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4. Kapitel

Als Devius am nächsten Morgen von der Ambulanz auf die Normalstation verlegt wurde und sein Zimmer bezogen hatte, kam sein behandelnde Arzt zu ihm, stellte sich ihm vor und besprach mit ihm die anstehenden Untersuchungen. So sollte bei ihm eine Kernspintomografie des Kopfes und ein Elektroenzephalogramm (EEG) gemacht werden. Dr. Hartmann erklärte ihm alle diagnostischen Maßnahmen sehr genau und strahlte dabei eine ausgesprochene Ruhe und eine hohe fachliche Kompetenz aus. Daher fiel es Devius leicht, Vertrauen zu ihm zu fassen.

Kaum hatte der Arzt sein Zimmer verlassen, wurde Devius auch schon von einem Krankenpfleger zu seiner ersten Untersuchung gebracht. In Laufe des Tages musste sich der junge Mann nun den verschiedensten Tests und Untersuchungen unterziehen. Da er ständig mit irgendetwas beschäftigt war, dachte er wenigstens eine gewisse Zeit nicht an die Probleme, die seine Seele quälten und seinen Geist verdunkelten. Als alle geplanten Untersuchungen abgeschlossen waren, teilte man ihm mit, dass ihm morgen während der Chefarztvisite die Ergebnisse mitgeteilt werden würden. Nun hatte Devius wieder ausreichend Zeit, sich Gedanken über seinen gesundheitlichen Zustand zu machen, zumindest bis sein Zimmernachbar ins Zimmer zurückkehrte.

Das war ein siebzig Jahre alter freundlicher Herr, der scheinbar schon lange keinen geeigneten Gesprächspartner mehr gehabt hatte und in Devius eine willkommenen Gelegenheit sah, um ausführlich seine Erkrankungen, aber auch eine Vielzahl von Geschichten aus seinem langen Leben schildern zu können. Das dauerte dann auch bis in den späten Abend und fast die halbe Nacht. Zumindest bis Devius vor Erschöpfung einschlief, was aber den älteren Herren nicht daran hinderte, weiter zu sprechen und von seiner Vergangenheit zu berichten.

Selbst als Devius nach einer sehr kurzen Nacht früh morgens durch seinen Alptraum geweckt wurde, war sein Zimmernachbar, der übrigens Anton Müller hieß und ein pensionierter Lehrer war, schon wach und begrüßte ihn mit einem fröhlichen

„Guten Morgen, junger Freund, Sie scheinen ja schreckliche Träume zu haben, so wie Sie im Schlaf stöhnen und schreien.“

Aber diese fröhliche und scherzhafte Fassade von Anton Müller war in Wirklichkeit nur aufgesetzt, denn in seinem Innersten hatte sein Mitpatient große Angst vorm Sterben und den damit verbundenen Schmerzen. Der ältere Herr litt nämlich, wie Devius in der letzten Nacht von ihm erfahren hatte, an einem inoperablen Hirntumor. Den versuchten die Ärzte durch eine neue spezielle Art von Bestrahlung, der Schwerionentherapie, zu bekämpfen. Die Heilungschancen dafür waren allerdings in seinem Fall nicht besonders hoch. Folgen des Tumors waren starke Kopfschmerzen und Gedächtnisstörungen, weshalb Anton Müller zusätzlich noch sehr starke Medikamente nehmen musste. Von denen hatte er allerdings den Eindruck, dass sie ihm nicht helfen würden. Anton fühlte sich daher im Moment der Schulmedizin ein wenig ausgeliefert.

Nachdem Devius sich gestreckt und seinem Mitpatienten ebenfalls einen guten Morgen gewünscht hatte, erzählte er ihm von seinen Problemen:

„Ja, ich leide jetzt schon eine ganze Weile an diesem Alptraum und habe dadurch große Schwierigkeiten. Gestern hatte ich zusätzlich noch eine Art Anfall, was mir einen ziemlichen Schreck eingejagt hat und weswegen mein Freund für mich einen Rettungswagen gerufen hat.“

„Das mit den Alpträumen kenne ich. Ich selbst habe jahrelang daran gelitten. Es ist wirklich schrecklich, nicht richtig schlafen zu können. Derzeit komme ich zwar mit sehr wenig Schlaf aus, aber das ist wohl eine Nebenwirkung der Medikamente. Das meinen jedenfalls die Ärzte.“

„Langsam bin ich wirklich am Verzweifeln. Ein bis zwei Nächte schlecht zu schlafen ist kein Problem, auch eine Woche würde man sicher durchstehen können, aber mehrere Wochen ohne richtigen Schlaf, das ist wirklich die Hölle. Jetzt ist auch noch dieser Anfall dazugekommen. Das ist alles fast schon nicht mehr auszuhalten.“ Devius schlug nun voller Verzweiflung seine Hände vors Gesicht und spürte eine würgenden Klos in seinem Hals. Wäre er in diesem Augenblick allein gewesen, hätte er seine Tränen nicht mehr unterdrücken können und sicherlich angefangen vor Kummer zu weinen.

