Читать книгу Rache nur der Teufel war Zeuge. - Dagmar Schulz - Страница 6
3.Kapitel
ОглавлениеAm nächsten Morgen meinte ihre Mutter:
„Dein Brüderchen wird am Sonntag getauft und das kostet viel Geld. Wir können dir nichts zu Deinem 12. Geburtstag schenken“.
Das machte Susanne nichts aus. Sie wollte nur nicht mehr so schlecht behandelt werden.
Dann kam der Tag der Taufe, der Tag, an dem normalerweise das ganze Dorf zusammen kam. Doch der Tag lief anders als erwartet. Die Dorfbewohner, die sich zusammenfanden, gingen wortlos an Hanna und Heinz vorbei, um einen kurzen Blick auf das Baby zu werfen. Sie ignorierten sie völlig. Susanne jedoch bekam Schokolade von ihnen geschenkt, weil sie so ein liebes Mädchen sei und sie Mitleid mit ihr hatten.
Hanna und Heinz waren wütend. Wieso wird das Mädchen so gut behandelt und wir werden nicht beachtet, fragten sie sich.
Die Mutter veränderte sich immer mehr.
Susannes Bruder war ihr kleiner Prinz, ihr Sonnenschein. Susanne dagegen wurde nicht mehr beachtet oder von der Mutter angeschrien und verprügelt. Der Vater hielt sich etwas zurück, denn er wollte ja einen guten Ruf erhalten.
Nur was das leider schon zu spät. Einsehen wollte er das aber auch nicht. Schließlich war er seiner Meinung nach unschuldig. Diese blöden Weiber hätten doch an allem Schuld!
Also ging er weiterhin in die Kneipe und spuckte große Töne. Seine Kumpel sahen alle weg und der Wirt gab ihm nichts mehr zu trinken. Heinz schimpfte und tobte. Er bettelte sogar zeitweise. Dann ging er wütend nach Hause, packte Susanne und brüllte sie an.
„Alles deine Schuld, du freches Weib! Das machst Du wieder gut!Hau ab! Ich kann Dich nicht mehr sehen! Besorge mir Alkohol, egal woher! Ohne brauchst du nicht mehr nach Hause kommen!“
Er schüttelte sie dabei so sehr, das sich Susanne übergeben musste.
Da schrie er noch lauter:
„Mach die Sauerei weg und verschwinde! Aus meinen Augen mit dir!“
Susanne war sehr blass geworden, verließ das Haus und schlich wie ein geprügelter Hund ganz langsam durch das Dorf. Was sollte sie nun machen,fragte sie sich?
Sie traute sich nicht, ohne Geld in den Laden zu gehen.
Susanne stand zitternd vor der Tür. Auf einmal wurde sie von einer fremden Frau angesprochen, die ungefähr im gleichen Alter wie ihre Mutter zu sein schien.
„Hallo Susanne. Ich bin Else.“
Susanne sah sie erstaunt an, denn sie hatte diese Frau noch nie gesehen. Wo kam sie her und wo wohnte sie? Else merkte Susanne an, dass sie überlegte und erklärte ihr:
„Ich wohne mit meinem Mann Freddy und meinen 2 Kindern Monika und Jörg in einem Haus am Ende des Dorfes. Dort habe ich dich neulich auch gesehen.“
Susanne sah sie erstaunt an. Sie zitterte immer noch und wünschte sich, dass man es ihr nicht anmerken würde.
Aber Else merkte es, sah sie lieb an und meinte:
„Susanne, was hast du denn?“
Susanne sah die fremde Frau sprachlos an. Diese aber nahm das Mädchen an die Hand und ging mit ihr in den Laden.
Die Verkäuferin sah das Mädchen und die Frau fragend an. Susannes Stimme war sehr leise und zitterig.
„Ich soll eine Flasche Schnaps für meinen Vater kaufen.“
Weiter kam Susanne nicht, denn die fremde Frau legte Geld auf die Ladentheke und sagte zu der fassungslosen Susanne:
„Ist schon okay, mein Mädchen.“
Susanne bedankte sich schüchtern, nahm die Flasche und rannte los, bis sie abgehetzt vor der Haustür ankam.
Sie ging zu ihrem Vater, der in der Küche saß und stellte schweigend die Flasche Schnaps vor ihm auf den Tisch.
