Читать книгу Ängste, Panik, Sorgen - Daniel Voigt - Страница 12
2.1.1.2Individuelle Ebene: Diagnosen als Hypothesen mit Vor- und Nachteilen
ОглавлениеDiagnosen sind in der Logik des Gesundheitswesens die notwendige Zugangsvoraussetzung für Hilfen. Für Menschen, die eine krankenkassenfinanzierte Psychotherapie aufsuchen, gilt darum: Ohne Diagnose keine Therapie.
Welchen Unterschied macht es nun, ob wir das Erleben und Verhalten einer Person als berechtigte, vielleicht auch zu überwindende, dabei aber normale, gesunde Angst ansehen oder ob wir es mit dem Etikett einer psychischen Störung und einer Diagnose versehen?
Diagnosen lassen sich als Hypothesen bzw. Heuristiken verstehen, die dem Ziel dienen, therapeutisch hilfreich zu sein. Der Sinn solcher Heuristiken und die Prüfung der diagnostischen Hypothese ergibt sich daher aus ihrem therapeutischen Nutzen, so wie sich aus konstruktivistischer Sicht die Richtigkeit einer Konstruktion aus ihrem kommunikativen Nutzen ergibt (Ludewig 2009, S. 32 ff.). Eine objektive Bewertung in »krank« oder »nicht krank« bzw. »richtige« und »falsche« Diagnosen ist hingegen weder vollständig möglich noch sinnvoll.
Die Bewertung als »krank« oder »gestört« und die konkreten Diagnosen sollten daher auf ihre hilfreichen und schädlichen Auswirkungen geprüft werden: Welche möglichen Vor- und Nachteile ergeben sich aus einer Diagnose für die betroffenen Patienten, deren Bezugssystem sowie die beteiligten Professionellen (siehe Kasten 1)?