Читать книгу Rache nur der Teufel war Zeuge. - Dagmar Schulz - Страница 7

4.Kapitel

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Sie hörte ihre Mutter lachen und mehrere Stimmen.

Was ist denn hier los, dachte sie verwundert und betrat vorsichtig das Wohnzimmer. Sie glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Dort saßen fremde Leute und ein paar Kinder.

Neben ihrer Mutter saß die Frau von gestern, die sich ihr als Else vorgestellt hatte und die ihr den Schnaps für ihren Vater gekauft hatte und lachte.

Ihr Vater und ein fremder Mann unterhielten sich ebenfalls.

Else hielt ein Baby im Arm und sagte gerade:

„Jörg ist jetzt 1 Jahr alt und Monika ist 12 Jahre alt. Genauso alt wie deine Tochter Susanne.“

Das Mädchen Monika hatte kurze blonde Locken und saß ganz still neben ihrer Mutter.

Susanne raffte sich zusammen und sagte mutig „Hallo!“.

Alle verstummten und sahen Susanne an. Auch Susanne hatte blonde Locken, jedoch waren sie viel länger als die des anderen Mädchens.

Der Vater rief:

„Hallo Susanne. Schau mal, wir haben Besuch.“

Die Mutter meinte liebevoll säuselnd:

„Susanne, mein Engel. Das ist meine Schwester Else, ihr Mann Freddy und ihre Kinder Monika und Jörg.“

Susanne blieb der Mund offen stehen.

Mensch, waren ihre Eltern freundlich zu ihr, dachte sie.

Else, die Schwester ihrer Mutter, begrüßte Susanne, aber sie tat dabei so, als sähe sie Susanne zum ersten Mal.

„Schätzchen“, sagte ihre Mutter mit sanfter Stimme, „Deine Hausaufgaben kannst du später machen. Jetzt setz dich mal zu uns und iß mal von dem Kuchen.“

Diese Tonart kannte Susanne nicht. Monika setzte sich zu Susanne. Ihre kurzen Locken flogen bei jeder Bewegung hin und her und sie hatte ein liebes Gesicht.

Beide Mädchen unterhielten sich und verstanden sich prächtig und Susanne wünschte sich, dass dieser Tag nie zu Ende gehen sollte.

Monika und Susanne bekamen beide ihre Brüderchen in die Kinderwagen gelegt und schoben sie in Ruhe spazieren.

Monika erzählte Susanne, dass sie vor zwei Monaten hierher gezogen wären. Weg von der lauten Stadt in dieses Dorf und fragte, was im Dorf so los sei. Susanne plapperte und beide Mädchen gingen lachend nach Hause. Abends verabschiedeten sich alle voneinander und Tante Else und Onkel Freddy sahen Susanne an und meinten:

„Wir wohnen in dem roten Haus am Ende des Dorfes. Du kannst jederzeit kommen, so oft du möchtest.“

Susanne strahlte beide an: „Das mache ich, Tante Else. Ganz bestimmt sogar.“ Susanne war glücklich. Endlich hatte sie jemanden, der ihr vielleicht helfen konnte und sie war nicht mehr so alleine. Und Monika fand sie auch sehr nett!

Susanne räumte den Tisch ab und spülte das Geschirr. Da hörte sie, wie ihr Vater zu ihrer Mutter sagte:

„Jetzt haben wir die auch noch am Hals und das ausgerechnet in unserem Dorf.“ Susannes Mutter erwiderte: „Sie kommen bestimmt nicht so oft.“

Mehr hörte Susanne nicht, denn der Vater verließ den Raum und ihre Mutter brachte den kleinen Peter ins Bett.

Susanne erledigte alles und ging dann ebenfalls ins Bett. Sie wollte die Ruhe so richtig genießen.

Die Monate zogen so dahin, in denen Susanne getreten, geschlagen und angebrüllt wurde, ihre Mutter mal freundlich und mal aggressiv zu ihr war. Sie war sehr beschäftigt, hatte immer noch den Haushalt und zwischendurch auch das Baby zu versorgen, ging für die alten Leute wie gehabt einkaufen und wann immer sie Zeit hatte, traf sie sich mit ihren Freundinnen, besuchte Tante Else und Monika oder zog sich alleine an ihren Lieblingsplatz zurück.