Anton Müller, der Devius voller Mitgefühl betrachtete, ahnte, wie sich der junge Mann fühlen musste, und versuchte ihn ein wenig zu trösten:

„Ja, das glaube ich, junger Mann. Andererseits sollte man nie die Hoffnung aufgeben. Wie schon erwähnt, habe ich selbst ja sehr lange Zeit an schrecklichen Alpträumen gelitten. Mir ging es dabei ähnlich schlecht wie Ihnen. Am Schluss war ich fast völlig am Boden zerstört und musste deswegen sogar meinen Beruf aufgeben. Eines Tages habe ich dann per Zufall durch einen Bekannten die Adresse einer Heilerin bekommen. Nachdem ich bis dahin schon eine größere Anzahl von Ärzten und Quacksalbern ausprobiert hatte, aber mir keiner helfen konnte, war diese Dame meine letzte Hoffnung. Tatsächlich hat sie mich von meinen Alpträumen befreien können.“

„Und wie hat sie das gemacht?“ fragte Devius, der seinem Gegenüber zunehmend wacher und interessierter zuhörte.

„Tja, das ist eine gute Frage und ich habe damit gerechnet, dass Sie sie mir stellen werden. Aber ehe ich darauf antworte, muss ich noch ein paar Worte zu meiner Person verlieren. Wie Sie ja schon wissen, war ich viele Jahre Lehrer an dem Ludwig-Georgs-Gymnasium in Darmstadt. Meine Fächer waren Mathematik und Physik. Ich war also durch und durch Naturwissenschaftler. Bedingt durch meine Schlafstörungen musste ich diesen Beruf leider schon mit sechzig aufgeben und wurde frühpensioniert. Und Sie können mir glauben, dass ich aufgrund meiner naturwissenschaftlichen Ausbildung immer sehr großes Vertrauen in die Schulmedizin hatte und nicht im Mindesten esoterisch veranlagt war.

Das hat sich allerdings nach den Besuchen bei Frau Adler ziemlich schnell geändert. Silvia Adler hatte mich schon bei meinem ersten Besuch tief beeindruckt. Trotzdem sie jünger war als ich, machte sie ab der ersten Minute einen wissenden, ja fast weisen Eindruck auf mich. In unserem ersten Gespräch, das fast zwei Stunden dauerte, brachte Sie Dinge zum Vorschein, die völlig aus meiner Erinnerung verschwunden waren. Schon nach wenigen Sitzungen hatte sie die Lösung für mein Problem parat.“ Ehe der alte Lehrer seinen Bericht weiter fortführte machte er eine kleine Pause, um noch einmal tief durchzuatmen und um sicherzustellen, dass Devius aufmerksam war und er ihm gespannt zuhörte.

Und Devius hing wirklich an den Lippen von Anton Müller und war völlig fasziniert, von dem, was er ihm erzählte.

„Frau Adler fand heraus, dass es für meine Heilung von den Alpträumen unabdingbar war, mir eine Art Schutzschild aufzubauen, der dunkle Gedanken und Einflüsse von mir abprallen und gute und hilfreiche Dinge weiter an mich herankommen ließ. Um das zu gewährleisten, musste ich mir einen Ring anfertigen lassen, in dem ein spezieller Stein eingefasst wurde, den sie mir während unserer letzten Sitzung schenkte. Silvia Adler hat mir nie gesagt, welche Art von Stein das war, aber er hat gewirkt. Nachdem der Ring fertiggestellt wurde und ich ihn regelmäßig trug, hatte ich keine Alpträume mehr.“, fuhr Anton Müller mit seinen Bericht fort.

„Wäre es möglich, dass ich mir den Ring einmal anschauen kann?“ fragte Devius daraufhin den älteren Herrn. Antons Gesicht nahm einen leicht traurigen Ausdruck an, als er Devius antwortete:

„Ja, ich würde ihn gerne Ihnen zeigen, aber leider ist mir der Ring vor etwa einem Jahr abhandengekommen. Zwar haben die Alpträume glücklicherweise seitdem nicht mehr begonnen, aber kurz danach hat man diesen verdammten Hirntumor bei mir festgestellt.“

Nun war es Devius, der sein Gegenüber voller Mitgefühl anblickte, aufstand, zu ihm ging und ihm tröstend die Hand auf den Arm legte.

„Ja, das ist sehr bedauerlich zu hören. Ich ahne, wie sie sich damals gefühlt haben müssen. Hatten Sie denn mit Frau Adler keinen Kontakt mehr aufgenommen können, nachdem der Ring verschwunden war?“, fragte Devius interessiert nach.

„Leider bin ich nach der Entdeckung des Hirntumors in die Mühlen der Schulmedizin geraten und halte mich seitdem fast ständig in irgendwelchen Kliniken auf. Außerdem sind die Medikamente und die Strahlentherapie so kräftezehrend, dass ich keine Energie hatte, mich mit Silvia zu treffen oder überhaupt mit ihr zu sprechen.“, entgegnete Anton Müller.

