Читать книгу Ängste, Panik, Sorgen - Daniel Voigt - Страница 24
2.10Andere Störungen, bei denen Angst im Vordergrund steht 2.10.1Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS)
ОглавлениеAngst, Übererregung und Vermeidung sind Symptome sowohl der PTBS als auch von Angststörungen. Dies spiegelt sich in hoher Komorbidität zwischen beiden Störungsgruppen wider. Gründe dafür scheinen sowohl unscharfe Abgrenzung bzw. Überlappung der diagnostischen Kriterien zu sein als auch gemeinsame Prozesse der Auslösung und Aufrechterhaltung der Störungen.
Sowohl im DSM-5 als auch in der ICD-11 wird die PTBS durch folgende Symptombereiche beschrieben:
1. Wiedererleben: »Verrutschen in der Zeit«
Tauchen sensorische Trigger auf, die an das alte Erleben erinnern, so kann dadurch ein dissoziatives Wiedererleben der alten Erfahrung in Form von Flashbacks, Albträumen oder sich aufdrängenden Erinnerungen ausgelöst werden. Die alte Erfahrung wird jedoch meist nicht als Erinnerung empfunden (d. h. vergangen, raumzeitlich eingeordnet), sondern als gegenwärtig: »Es passiert gerade jetzt!«
Beispiel: Ein Klient stellt fest, dass das körperliche Erleben der Panikattacken, die er bisher meist in Überforderungssituationen erlebte, dem Körpergefühl in Situationen aus der Kindheit ähnelt, wenn der Vater in manische Erregungszustände abglitt.
Das Wiedererleben der alten Erfahrung geschieht dabei oft nur in Fragmenten (z. B. nur Bilder oder Gefühle oder Körperreaktionen), z. B. könnte der oben beschriebene Klient Panik und Ekel in Intimsituationen empfinden, ohne dabei Bilder der alten Situation vor sich zu sehen oder die erlebten Gefühle damit bewusst zu verbinden.
2. Übererregung und veränderte Reaktivität
Traumatisches Erleben ist meist mit Übererregung (Hyperarousal) verbunden. Dies zeigt sich in Form von Schreckhaftigkeit, unspezifischen Ängsten, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Unfähigkeit zu entspannen und schneller Auslösung von Panikattacken oder Wutausbrüchen.
3. Vermeidung
Vermeidung dient dazu, das mit starker Furcht, Angst oder Ekel verbundene Wiedererleben der alten Erfahrungsfragmente vorsorglich zu unterbinden. Vermieden werden dabei sowohl konkrete äußere Situationen und Trigger mit Bezug zum Trauma (z. B. Autofahren nach Unfall, intime Beziehungen nach sexueller Gewalt) als auch traumabezogene Gefühle, Gedanken/Assoziationen und Beziehungen, was oft mit Entfremdung sowie der generellen Vermeidung von Nähe und Vertrauen einhergeht.
Im DSM-5 wird als Symptomgruppe zusätzlich »negative Veränderungen in mit dem Trauma assoziierten Kognitionen oder Affekten« aufgeführt, das sind z. B.:
• die Unfähigkeit, wichtige Aspekte des traumatischen Ereignisses zu erinnern
• anhaltende oder übersteigerte negative Überzeugungen in Bezug auf die eigene Person, andere Personen oder »die Welt«
• anhaltende veränderte Gedanken über die Ursache oder die Folgen des traumatischen Ereignisses
• anhaltend negatives Gefühlserleben, wie z. B. Angst, Schuld, Schamgefühle
• deutliche Verminderung von Interesse oder sozialen Aktivitäten
• Gefühl der Losgelöstheit oder Entfremdung von anderen
• eingeschränkte Wahrnehmung von positiven Affekten, z. B. die Unfähigkeit, zärtliche Gefühle zu empfinden.
In der ICD-11 findet sich dieser zuletzt genannte Symptombereich v. a. in der neu eingeführten Diagnose »komplexe PTBS« wieder. Diese komplexe posttraumatische Belastungsstörung umfasst neben den Symptomen aus den oben genannten drei klassischen Symptomgruppen der einfachen PTBS zusätzlich:
• Probleme in der Emotionsregulation,
• ein negatives Selbstbild verbunden mit Gefühlen von Scham, Schuld oder Versagen sowie
• Schwierigkeiten in den Beziehungen zu anderen Personen und dabei, anderen nah zu sein.
Typische Traumafolgen sind zudem eine große Bandbreite an weiteren dissoziativen Symptomen, wie z. B.:
• Amnesien
• Schmerzunempfindlichkeit, unklare und wechselnde körperliche Beschwerden
• Depersonalisation, z. B. das Erleben, aus dem eigenen Körper herausgehen zu können
• Derealisation, z. B. veränderte Zeit- und Raumwahrnehmung (alles wie von Ferne oder durch einen Schleier wahrzunehmen, Tunnelblick, schwankender Boden)
• Dämmer- oder Trancezustände
• plötzliche schwere Wutausbrüche ohne erkennbaren Grund.
Sowohl Angststörungen im engeren Sinn als auch die PTBS sind mögliche Traumafolgestörungen. Praktisch orientiert sich die diagnostische Abgrenzung am Bezug der Symptome zu traumatischen Ereignissen und dem Kriterium des Wiedererlebens. Beides ist im Einzelfall oft nicht eindeutig.