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DREI

Europas Klassizisten und Gelehrte hatten die schriftlichen Aufzeichnungen über die antiken Spiele bewahrt und interpretiert, Archäologen und Altertumsforscher Olympia erforscht und ausgegraben, Literatur, Presse und Zirkus die Idee der Olympischen Spiele am Leben erhalten. Keiner von ihnen war jedoch auf den Gedanken gekommen, selber Spiele auszurichten oder die Kultur des antiken Sports mit den neuen Turn- und Leibeserziehungsbewegungen in Europa zu verknüpfen. Tatsächlich hatte es seit Robert Dovers Cotswold Games Mitte des 17. Jahrhunderts keine »Olympischen« Sportfeste mehr gegeben. Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde diese Idee in Deutschland, Frankreich und Schweden erstmals wieder aufgenommen. Doch die erfolgreichsten und einflussreichsten Bewegungen zur Wiederbelebung der Olympischen Spiele und diejenigen, die Coubertins eigene Vision nachhaltig prägten, entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts in Großbritannien und Griechenland. Dort war die Idee der Olympischen Spiele an mächtige gesellschaftliche Kräfte gebunden: im britischen Königreich das Aufkommen der Sportethik und moralischen Tugenden des modernen Sports, in der noch jungen griechischen Republik das Nationalgefühl.

Auch in Frankreich wurde den Spielen neues Leben eingehaucht, jedoch mit ganz anderen politischen Vorzeichen. Dort wurde die Wiederbelebung von Charles-Gilbert Romme vorangetrieben, einem der führenden politischen Köpfe der Französischen Revolution. Mitglied des Nationalkonvents und Anhänger von Robespierre, war Rommes wichtigster Beitrag die Schaffung eines neuen, rationalisierten Revolutionskalenders, der jeglicher royalistischer und religiöser Bezüge entledigt war und die Dezimalisierung nutzte, die mit dem neuen metrischen System eingeführt wurde. Fünf zusätzliche Tage wurden ergänzt, um ihn ans Sonnenjahr anzupassen, und alle vier Jahre gab es einen Schalttag. Romme glaubte, der Schalttag wäre eine schöne Gelegenheit, um öffentliche Feste und Spiele zu veranstalten: »Wir schlagen vor, dies die französische Olympiade zu nennen und das letzte Jahr das Olympische Jahr.«1 Der Vorschlag fand großen Anklang unter Republikanern aller Couleur. Pierre Daunou forderte: »Lasst Frankreich diese herrlichen Festlichkeiten als die eigenen übernehmen. Es ist an der Zeit, diese heilsame Erfindung wiederzubeleben: Versammelt dort die Ausübungen von allen Spielen, Musik, Tanz, Laufen, Ringen.« 1793 sprach Georges Danton, damals Leiter des ersten Wohlfahrtsausschusses, vor dem Nationalkonvent: »Eingedenk der Olympischen Spiele, beantrage ich, dass der Konvent das Marsfeld für nationale Spiele zur Verfügung stellt.«

Danton würde bald seinen Posten und dann seinen Kopf verlieren, aber die Idee von Spielen auf dem Marsfeld lebte fort. 1796 veranstaltete Paris die Olympiade de la République (Republikanische Olympiade), ein Volksfest mit Sport und Wettkämpfen, das Hunderttausende Zuschauer anlockte. Le Monitor berichtete, dass »sie den jungen Spartanern glichen, die, in der Arena der Olympischen Spiele geschart, der versammelten griechischen Bevölkerung ein leuchtendes Beispiel der Sitten der Nation gaben«. Geboten wurden »Spiele, Rennen, Übungen voller Bewegung und Pracht«. Herolde, die im republikanischen Rot, Weiß und Blau gekleidet waren, kündigten die Wettbewerbe an; Militärkapellen begleiteten die Rennen. Ein Pariser Metzger gewann den Ringkampf, der Langstreckenlauf ging an einen Sergeant-Major. Die Sieger wurden mit Lorbeer gekränzt, bekamen in Frankreich gefertigte Güter wie Pistolen, Säbel, Vasen und Uhren und hielten eine Parade vor der Menge ab. Zwei weitere olympische Feste wurden durchgeführt, und 1798 gab es sogar Forderungen, die Spiele, ebenso wie die Revolution, ins benachbarte Ausland zu tragen. Aber 1799 kam Napoleon an die Macht, und für Spiele war keine Zeit mehr, bis Coubertin fast ein Jahrhundert später auf den Plan trat und eine seriöse und tragfähige olympische Erneuerungsbewegung anstieß.

