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2.3Spezifische Phobien

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Frau N., eine 24-jährige Studentin, berichtet über massive Flugangst:

»Schon Tage vor einem Flug bin ich so angespannt, dass ich nachts kaum schlafen kann. Wenn es dann so weit ist, habe ich die ganze Zeit im Flugzeug das Gefühl, keine Luft zu kriegen, und irgendwie Angst zu sterben. Vor allem bei Turbulenzen ist es eine Katastrophe – bei einem Flug vor ein paar Jahren habe ich die ganze Zeit geweint vor Angst. Das war mir so peinlich, seitdem bin ich nicht mehr geflogen. Erst jetzt in meinem Studium muss ich für Masterarbeit und Auslandssemester wieder fliegen. Zweimal hat mir der Hausarzt dafür Tavor2 verschrieben. Das hat es einigermaßen erträglich gemacht, ich habe aber inzwischen Angst, davon abhängig zu werden, denn beim letzen Flug musste ich das schon Tage vorher nehmen, um die Zeit bis dahin irgendwie durchzuhalten.«

Die Patientin berichtet, dass sie die Flugangst schon lange kenne, erstmals sei sie aufgetreten, als im Alter von 14 Jahren auf einem gemeinsamen Flug ihr Onkel bei einem Asthmaanfall erstickt sei. Jetzt beim Darübernachdenken falle ihr ein, dass sie danach mehrere Monate nur flüsternd habe sprechen können. Das sei dann irgendwie von allein verschwunden. Sie habe kürzlich erstmals auch beim Autofahren auf der Autobahn so ein mulmiges Gefühl gehabt und wolle nicht, dass die Angst dahin »überschwappe« – darum, und weil die Medikamente ihr zu gefährlich seien, suche sie jetzt psychotherapeutische Hilfe.

Hauptmerkmal der spezifischen Phobien ist die massive und anhaltende Furcht vor bestimmten Objekten (z. B. Spinnen, Spritzen) oder Situationen (z. B. Fliegen mit dem Flugzeug, Gewitter), die wenn möglich vermieden oder nur unter großer Angst ertragen werden. Die Betroffenen schätzen ihre Angst selbst als übertrieben oder unbegründet ein, was aber nicht zur Beruhigung führt. Die Aufmerksamkeit der Betroffenen ist meist in einer Hyperfokussierung stark auf die rechtzeitige Erkennung der jeweiligen Gefahr und deren Vermeidung ausgerichtet. Diese Überaufmerksamkeit geht mit erhöhter Erregung einher, was dazu führt, dass selbst kleine Störungen oder allein die gedankliche Beschäftigung mit der Gefahr (zum Beispiel das Sprechen über Hunde oder fernes Bellen) bereits heftige Erregungszustände bis hin zu Panikattacken auslösen.

Häufigkeit und Typen spezifischer Phobien

Spezifische Phobien sind sehr häufig – bis zu 20 % aller Menschen erfüllen die Diagnosekriterien irgendwann in ihrem Leben, davon Frauen bis zu dreimal häufiger als Männer. Die Phobien sind trotz ihrer Häufigkeit jedoch selten der Grund für die Aufnahme einer Psychotherapie. Betroffene können trotz Vermeidung oft ein Leben ohne drastische Einschränkungen führen.

Die bis zu 200 beschriebenen Formen spezifischer Phobien werden meist in folgende Typen unterteilt (vgl. Morschitzky 2009, S. 78 ff.):

Tiertyp: Die Furcht vor Hunden, Insekten (Spinnen, Bienen), Schlangen oder Mäusen, Katzen und Pferden beginnt oft schon in der Kindheit. Vor allem die häufigen Spinnen- und Schlangenphobien sind jedoch stärker durch Ekel vor möglicher Berührung als durch Furcht vor tatsächlicher Schädigung gekennzeichnet. Ekel ist häufig schwerer überwindbar als Angst.

• Der Naturgewalten-/Umwelttyp bezieht sich auf Furcht vor Höhen, Tiefen, Gewitter, Sturm, Feuer, Wasser oder Dunkelheit. Auch diese Ängste beginnen oft früh, zum Teil als entwicklungsphasentypische Kinderängste.

• Beim Blut-/Spritzen-/Verletzungstyp besteht Furcht vor dem Anblick von Blut, einer Verletzung oder Injektionen, was sich häufig auf medizinische Behandlungen allgemein ausweitet (Arztoder Zahnarztbesuche). Wichtige Besonderheit dieses Typs ist, dass Betroffene oft tatsächlich ohnmächtig werden, im Gegensatz zu anderen Angstpatienten, die dies meist nur befürchten. Es kommt beim Anblick von Blut oder Verletzung nach kurzer sympathischer Aktivierung (Herzschlag- und Blutdruckerhöhung) dann aber zu einem parasympathisch über den Vagusnerv gesteuerten Absinken der Herzfrequenz mit Schwindel und Übelkeit bis hin zur Ohnmacht. Dieses spezielle Muster zeigt oft familiäre Häufungen, wobei sowohl genetische als auch soziale Prozesse eine Rolle spielen können.

• Der situative Typ bezieht sich häufig auf die Furcht vor Beengung, wie bei der Benutzung von Verkehrsmitteln (z. B. Flugzeug) oder engen Räumen (z. B. Aufzug). Höhenangst mit Schwindel und Furcht vor dem Herunterfallen wird auch unter diesem Typ eingeordnet. Die vegetative Erregung kann sich bis hin zu Panikattacken steigern. Herausfordernd ist hier manchmal die Abgrenzung zur Agoraphobie: Bei der spezifischen situativen Phobie gibt es eng umgrenzte Auslöser für das Erleben von Enge und »Nichtwegkommen« (z. B. Fliegen), während dies bei der Agoraphobie durch eine Vielzahl von Situationen ausgelöst werden kann.

Andere Typen: Hier sind verschiedene Ängste zusammengefasst, wie die vor lauten Geräuschen, kostümierten Figuren sowie vor Verschlucken oder Ersticken beim Essen.

Nur selten treten spezifische Phobien allein auf – die Komorbidität mit anderen Störungen ist mit ca. 80 % sehr hoch, meist sind dies andere Angststörungen, Zwangs- oder depressive Störungen.

Ängste, Panik, Sorgen

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