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c) Raub mit Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung (§ 250 Abs. 1 Nr. 1c StGB)

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Der als konkretes Gefährdungsdelikt ausgestaltete § 250 Abs. 1 Nr. 1c StGB qualifiziert § 249 StGB für den Fall, dass durch die Raubtat eine andere Person in die konkrete Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht wird.[562] Dagegen enthielt § 250 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. den Qualifikationstatbestand der Herbeiführung einer Todesgefahr oder Gefahr einer schweren Körperverletzung i.S.d. § 224 StGB a.F. (§ 226 StGB n.F.). Diese Raubqualifikation hat kein Pendant in den Diebstahlsqualifikationen (wohl aber in anderen Qualifikationstatbeständen und Strafzumessungsregeln wie z.B. §§ 113 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, 177 Abs. 7 Nr. 3, 221 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 225 Abs. 3 Nr. 1, 232 Abs. 3 Nr. 2, 238 Abs. 2, 239 Abs. 3 Nr. 2, 306b Abs. 1, 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB), weil sie auf das raubspezifische Nötigungselement abstellt. In der Praxis wird in den hier in Betracht kommenden Konstellationen zudem der Tatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB greifen, weil das Opfer „allenfalls in Ausnahmefällen ohne Verwendung des gefährlichen Tatwerkzeugs in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht werden kann“.[563] Zudem wird häufig auch der schwerere § 250 Abs. 2 Nr. 3b StGB greifen, hinter den § 250 Abs. 1 Nr. 1c StGB zurücktritt.[564] Es handelt sich um keine Erfolgsqualifikation i.S.d. § 18 StGB.[565] Der Eintritt der schweren Gesundheitsschädigung ist schon vom Wortlaut her nicht notwendig.[566] Notwendig ist nach h.M. aber eine konkrete Gefahr, dass ein Verletzungserfolg in Form einer schweren Gesundheitsschädigung eintritt;[567] eine abstrakte Gefahr ist nach dem Wortlaut nicht ausreichend („durch die Tat in die Gefahr […] bringt“). Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn durch das vom Täter beherrschte Tatgeschehen eine Situation geschaffen wurde, in der die Möglichkeit des Erfolgseintritts so nahe liegt, dass ihr Eintritt nur noch vom Zufall abhängt.[568] Bei Untauglichkeit des Mittels fehlt es an der konkreten Gefahr.[569]

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Erforderlich ist, dass „eine andere Person“ in die Gefahr gebracht wird. Erfasst sind damit jedenfalls das Raubopfer sowie unbeteiligte Dritte.[570] Der Wortlaut schließt explizit nur denjenigen aus, der selbst die gefährdende Handlung vornimmt.[571] Umstritten ist daher, ob auch andere Tatbeteiligte, Täter oder Teilnehmer, betroffen sein können. Überwiegend wird vertreten, nur ein an der Tat Unbeteiligter sei ein „anderer“ i.S.d. Vorschrift. Raubbeteiligte würden nicht zu den von § 250 Abs. 2 Nr. 3a StGB geschützten Personen gehören, da sie „im Lager“ des Normadressaten stünden.[572] Dies läuft auf eine teleologische Reduktion des Qualifikationstatbestandes hinaus. Diese „Lagertheorie“ vermag indes nicht zu überzeugen.[573] Grund für die Strafschärfung ist die dem konkreten Vorgehen immanente Gefährlichkeit. Ob sich diese in der Person des Raubopfers, eines unbeteiligten Dritten oder eines Beteiligten (der aus Sicht des Täters immer noch ein „anderer“ ist) manifestiert, ist für die Feststellung der besonderen Gefährlichkeit des Täters unbedeutend. Begehen zwei Personen mittäterschaftlich einen Raub und kommt es dabei zu Gewalttätigkeiten, infolge deren einer der beiden von dem anderen in entsprechendem Maße gefährdet wird, ist nicht einzusehen, warum eine Strafbarkeit des Gefährdenden wegen schweren Raubes von vornherein ausscheiden soll. Je nach Fallkonstellation kommt ein Ausschluss der objektiven Zurechnung (des Gefahrerfolgs) aufgrund einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung des Tatbeteiligten oder eine rechtfertigende Einwilligung in Betracht.[574] Die h.L. würde den Täter jedoch auch dann nicht wegen schweren Raubes bestrafen, wenn er, etwa um die gesamte Beute für sich zu erhalten, in Unkenntnis des Tatbeteiligten eine Waffe mit sich führt und absichtlich auf diesen schießt.[575] In dieser Konstellation ist die besondere Gefährlichkeit des Täters – das spezifische Unrecht des § 250 Abs. 2 Nr. 3a StGB – jedoch nicht von der Hand zu weisen. Dass in der Konsequenz eine Bestrafung des gefährdeten Beteiligten aufgrund seiner eigenen Gefährdung in Betracht kommt, steht dieser Lösung nicht entgegen.[576] Entweder ist die Strafbarkeit aufgrund eines Exzesses des Mit- bzw. Haupttäters zu verneinen oder – im Fall eines Irrtums des Gefährdenden über die Person des Gefährdeten – Teil des Planverwirklichungsrisikos.[577]