Das viktorianische Großbritannien war die dominante Macht der Epoche und gleichzeitig Erfinder und Verbreiter zahlloser moderner Sportarten. Außerdem war man der Schmelztiegel der modernen Sportethik, die Leibeserziehung als ein wesentliches Element der emotionalen, moralischen und intellektuellen Entwicklung ihrer Elite betrachtete. Die Briten scheinen deshalb als der logische Katalysator für die Erneuerung der Spiele. Es waren aber nicht die von aristokratischen Sportsmännern und Klassizisten wimmelnden Privatschulen oder Universitäten wie Oxford und Cambridge, die die olympische Idee aufnahmen, sondern Dr. William Penny Brookes, ein Arzt und Friedensrichter aus dem kleinen Marktstädtchen Much Wenlock in Shropshire.2 1850 rief er, als Unterabteilung der Much Wenlock Agricultural Reading Society, die Wenlock Olympian Class ins Leben, deren Ziel im Eröffnungsprotokoll dargelegt wurde: »Die Förderung der moralischen, körperlichen und intellektuellen Vervollkommnung der Bewohner der Stadt … mittels der Ermunterung zu Betätigungen im Freien und der jährlichen Verleihung von Preisen bei Volksversammlungen für Geschick in sportlicher Übung und industriellen Fertigkeiten«.

Noch im gleichen Jahr wurden die ersten Wenlock Olympian Games ausgetragen (und werden es, außer während der Weltkriege, bis heute). Überaus vielseitig, waren die Spiele eine Mischung aus ländlichem Volksfest und Schulsporttag. Die Teilnehmer waren Profis und Amateure, Männer und Frauen, Einheimische und Auswärtige, es gab Veranstaltungen für Jung und Alt. Auf dem Programm standen Cricket, Fußball, Bogenschießen, Hindernis- und andere Läufe, mit beträchtlichen Geldpreisen für die professionelle Variante der Wettkämpfe. Daneben gab es Rennen mit verbundenen Augen, Schubkarrenrennen und Sackhüpfen, Eselreiten, Blinde Kuh und, ganz besonders beliebt, das pseudomittelalterliche Ringreiten. Als die Spiele immer größeren Anklang fanden, ergänzte Brookes sie um Prozessionen und prunkvolle Umzüge, Gedichtwettbewerbe, Schießen, Radfahren und einen Pentathlon mit wechselnden Disziplinen.

Abgesehen von der einen oder anderen klassischen Referenz wie dieser, hatten die Spiele von Much Wenlock nur einen sehr losen Bezug zu ihren olympischen Vorläufern. Die Bezeichnung »Olympian« sollte lediglich ein für die viktorianische Zeit typisches soziales Unterfangen veredeln, das Bürgerstolz und Mäzenatentum, sinnvolle Freizeitgestaltung und Unterhaltung sowie Brookes aufrichtig empfundene Sorge um das Wohlergehen der armen Landbevölkerung und der urbanen Arbeiterklasse miteinander verknüpfte. 1860 wandte sich Brookes an die Bürgermeister von fünf Gemeinden in der Gegend und schlug vor, die Kräfte zu bündeln und gemeinsam die Shropshire Olympian Games auszurichten. Diese wurden in den folgenden vier Jahren ausgetragen und lockten bis zu 15.000 Zuschauer an, bis die Spiele 1864 in Shrewsbury von sintflutartigen Regenfällen heimgesucht wurden und mangelnder bürgerlicher Enthusiasmus das Ende der Shropshire Olympian Games bedeutete.

