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Zu den Legenden aufgeschlossen

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Waren Sie selbst überrascht, dass am Ende keiner mehr an Sie herankam?

Und wie, das sieht man auch daran, wie ich gejubelt habe.

Cancellara breitet schon vor der Linie die Arme aus, pumpt die Fäuste in die Luft. Kurz darauf liegt er in den Armen seiner Ehefrau Stefanie, die für die Mikrofone der herbeigeeilten Reporter hörbar laut schluchzt.

Mit Ihren drei Flandern-Siegen haben Sie mit den Rekordsiegern Tom Boonen, Johan Museeuw, Eric Leman, Fiorenzo Magni und Marcel Buysse gleichgezogen. Wie wichtig war das?

Im Vorfeld habe ich da nicht dran gedacht, hinterher hat es mich schon sehr gefreut, zu diesen Legenden aufzuschließen.

Welcher Flandern-Sieg war der wichtigste?

Der 2013.

Weil das Vorjahr rein psychologisch schwierig für Sie war?

Richtig, in dem Jahr war viel passiert: Ich war 2012 zweimal aus eigenem Verschulden gestürzt, in Flandern und bei den Olympischen Spie len in London. Außerdem wurde meine Tochter vor dem Londoner Rennen geboren, nach einer schwierigen Schwangerschaft, und musste danach aber direkt wieder ins Krankenhaus… Ein bewegtes, auch schwieriges Jahr. Deshalb war der Flandern-Sieg 2013 wie eine Befreiung.

Die Probleme, mit denen Cancellara 2012 zu kämpfen hatte, waren nicht neu für ihn. Schon zu Beginn seiner Profikarriere bei Mapei monierte der damalige Sportliche Leiter Roberto Damiani, dass Cancellara oft selbst bei Rennen im Kopf woanders – hauptsächlich bei der Familie – sei. Bjarne Riis, Teamchef bei der dänischen Mannschaft CSC, für die Cancellara ab 2006 fuhr, kritisierte wiederholt dessen grundsätzliche Einstellung. In einem Interview für das Buch »Fabian Cancellaras Welt« erklärte er: »Er verliert so schnell seine Form. Er geht heim, trainiert nicht, hat hunderttausend andere Sachen im Kopf und vergisst, Radprofi zu sein.« Letztlich sei das auch der Grund gewesen, warum Cancellara nie den Gesamtsieg großer Rundfahrten wie der Tour de France erzielt habe: Dafür hätte er mehrere Wochen ins Höhentrainingslager fahren und fünf bis acht Kilogramm abnehmen müssen – wozu der Schweizer nicht bereit gewesen sei. Dessen Motto stattdessen: mit allen Mitteln erfolgreich, aber mit überschaubarem Aufwand, um der Familie nicht noch mehr Entbehrungen aufzubürden.

Auch wenn Motivationsprobleme ein Dauerbegleiter in Cancellaras Karriere waren, so stark ausgeprägt wie in dem bewegenden Jahr 2012 waren sie nie. Nach den Olympischen Spielen in London, wo er im Straßenrennen 15 Kilometer vor dem Ziel in aussichtsreicher Position liegend stürzte und dann auch im Zeitfahren mit Platz sieben die angestrebte Medaille deutlich verpasste, verzichtete er auf alle weiteren Wettbewerbe des Jahres, fasste sein Rad sogar zwei Monate nicht an und suchte sich psychologische Hilfe. Ziel: eine bessere Work-Life-Balance, aber auch ein besserer Umgang mit dem hohen Erwartungsdruck.

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