen. Heinz hatte einen Schlaganfall erlitten und der Krankenwagen holte ihn ab. Der Arzt sagte, das der Alkoholkonsum in der vergangenen Zeit Ursache dafür sei und Heinz es vermutlich nicht schaffen würde. „Das ist mir egal“, sagte Hanna mit hartem Gesicht, „meinetwegen kann er verrecken.“

Heinz war kein unbeschriebenes Blatt. Der Arzt kannte ihn bereits.

„Wollen Sie mitfahren?“, fragte er vorsichtig.

„Nein!“, erwiderte Hanna. „Er hat uns genug angetan. Wir müssen jetzt erst einmal zur Ruhe kommen und ich möchte jetzt erst einmal zu den Mädchen hoch. Das ist wichtiger, als das Leben von dem versoffenen Kerl.“

Sie drehte sich um, ging zum Haus und ließ den Arzt stehen.

Freddy, Else und Gerd folgten ihr.

Von Schuldgefühlen geplagt gingen sie nach oben und klopften vorsichtig an Susannes Zimmertür.. Als niemand antwortete gingen sie herein und sahen, das beide Mädchen immer noch starr vor Schock auf dem Bett lagen und sich festhielten.

„Es tut uns leid“, sagten Hanna und Else wie aus einem Mund.

„Wäre ich mal nicht gekommen“, meinte Gerd.

Dann setzten sich alle zu den Kindern ans Bett und fingen an, in Ruhe zu berichten. „Heinz,“ sagte Hanna, denn Vater wollte sie jetzt nicht mehr sagen. „Heinz hatte damals schon immer sehr viel getrunken. Dadurch klappte das mit einem Baby nicht. Ich habe mir immer eine kleine Tochter gewünscht!“

Gerd hielt Hanna Hand und drückte sie sanft. Er wollte ihr etwas Kraft geben, die sie jetzt dringend brauchte.

„Es wurde später nur noch schlimmer“, sagte Hanna. „Tante Else bekam dann die Nachricht von ihrem Arzt, dass sie keine Kinder bekommen kann. Sie war damals schwer krank. Onkel Freddy und Tante Else wünschten sich aber so sehr ein Baby, das sie fast daran zerbrachen.“

Sie sah Monika bei den Worten an, die sich langsam zu regen begann und aus ihrem Schockzustand erwachte.

„Onkel Freddy und Tante Else wollten damals ein Baby adoptieren, aber die Behörden machten ihnen die Adoption schwer und es zog sich in die Länge. Dann traf ich durch Zufall Gerd. Er war von Anfang an liebevoll und höflich zu mir, ganz anders als Heinz.“

Sie sah Gerd dabei an und beide lächelten. „Heinz war wie immer besoffen und stänkerte herum. Er beleidigte alle und an jenem Abend eskalierte die Situation so stark, dass er einem Mann, den ich nicht kannte, in der Kneipe vor Wut mit voller Wucht eine Flasche auf dem Kopf zerschlug. Das Gericht verurteilte ihn damals zu 3 Monaten Haft.“

Hanna grinste innerlich. „Gerd war an diesem Abend auch da und versuchte mich zu beruhigen, weil ich einen Weinkrampf erlitten hatte. Er beruhigte mich und küsste meine Tränen weg. Als er mir näher kam bekam ich Panik und bin weggelaufen. Am nächsten Tag traf ich ihn durch Zufall wieder. Ich fühlte mich so einsam, weil Heinz in Untersuchungshaft saß und Gerd tat mir gut. Ja und dann.... dann ist es passiert, Susanne. Nach Heinz Haftentlassung habe ich ihm dann gesagt, das ich schwanger bin. Er hat sich gefreut. Er hat sich wirklich gefreut.

Gerd musste berufsbedingt ins Ausland. Auch er freute sich auf das Baby. Er meinte ständig, das ich mich scheiden lassen und für ihn entscheiden soll. Er würde wieder kommen und mich holen. Aber Gerd kam nicht zurück und so blieb ich bei Heinz. Wenn Heinz von meinem Fehltritt erfahren hätte, hätte er mich vermutlich totgeschlagen. Also habe ich geschwiegen und weiter behauptet, von ihm schwanger zu sein. Bei der Geburt stellte sich dann heraus, dass es zwei Babys waren. Weil Heinz immer gesoffen hatte und nie ins Krankenhaus kam, wusste er das auch nicht. Er ertrug das Babygeschrei nicht und damit begründete er sein Wegbleiben im Krankenhaus und auch im Kinderzimmer, als wir wieder zu Hause waren. Onkel Freddy und Tante Else kamen oft zu Besuch. Sie wussten, dass ihr zu zweit wart. Heinz ging immer nur von einem Baby aus und ertrank euer Geschrei in viel Alkohol. An jenem Abend ließ er sich so volllaufen, das er ins Bett torkelte und schrie

„Eines Tages packe ich die Göre in den Sack und ertränke sie wie ein elendiges Schwein.“

Freddy und Else waren beunruhigt. Sie hatten Angst, das was passieren würde, wenn Heinz erfährt, das es nicht ein sondern zwei Babys sind.