Er sah auf, erblickte die Flasche und schrie:
„Na geht doch, du faules Balg!“ und verzog seinen Mund zu einem breiten Lachen.
Susanne erledigte weiter ihre täglichen Aufgaben im Haushalt, zwar manchmal verspätet, da sie ja auch noch in die Schule und Hausaufgaben machen musste, aber es ging.
Nachdem sie damit fertig war, wollte sie raus. Sie fragte ihre Mutter, die nur murrte:
„Hau endlich ab.“
Susanne atmete auf. Sie dachte, dass das ja nochmal gut gegangen sei! Dieses Mal keine Schläge!
Sie schlenderte wieder zu ihrem geheimen Platz am Rande des Dorfes.
Dort hin, wo alles in Ordnung war.
Dieser Abend verlief so einigermaßen ruhig.
Als sie nach Hause kam, musste sie ihr Brüderchen baden und füttern. Das Baby war ganz ruhig in ihren Armen und sie genoss diese Harmonie. Dabei sang sie leise ein kleines Lied vor sich hin.
Ihre Mutter schaute ihr dabei zu und meinte dann freundlich:
„Das machst du gut mit dem kleinen Peter.“
Susanne fand das Verhalten ihrer Mutter unheimlich. So viel Freundlichkeit war sie einfach nicht gewohnt. Sie fragte sich, warum ihre Mutter auf einmal so ruhig und nett zu ihr war. Irgendetwas stimmt nicht.
Später ging sie in ihr Zimmer. Im Haus war alles sehr ruhig – zu ruhig.
Sie lauschte an der Türe.
Die Eltern saßen zusammen im Wohnzimmer, der Vater mal wieder mit der Schnapsflasche am Hals.
Susanne öffnete leise die Tür. So konnte sie hören und sehen, was Hanna leise zu ihrem Mann flüsterte.
„Meine Schwester hat mir geschrieben. Sie wollen uns morgen besuchen.“
Heinz schrie sofort los, was das Pack denn hier wolle.
Doch Hanna erwiderte nichts. Susanne schloss leise wieder ihre Tür und legte sich ins Bett. Das war es also, warum die Eltern sie in Ruhe ließen, überlegte sie. Und dass ihre Mutter eine Schwester hatte, wusste sie ja gar nicht. Ihre Mutter hatte nie darüber gesprochen. Mit diesen Gedanken im Kopf schlief Susanne erschöpft ein.
Am nächsten Morgen stand sie wie immer in aller Frühe auf, um schnell vor der Schule das Frühstück zu machen.
Ihre Mutter war sehr nervös und gereizt.
„Beeil Dich, Du Faulpelz“ schrie sie plötzlich Susanne an.
„Ich mach ja schon“ , murmelte Susanne leise.
Aber da schlug ihr die Mutter schon mitten ins Gesicht.
„Benimm Dich, Du Göre! Keine Widerworte in meinem Haus!“ schrie jetzt auch noch der Vater und trat Susanne in ihr Hinterteil.
Sie zuckte zusammen. Das war zu viel!
Schnell packte sie mit zitternden Händen ihre Schulsachen und rannte die Treppe herunter aus dem Haus, so schnell sie nur konnte. Ihre Wangen brannten und sie spürte einen stechenden Schmerz im Rücken.
Während der langen Unterrichtsstunden zitterten ihre Hände noch leicht und in ihrem Bauch rumorte es.
Sie war froh, als es endlich zum Schulschluss klingelte, stand auf und verließ, ohne jemanden anzusehen, die Schule. Es zog sie zu ihrem geheimen Ort, wo sich auf die Bank setzte und ihren Tränen freien Lauf ließ.
Ihre Freundinnen sahen ihr besorgt nach, ahnten, wohin Susanne ging und folgten ihr.
Als Susanne aus tränennassen Augen aufblickte, standen ihre Freundinnen vor ihr. Sie umarmten sich schweigend.
Es war schon fast 16.00 Uhr.
Susanne schlich mit gesenktem Kopf nach Hause.
Sie befürchtete, dass es jetzt zuhause wieder Ärger gab, weil sie zu spät war.
Zuhause angekommen, öffnete sie leise die Haustür und was sie dann hörte, ließ ihren Atem stocken.