„Wissen Sie denn, ob sie noch weiterhin praktiziert?“, wollte Devius wissen.

„Soweit ich gehört habe schon, allerdings soll sie wohl keine neuen Patienten mehr annehmen. Aber ich denke, wenn Sie ihr sagen, dass sie von mir geschickt wurden, dann wird sie vielleicht eine Ausnahme machen. Unser Verhältnis war am Ende der Behandlung doch sehr eng und ziemlich vertraut. Haben Sie zufälligerweise einen Zettel und Stift, dann schreibe ich Ihnen ihre Adresse und Telefonnummer auf?“ Devius ließ sich nicht lange bitten, sondern suchte aus seiner Jackentasche schnell einen kleinen Skizzenblock und einen Bleistift heraus, die er beide dem alten Herren ans Bett brachte. Dieser lächelte ein wenig über die Eile von Devius, schrieb dann aber wie versprochen die Adresse und Telefonnummer von Silvia Adler auf den Block und reichte dann beides an Devius zurück.

Devius, der sehr froh und dankbar für diesen Hoffnungsschimmer war, lächelte Anton Müller nun dankbar an.

„Am liebsten würde ich mich jetzt gleich auf den Weg zu Frau Adler machen und versuchen, mit ihr einen Termin zu vereinbaren. Aber ich denke, ich sollte die Chefarztvisite abwarten, um zu erfahren, was die Spezialisten zu meinem Zustand zu sagen haben.“

„Meiner Einschätzung nach dürfen Sie nicht zu viel erwarten, da von den Fachärzten zu wenig der Mensch in seiner Ganzheit gesehen wird. Dr. Hartmann stellt da sicherlich eine rühmliche Ausnahme dar, aber leider kann er sich oft gegen seinen Chefarzt nicht durchsetzen. Ich glaube, Sie werden gleich Gelegenheit haben das festzustellen. Denn wenn sich meine Ohren nicht täuschen, hat gerade die Chefarztvisite begonnen.“

Tatsächlich dauerte es nur wenige Augenblicke bis es an der Tür des Krankenzimmers klopfte und kurz darauf befand sich schon ein großer Tross an Ärzten und Krankenschwestern im Zimmer von Devius und Anton. Der Chefarzt sprach eigentlich kaum direkt mit den zwei Patienten, sondern schaute nur oberflächlich über die Krankenakte der Beiden und gab dann dem Oberarzt Dr. Hartmann und seinen Assistenzärzten Anweisungen, wie die weitere Behandlung aussehen sollte. Das einzige, was Devius dabei heraushören konnte, war, dass bei ihm kein organischer Befund vorlag, er aber trotzdem auf Verdacht erst mal sowohl ein Mittel gegen Depressionen und als auch ein Mittel gegen Epilepsie einnehmen sollte.

Ehe er und sein Mitpatient auch nur eine Frage stellen konnten, war das Zimmer schon wieder bis auf die zwei Patienten leer.

„Tja, da muss ich Ihnen wohl Recht geben, von ganzheitlicher Medizin kann man in diesem Fall nicht sprechen“ sagte Devius, dessen verdutzter Ausdruck auf dem Gesicht noch nicht ganz verschwunden war und Anton zu einem kleinen Lächeln verführte.

„Ich bin davon überzeugt, wenn Sie eine klare und unumstößliche Diagnose hätten, dass die Ärzte hier mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen würden, Sie zu heilen. Bei Ihnen, Devius, gehe ich aber eher davon aus, dass den Ärzten auf Grund der mangelnden Befunde nicht klar ist, an was Sie leiden. Daher befinden Sie sich noch im Stadium eines Versuchskaninchens. Frage ist, wollen Sie das oder wollen Sie doch noch lieber eine andere Meinung einholen?“ meinte Anton mit einem fragenden Ausdruck auf dem Gesicht zu Devius. Devius überlegte kurz, ehe er antworte und sagt dann:

„Sie haben es also auch so verstanden, dass entsprechend den Untersuchungsergebnissen kein organischer Befund bei mir vorliegt. Also weder ein Hirntumor noch irgendetwas anderes akut Bedrohliches bei mir festzustellen war?“

„Genau so habe ich es auch verstanden.“

„Na, dann werde ich sehen, dass ich hier möglichst schnell entlassen werde und Kontakt zu Frau Adler aufnehme.“

„Das würde ich an Ihrer Stelle auch tun.“, sagte Anton Müller nun mit einem aufmunternden Lächeln zu Devius. Devius war in diesem Moment natürlich sehr beruhigt, dass sein Leiden keine organische Ursache hatte, andererseits hatte er aber damit auch immer noch keine greifbare Lösung für seine Probleme. Er hoffte sehr, dass es ihm gelingen würde, mit Silvia Adler Kontakt aufzunehmen und mit ihr zu sprechen. Devius ahnte noch nicht, wie wichtig eine Begegnung mit Silvia Adler für sein weiteres Leben und das Wohl der ganzen Menschheit sein würde. Und wie viel er Anton Müller für diesen Hinweis verdankte.

Das dunkle Reich

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