Else und Freddy mischten sich in Hannas Erzählung ein.

„Wie wolltest du auch zwei Kinder mit so einem versoffenen Kerl erziehen. Du hättest keine Chance gehabt.“

Hanna drehte sich zu den beiden Mädchen. „Wisst ihr, es war mir klar, dass ich in einem Notfall Schwierigkeiten haben werde, mit zwei Kindern zu flüchten. Eins ja, aber zwei würden sehr schwer werden. Und Heinz war unberechenbar. Ich hatte Angst, dass er euch etwas antut.

Ich habe meine Schwester angesehen, die immer noch kein Baby hatte und gemerkt, wie sie unter dieser Situation litt und dann kam mir eine Idee, mit der ich leben und die Sicherheit meiner Kinder gewährleisten konnte.“

Hanna fängt an zu schluchzen und ihr Hals ist wie zugeschnürt.

„Kinder, ich habe Else gesagt, das sie in euer Schlafzimmer gehen sie eine von euch beiden auf den Arm nehmen und mitnehmen soll. Ich habe ihr und Freddy gesagt, das sie weit weg ziehen sollen, damit ich das Baby nicht mehr sehe und mein Schmerz mit der Zeit nicht mehr so groß ist. Niemand sollte es erfahren, das ich aus Liebe und Angst um meine Kinder und zum Wohle meiner Schwester die Zwillinge getrennt habe.“

Gerd wurde blass. Er war entsetzt über das, was Hanna erzählte.

„Wäre ich nur hier geblieben, dann wäre das alles nicht passiert. Aber ich hatte keine andere Wahl. Ich wäre sonst arbeitslos geworden.“

Hanna erzählte weiter, denn sie war gar nicht zu stoppen. Die Worte, die seit fast 18 Jahre in ihrem Herzen eingeschlossen hatte, flossen aus ihr heraus wie ein Wasserfall.

„Susanne, mein Liebling, so kam es, das ihr getrennt wurdet. Tante Else nahm Monika auf den Arm und ging mit Freddy fort. Wir haben beide geweint, weil wir wussten, dass es ein Abschied für immer war und auch wir uns als Schwestern nicht mehr sehen würden. Mein Herz ist in dieser Nacht zerbrochen. Die Trennung von Dir, Monika, und auch die Trennung von Else war einfach zu viel für mich. Wir wussten damals nicht, ob wir uns noch einmal wiedersehen würden. Wir wussten auch damals nicht, das du und Monika Euch so ähnlich werden würdet, dass jeder euch verwechselte.“

Susanne und Monika hörten die ganze Zeit zu. Sie trauten sich nicht, auch nur ein Wort zu sagen, während Hanna berichtete, was damals geschah.

Susanne stand auf. Sie nahm ihre Mutter in den Arm und fing an zu weinen.

„Mama, wir bleiben immer zusammen.“

Dann ging sie zu Gerd und nahm ihn in den Arm.

„Du bist ab jetzt mein Vater – wenn du möchtest.“

„Natürlich, mein Schatz“, sagte Gerd. Er strahlte vor Glück. „Sicher will ich das. Ich habe schon viel zu viel versäumt.“

Auch Monika stand jetzt auf. „Mir ist endlich mal alles klar geworden. So ein Geheimnis mit sich herum zu tragen muss die Hölle für dich gewesen sein, Tante Hanna.“

„Ja, das glaube ich auch“,meinte Susanne.

„Ich habe dich lieb, Tante Hanna“, sagte Monika, „aber du bleibst meine Tante, denn meine Mama bleibt Else und mein Papa Freddy. Und dich, Gerd, habe ich auch lieb. Aber trennt uns nicht noch einmal. Solange Susanne und ich zusammen bleiben können ist alles gut.“

Mit so viel Vernunft der Zwillinge hatte keiner gerechnet. Heinz, der jetzt vermutlich um sein Leben rang, war aus den Gedanken aller Beteiligten verschwunden. Niemand interessierte sich für ihn. Er war Vergangenheit!.

Später am Abend kam die Nachricht, das Heinz verstorben sei, aber das wurde nur mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen. Getrauert hat niemand. Warum auch, die Ursache für Monikas und Susannes Trennung war endlich verreckt.

Rache nur der Teufel war Zeuge.

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