Über mangelnden bürgerlichen Enthusiasmus konnte sich der Liverpool Athletic Club nicht beklagen, der 1862 mit dem ausdrücklichen Ziel gegründet wurde, den Amateursport und die ritterlichen Tugenden des Fairplay zu fördern und sowohl die niederen Stände als auch die im Sitzen arbeitenden Skeptiker des Bürgertums von den Vorzügen der Leibeserziehung zu überzeugen.3 Die treibenden Kräfte des Klubs waren Charles Melly und John Hulley. Melly, der am Rugby College studiert hatte, einer Bastion der Sportethik, war ein umtriebiger Philanthrop, der die Stadt mit Trinkbrunnen, neuen Parks und Grünanlagen beschenkte und Sportanlagen bauen ließ. John Hulley war ein extravaganter, selbsternannter »Gymnasiarch« mit Hang zu ausgefallener Garderobe, der immensen Enthusiasmus für die moralischen und körperlichen Segen der sportlichen Betätigung hegte. Beide stimmten Juvenals inzwischen wohlbekanntem Motto mens sana in corpore sano zu – ein gesunder Geist in einem gesunden Körper – und nutzten es im Juni 1862 als Überschrift für eine Anzeige, mit der sie in der Liverpool Daily Post für ihr »Grand Olympic Festival« warben. Anders als in Much Wenlock gab es keine Geldpreise und Startplätze für Profis, sondern stattdessen Silber- und Bronzemedaillen für »gentlemen amateurs« und entsprechend gesalzene Ticketpreise. Die betuchte Klientel ergötzte sich an Hindernisrennen, Turnen, Fechten (mit Säbel und Schwert), Ringen und Boxen, Laufen, Springen und Cricketball-Wurf. »Das Komitee wird keine Mühen scheuen …, um ein Festival auszurichten, das sich seines unsterblichen Titels würdig erweist«, hieß es.

Das Liverpool Grand Olympic Festival gestaltete sich chaotisch, war aber immens populär. Trotz eines hanebüchenen Zeitplans und Zuschauermassen, die sich bis auf die Spielfelder ergossen, erlebte das Festival drei Austragungen. Bei der zweiten von 1863 waren 12.000 Zuschauer dabei. Die Liverpool Post schrieb entzückt: »Sollte je ein Name in ziemlicher Weise von einer antiken auf eine moderne Institution übertragen worden sein, dann im Falle dieser olympischen Allusionen, mit denen sich die großen Sportfeste unserer Zeit von bloßen schäbigen Wettkämpfen unterscheiden.« Das Festival von 1864, abgehalten im Zoologischen Garten, erwies sich als weniger erbaulich: Den zahlreich angereisten professionellen Athleten wurde samt und sonders die Teilnahme verweigert. Unbeirrt stellten sie ein eigenes Rahmenprogramm auf die Beine, das von örtlichen Buchmachern gesponsert wurde.

1865 trafen in London führende Vertreter dieser proto-olympischen Bewegungen zusammen, um die National Olympian Association (NOA) zu gründen. Unter den Anwesenden waren u. a. John Hulley und andere Vertreter aus Liverpool, Dr. Brookes sowie Ernst Raven-stein von der in London ansässigen German Gymnastic Society. Die NOA sollte eine Organisation sein, um die »vielen Klubs für Sport und Leibesübungen, die sich im ganzen Land ausbreiten, zu bündeln« und landesweite Spiele »für jedermann« auszurichten – wobei »jedermann« Frauen und Profis nicht einschloss, aber immerhin war man hinsichtlich der sozialen Herkunft neutral. London war die naheliegende Wahl als Schauplatz der ersten von der NOA ausgetragenen Spiele im Jahr 1866. Abgesehen von der immensen Bevölkerung und dem damit verbundenen Zuschauerpotenzial, war London Sitz der meisten wichtigen Sport-organisationen – wie dem Marylebone Cricket Club und der neu gegründeten Football Association – und die Heimat für viele der herausragenden aristokratischen Sportsmänner.

Keiner von ihnen war besonders angetan von der Gründung der NOA und dem Aufruf, den Spielen beizuwohnen. Dass ein paar Niemande aus der Provinz und ein deutscher Turner die organisatorische und symbolische Aufsicht über den Sport an sich reißen könnten, war einfach undenkbar. Rasch wurde eine alternative Organisation ins Leben gerufen, der Amateur Athletics Club (AAC). Dessen im Februar 1866 veröffentlichtes Programm indes wies, wie damals angemerkt wurde, »Anzeichen auf, über Weihnachten zusammengeschustert worden zu sein mit keiner anderen Absicht, als die National Olympian Association zu vereiteln«.4 Um ihre Opposition zu verdeutlichen, trug die neue sportliche Elite ihre eigenen nationalen Meisterschaften in den eleganten Gärten von Beaufort House im Londoner Westen aus, verlangte als Eintrittsgeld die astronomische Summe von einem Guinea und verfügte, dass jeder, der an einem offenen Wettkampf oder den Spielen der NOA teilgenommen hatte, bei den ihrigen nicht zugelassen wäre. Die National Olympian Games erwiesen sich als volksnäher und lockten 10.000 Zuschauer zur Leichtathletik im Crystal Palace im August 1866. Eine ähnliche Zahl versammelte sich ein Jahr später in Birmingham, um bei Schwimmen, Laufen und Turnen zuzuschauen.