Eines Morgens stand Susanne früh auf, um wie an jedem Morgen alles für das Frühstück herzurichten. Es war ruhig und sie überlegte, was wohl heute auf sie zukommen würde. Aber ihre schlechten Gedanken verschwanden schnell. Sie dachte an ihre Tante Else. Es war so schön, jemanden zu haben, zu dem sie hingehen kann, wenn es ihr schlecht oder auch mal gut geht. Sie dachte an Monika und daran, wie sie zusammen gelacht hatten. Dann kam Susannes Mutter mit dem kleinen Peter auf dem Arm in die Küche herein. Sie war freundlich und lobte Susanne sogar, als sie den gedeckten Tisch sah.

„Das hast du schön gemacht, mein Schätzchen! Heute Nachmittag gehen wir zu meiner Schwester. Du magst doch Tante Else, oder?“ säuselte sie.

Leise antwortete Susanne „Ja Mama, sie ist sehr nett zu mir und den Peter hat sie auch lieb.“

Während sie frühstückten, lächelte die Mutter vor sich hin. Der Vater fehlte. Heute war es einfach zu still. Susanne traute sich nicht, nach dem Vater zu fragen. Besser ist besser, dachte sie. Aber irgendetwas lag in der Luft, das spürte Susanne.

Langsam ging sie zur Schule. Auf dem Weg dorthin traf sie auch auf Monika, die ja seit einiger Zeit auch in diese Schule ging. Die beiden Mädchen sahen sich sehr ähnlich. Beide waren groß, schlank und hatten blonde Locken – Susanne lang und Monika halblang. Sogar die Lehrer trauten ihren Augen nicht, als beide Mädchen zum ersten Mal nebeneinander in den Klassenraum kamen.

Als die Schule aus war, gingen die beiden zu Susannes Lieblingsplatz.

Susanne sagte vorsichtig: „Hier komme ich öfters hin, weil es so schön ist.“

Monika sah sich um.

„Da hast du Recht“.

Die beiden setzten sich auf die Bank, die nahe am Abgrund stand.

Monika sah hinunter und meinte: „Ganz schön gefährlich hier!“

Der Abgrund war voll mit hartem Gestrüpp und Ästen und ein paar spitze Steine lugten aus dem trockenen Boden, der steil abging.

„Da würde ich gerne mal runter klettern.“

Susanne beugte sich vor und sagte: „Zu steil.“

Bei ihrem Glück würde sie sich noch verletzen, dachte sie, oder sich schmutzig machen und das hasste ihre Mutter. Dann würde es gleich wieder Ärger geben und es setzte wieder Prügel.

Die beiden unterhielten sich, aber Susannes Ton veränderte sich schlagartig, als sie an ihre Mutter dachte.

Monika zuckte erschrocken über Susannes geänderte Tonlage zusammen.

Dann standen sie auf, Susanne ging in Gedanken versunken den Weg zurück und Monika trödelte hinterher.

Was ist nur los mit Susanne, fragte Monika sich. Aber dann sagte sie sich, das sie das todsicher noch herausbekommen würde.

Als Susanne nach Hause kam, war es noch immer ruhig.

Keiner schimpfte und keiner schlug auf sie ein.

Heinz saß auf der Veranda – wie immer in Begleitung seiner Schnapsflasche. Als Susanne herein kam, sah sie, wie ihre Mutter den kleinen Peter fütterte.

„Hallo, mein Mädchen. Möchtest du dein Brüderchen weiter füttern? Dann kann ich noch den Rest der Wäsche bügeln, bevor ich zu Tante Else gehe. Ach ja, hast du nicht Lust mitzukommen?“

Susanne konnte es kaum glauben! Wieso ist Mama so freundlich zu mir, fragte sie sich. Es war fast genauso wie früher zwischen Mutter und Tochter.

Als sie fertig waren, gingen sie gemeinsam mit Peter, der zufrieden im Kinderwagen lag, zu Tante Else.

Monika freute sich wie eine Schneekönigin, als sie Susanne kommen sah. Die beiden hatten sich doch eben noch gesehen und sie war ganz erstaunt, ihre neue Freundin so schnell wieder zu sehen! Der kleine Bruder von Monika schlief wie Peter in seinem Kinderwagen, der im Garten stand.