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Eine Gesundheitsschädigung ist gegeben, wenn die Gesundheit ernstlich, einschneidend und nachhaltig beeinträchtigt ist.[578] Dies ist jedenfalls immer dann zu bejahen, wenn intensivmedizinische Maßnahmen oder umfangreiche und langwierige Rehabilitationsmaßnahmen zur Wiederherstellung der Gesundheit und/oder zur sonstigen Beseitigung der Tatfolgen notwendig sind.[579] Der Begriff der schweren Gesundheitsschädigung ist dabei nicht mit dem der schweren Körperverletzung i.S.d. § 226 StGB gleichzusetzen, sondern ist weiter.[580] Erfasst sind daher auch die Gefahr einer länger andauernden Krankheit, einer ernsthaften Störung der körperlichen Funktionen oder einer erheblichen Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit/Arbeitskraft.[581] Umfasst sind nicht nur die Gefahren, die der konkreten Raubhandlung generell für jeden von ihr potenziell Betroffenen innewohnen würden, sondern auch solche, die auf einer individuellen Schadensdisposition (Anfälligkeit) des konkreten Opfers (z.B. Altersschwäche, Gebrechlichkeit) basieren.[582]

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Ausreichend ist jede Handlung im Zusammenhang mit der Tatbegehung; sie muss lediglich während der Begehung des Raubes (und nicht im Vorfeld oder Vorbereitungsstadium) vorgenommen werden.[583] Auch hier stellt sich die Frage, ob die Qualifikation noch nach Vollendung verwirklicht werden kann (Rn. 121). Folgt man der Rspr. und einem Teil der Lehre, sind auch Handlungen zwischen Vollendung und Beendigung umfasst, zumindest, wenn sie noch von Zueignungs- bzw. Beutesicherungsabsicht getragen sind.[584] Dagegen sprechen jedoch die bereits im Zusammenhang mit § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB aufgeführten Argumente (Rn. 121), insbesondere die Gefahr der Umgehung der Voraussetzungen des § 252 StGB.[585] Darüber hinaus setzt § 250 Abs. 2 StGB ausdrücklich voraus, dass die Gefahr „durch die Tat“ eintritt. Der Begriff der „Tat“ bezeichnet im StGB grundsätzlich nur das tatbestandsmäßige Geschehen (sog. tatbestandsbezogener Tatbegriff).[586] Dieses endet aber – außer bei den Dauerdelikten, zu denen der Raub nicht gehört – mit der Vollendung des Delikts.[587] Deshalb scheint eine Unvereinbarkeit der Auslegung der Rspr. mit dem aus Art. 103 Abs. 2 GG fließenden Analogieverbot durchaus naheliegend. Folglich ist hier erst recht die Ansicht der h.L. vorzugswürdig, wonach die Qualifikation nach Vollendung des Raubes nicht mehr verwirklicht werden kann.[588]

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Zwischen konkreter Gefahr und der schweren Gesundheitsschädigung muss ein Kausalzusammenhang („durch die Tat“, also durch den Raub) bestehen.[589] Allerdings muss die Gefahr nötigungs- und nicht wegnahmebedingt (etwa aufgrund der Wegnahme eines lebenswichtigen Medikaments) verursacht worden sein.[590] Die wegnahmebedingte Gefahr besteht bei einem Diebstahl nämlich ebenfalls, § 244 StGB enthält aber keine entsprechende Qualifikation.[591]

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Erforderlich ist zumindest ein bedingter Gefährdungsvorsatz,[592] Fahrlässigkeit reicht nicht aus.[593] Bei Beteiligung mehrerer reicht es aus, wenn ein Beteiligter mit der Gefährdung einverstanden ist, die ein anderer herbeiführt.[594]

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