Das war aber auch schon der Höhepunkt des olympischen Revivals in Großbritannien. Von der sportlichen Elite der Hauptstadt und der Universitäten isoliert und bisweilen aktiv bekämpft, hatte diese Allianz provinzieller Enthusiasten und Philanthropen weder das finanzielle noch das politische Kapital, um ein dauerhaftes und erfolgreiches Sportfest oder gar eine Bewegung zu etablieren. 1868, außerstande einen namhaften Sportklub in einer der größeren Städte als Gastgeber zu gewinnen, wichen die Spiele auf die kleine Ortschaft Wellington in Shropshire aus. 1874 und 1875 wurden zwei weitere Male Spiele in Shropshire ausgetragen, die aber in keiner Weise mehr als national bezeichnet werden konnten. Unterdessen stärkte die AAC ihren Einfluss auf die landesweite Leichtathletikszene und wandelte sich in die Amateur Athletics Association (AAA) um, die sich zum Dachverband der britischen Leichtathletik mauserte. Die letzten Spiele der NOA, 1883 im winzigen Dorf Hadley nördlich von Much Wenlock ausgetragen, waren mikroskopisch klein.

Dr. Brookes und die Spiele von Much Wenlock lebten fort. Brookes machte sich weiter bei der britischen Regierung für die Förderung der Leibeserziehung stark und korrespondierte mit den griechischen Behörden und anderen über die Möglichkeit, die Olympischen Spiele wiederzubeleben, doch seine Bemühungen blieben lange wirkungslos. Die olympische Idee überdauerte in Großbritannien lediglich im kleinen Städtchen Morpeth in Nordosten. Dort wurden von 1870 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs die Morpeth Olympic Games ausgetragen – eine urbanere, wüstere und kommerziellere Version der Spiele von Much Wen-lock, ohne pseudoklassischen Pomp oder auch nur einen Funken von deren hellenischen Ambitionen.

Hellenische Ambitionen fielen im modernen Griechenland weitaus stärker ins Gewicht. Wie wir gehört haben, hatte der Dichter Panagiotis Soutsos 1835 – wenige Jahre nachdem Griechenland die Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich erlangt hatte – als Erster dazu aufgerufen, die Olympischen Spiele wiederzubeleben. Soutsos begeisterte auch den sagenhaft reichen Schiffsmagnaten Evangelos Zappas für die Sache.5 Der wollte sein Vermögen seinem Vaterland vermachen und schlug 1856 König Otto eine Neuauflage der Olympischen Spiele vor. Sie sollten im dann von Grund auf sanierten Panathinaiko-Stadion (300 v. Chr. erbaut, aber seit Langem zerstört) mitten in Athen ausgetragen werden und sahen Preise für die Sieger vor, das alles finanziert durch eine ansehnliche finanzielle Zuwendung. Außenminister Alexandros Rhankaves, dem ein solches Interesse am Sport unbegreiflich war, entgegnete, man solle das Geld vielleicht lieber in einen neuen Bau investieren, in dem alle vier Jahre eine Ausstellung der landwirtschaftlichen, industriellen und erzieherischen Fortschritte Griechenlands gezeigt werden könnte. Einen Tag im Ausstellungsprogramm würde man dann für sportliche Veranstaltungen vorsehen. 1858 wurde Einigkeit erzielt und ein Jahr später die ersten Olympien ausgetragen. Sie bildeten allerdings nur einen kleinen Bestandteil des vierwöchigen Programms mit Landwirtschaftsmessen, Industrieausstellungen und Kunst- und Dramawettbewerben.

Ausgetragen an drei Sonntagen auf einem gepflasterten Platz in Athen, waren Läufe, Pferdeund Wagenrennen, auf antiken Quellen basierende Wettbewerbe im Diskus- und Speerwerfen und das Erklettern eines eingefetteten Masts zu sehen. Die Spiele wurden vom Königspaar eröffnet, es gab Medaillen mit der Aufschrift »Erste Olympische Krone« und Preise im Überfluss. Der Zuschauerandrang war offenbar groß, Athleten reisten aus dem gesamten griechischsprachigen Raum an, um teilzunehmen, doch die Organisation ließ zu wünschen übrig. Nur wenige Zuschauer konnten tatsächlich etwas von den Wettbewerben sehen, und als die wogende Menge nach vorne drängte, so berichtete die lokale Presse, erwies sich ein Polizist, »der eigentlich für Ordnung sorgen sollte, als so unfähig, dass sein Pferd durchging und nach Männern und Frauen trat«.6 Ein besonders verächtlicher Kolumnist befand, es habe »nie eine so lächerliche Affäre gegeben wie die Komödie, die sich auf der Plateia Loudovikou abspielte, und man ginge wahrlich fehl, sie als Olympische Spiele zu bezeichnen«.7