Monika rannte wie ein Wirbelwind auf Susanne zu. Die beiden Mädchen prallten zusammen und landeten in einem Blumenbeet. Schnell standen sie auf und klopften sich lachend die Erde von ihrer Kleidern. Durch das Lachen der Mädchen wurden die beiden Babys wach und fingen an zu schreien.

Susanne erstarrte, sah Monika an und dachte:

„Verdammt, jetzt gibt es gleich richtig Ärger. Ich bin dreckig und die Kleinen haben wir auch wach gemacht.“

Susanne fühlte sich schuldig. Sie war ja immer die Schuldige. Von Anfang an war das so und diese Tatsache nagte an dem Mädchen. Ihr kam es so vor, als könnte sich sich gleich ein Schuld mit der Aufschrift „SCHULDIG“ umhängen. Da wüsste gleich jeder Bescheid!

Doch zu ihrem Erstaunen fielen keine bösen Worte. Tante Else sagte nur kurz:

„Seid doch nicht immer so wild miteinander!“

Onkel Freddy kam dazu und murmelte „Wo sie das nur her hat? Von mir nicht.“

Er war ein sehr ruhiger Mann, regte sich nicht lange auf und das Thema war damit für ihn beendet.

Susanne schaute im Wechsel zu ihrer Tante und zu ihrer Mutter. Die Frauen lächelten. Aber dieses Lächeln kannte das Mädchen – es war nicht echt.

Susannes Vater, der kurz darauf auch eintraf, rief direkt:

„Gibt es hier nichts zu trinken?“

Wie umgewandelt erwiderte Hanna:

„Wir haben Kaffee gekocht.“

Onkel Freddy trank so gut wie keinen Alkohol, er musste in seinem Beruf einen klaren Kopf behalten und daher gab es keinen Alkohol im Haus von Tante Else.

Das passte Susannes Vater nicht. Er zischte leise etwas vor sich hin, was aber niemand verstand.

Der Nachmittag ging viel zu schnell herum und Susanne schob am Abend den Kinderwagen nach Hause. Die Mutter war damit beschäftigt, ihren Mann an der Kneipe vorbei zu schieben, um so einen erneuten Alkoholexzess zu vermeiden.

Zuhause angekommen lief alles wie immer ab. Susanne ging in ihr Zimmer. Ihr Brüderchen weinte ein wenig, so dass Hanna begann, für den Kleinen leise ein Lied zur Beruhigung zu singen. Heinz saß beleidigt mit einem Rest Schnaps, den er noch in der Küche gefunden hatte, auf der Terrasse.

So müsste es immer sein, dachte sich Susanne und schlief ein.

Fast eine Woche lang hielt dieser Zustand des ruhigen Beisammenseins zusammen – bis der Vater einen Brief bekam. Er sollte in zwei Monaten versetzt werden. Seine Firma zwang ihn, in einer fremden Stadt zu arbeiten. Heinz regte sich so sehr auf, dass er wild herum brüllte, um seiner Wut Luft zu machen.

„Die sind doch alle bescheuert! Aufhängen sollte man die! Ich gehe da nicht arbeiten!“

Hanna seufzte innerlich. Wie schön es doch wäre, wenn ihr Mann mal weg wäre. Dann wäre sie ihn endlich mal für eine Zeit los und hätte Ruhe vor ihm, dachte sie.

„Hanna!“, brüllte er, „Stell dir das mal vor! Ich soll in die Stadt zum Arbeiten!“

Hanna versuchte, ihn zu beruhigen.

„Das ist doch nicht so schlimm.“

„Doch!“, schrie er sie an. „Ich bin dann mindestens für zwei bis drei Tage weg!“

„Schön!“, dachte sich Hanna heimlich und kicherte in sich hinein.

Susanne bekam das Geschrei ihres Vaters natürlich wieder mit und dachte:

„Vielleicht ist er nicht nur zwei bis drei Tage weg, vielleicht kommt er ja dadurch auch von der Flasche weg.“

Dabei grinste das kleine Mädchen diabolisch vor sich hin.

In dem Moment schien sie sich zu verändern. Sie war inzwischen 15 Jahre alt geworden und hatte schon lange nicht mehr den Verstand einer 12-jährigen.

Susanne war ein hübsches Mädchen geworden und das wusste sie auch.

Rache nur der Teufel war Zeuge.

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