Zappas verstarb 1865 und hinterließ einen Großteil seines gewaltigen Vermögens der weiterhin bestehenden Aufgabe, die Spiele wiederzubeleben. König Otto war mittlerweile im Exil; 1862 war er von Georg I. abgelöst worden, einem 18-jährigen dänischen Prinzen, auf den sich die europäischen Großmächte und die griechische Elite geeinigt hatten. Als Sport-enthusiast, aber auch eingedenk seiner bedingten hellenischen Legitimation, stimmte Georg bereitwillig der Austragung der zweiten Olympien im Jahr 1870 zu, erneut im Rahmen eines größeren agrarindustriellen Festivals. Mit einem Teil des Geldes aus Zappas’ Nachlass wurde das Panathinaiko-Stadion neu erbaut – wenn auch noch nicht in Marmor ausgekleidet –, eine kleine Haupttribüne errichtet und Sportlern, die aus der ganzen griechischen Welt anreisten, die Übernahme der Reisekosten und Preise in Aussicht gestellt. Darüber hinaus gab es eher symbolische Anleihen an das Altertum: So waren Teilnehmer gehalten, einen feierlichen Eid zu schwören, und es gab Herolde, die die Wettbewerbe ankündigten. Die Spiele begannen mit dem Singen der olympischen Hymne, und die Sieger erhielten Lorbeerkränze.

Die Spiele lockten 30.000 Zuschauer an und wurden von den meisten Griechen als voller Erfolg gewertet. Manche aber, wie Philip Ioannou, ein aristokratischer Klassizist und Mitglied des Organisationskomitees, waren bestürzt über die Teilnahme von Athleten aus der Arbeiterklasse – wie Troungas, der Mastkletterchampion und Steinmetz – und verzagten angesichts des Fehlens »wohlerzogener Jugend«. Bei den nächsten Spielen 1875 sorgte der Organisator und Sportlehrer Ioannis Fokianos dafür, dass nur Athleten von »höchstem gesellschaftlichem Stande« mitmachen durften. Potenzielle Kandidaten mussten sich über ihre Universitäten bewerben und dann zwei Monate lang Fokianos’ eigene Turnhalle besuchen. Somit war gewährleistet, dass das Teilnehmerfeld gespickt war mit »jungen Männern aus kultivierten Kreisen … statt den Burschen aus der Arbeiterschicht, die zu den ersten beiden Olympien gekommen waren«. Obwohl die Presse frohlockte, dass sie »viel anständiger« sein würden, gerieten die Spiele zum Desaster. Das Stadion war für die Wettbewerbe völlig ungeeignet, die Zuschauer mussten Sträucher und Steine entfernen, um einen Sitzplatz zu finden, und die angesichts der unseligen Organisation der Veranstaltung ohnehin gereizte Stimmung verschlechterte sich noch durch die langatmigen und unverständlichen Reden von Fokianos.

Wenig überraschend hielt sich das Komitee der Olympien in den folgenden Jahren bedeckt und investierte seine Zeit und einen Großteil von Zappas’ Nachlass in den Bau eines prachtvollen, seit Langem in Aussicht gestellten Ausstellungsgebäudes: das tempelartige, neoklassizistische Zappeion, das 1888 vollendet wurde. Sie regten eine vierte Auflage der Olympien an, aber so richtig mit dem Herzen bei der Sache waren sie nicht. Der Erneuerungsgeist lebte fort in Gestalt der neu gebildeten Panhellenischen Gymnastischen Gesellschaft – dem Zentrum des aristokratischen Sports in Athen –, die 1891 und 1893 eigene kleine panhellenische Spiele abhielt und sowohl König Georg als auch Kronprinz Konstantin als Zuschauer und Schirmherren gewann. 1890 erließ Konstantin eine königliche Verordnung, derzufolge im Jahr 1892 erneut ein vierjähriger Zyklus griechischer Olympien aufgenommen würde. Aber für die Wiederbelebung der Spiele sollten die griechische Krone und ihre Verbündeten auf Unterstützung von außerhalb angewiesen sein.

Die Spiele

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