Читать книгу Ein kunterbunter Streifzug durch den Jahreskreis - Dieter Kremp - Страница 51
DUFTENDE MÄDCHENSCHÖNHEITEN IM MÄRZ
ОглавлениеVeronika, der Lenz ist da …
„Veronika, der Lenz ist da …“, heißt es in einem bekannten Frühlingslied der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts, das jetzt wieder in Mode gekommen ist. Mit dem wunderschönen Mädchennamen Veronika bezeichnen die Botaniker den blau blühenden Ehrenpreis, der ab Mitte März für bunten Flor in unseren Wiesen sorgt.
Kommt der Frühlingsherold, bekränzt mit seinem Blütenfüllhorn um Stirn und Haar, öffnen eine Reihe von Mädchenschönheiten ihre duftenden Blütenaugen. Und seltsam ist es schon, dass gerade der Frühling uns Blumen schenkt, die allesamt hübsche Mädchennamen tragen.
Als häufig im Laubwald vorkommende Frühlingsblume erhielt das Buschwindröschen oder die Anemone (Anemone nemerosa) im Volksmund viele Namen. Wegen der weißen Blüten nennt man die Anemone auch Mehlblume, Schneerose und Nacktes Weib. In der Antike galt die Anemone als Symbol für alles Vergängliche, da die Blütenblätter bald abfallen. („Anemos“ = griechisch „Wind“). Die alten Römer feierten zur Hochzeit ihrer Blüten das „Floralienfest“. Das Blumenfest zu Ehren der Göttin Flora sollte den Vollfrühling herbeirufen.
Anemonen begnügen sich nicht mit halben Sachen. Wo sie sich ansiedeln, bilden sie bald große Teppiche. In diesen Teppichen nicken die zarten Blüten, nicht immer ganz weiß, teilweise auch rosa angehaucht, und das filigrane Laub ist auch ohne Blüten noch sehr schön.
In der griechischen Mythologie stellt Apoll, der Sohn des Zeus, der schönen Nymphe Daphne leidenschaftlich nach. Sie läuft ihm davon, er eilt auf beflügelten Sohlen hinterher. Fast hat er sie eingeholt, da schickt sie ein Stoßgebet zum Himmel – und wird in einen Lorbeerstrauch verwandelt. Apollo hat das Nachsehen und statt einer Geliebten den Lorbeer, der ihn von da an ebenso schmückte wie so manchen seiner poetischen Schutzbefohlenen. So kam die Daphne (Daphne mezerum) zu ihrem hübschen Mädchennamen.
Zuerst riecht der Wanderer den ansprechenden Balsamduft, den die rosaroten bis hell lila leuchtenden Blüten ausströmen. Damit lockt die Daphne die ersten Bienen des Jahres an, fängt sie doch schon Ende März an zu blühen. Die sonore Duftmusik der Daphne betäubt den Besucher in einem ährenartigen Blütenstand. In schattigen Laub- und Mischwäldern leuchtet die Daphne, die ihrer Seltenheit wegen geschützt ist. Der Seidelbast mit den fast eiförmigen, scharlachroten Beeren ist stark giftig. Im Garten angepflanzt, fühlt sich die Daphne mit ihrem Frühlingsflor am wohlsten im Halbschatten.
Mit der gleichnamigen Blume identisch ist auch der weibliche Vorname Magnolia. Der frühblühende Zierbaum mit seinen tulpenförmigen Blüten, aus China und Japan stammend, hat seinen Namen nach dem französischen Botaniker Magnol. Die Magnolia wird fälschlicherweise auch als Tulpenbaum bezeichnet.
Die Echte Sternmiere Stellaria, im Volksmund auch Stella genannt, hat wunderschöne große Sternblüten, die sich ab Ende März/Anfang April in Wäldern und unter Gebüschen öffnen. Die schneeweißen Blüten leuchten im Gras und an dunklen Waldrändern mit ganz besonderer Intensität. Die Blüten entfalten sich mit ihren zehn Strahlen zu regelmäßigen weißen Sternen. Jedes der fünf Blütenblätter, ein so genanntes Dichasium, ist charakteristisch für die Familie der Nelkengewächse. Die Blüten bilden am Grund der Staubblätter aus grünen Drüsen Nektar und werden von Bienen, Fliegen und Schmetterlingen besucht.
Veronika, der Ehrenpreis, kündigt mit dem Aufblühen seiner himmelblauen Blüten den endgültigen Sieg des Lenzes über den Winter an. Der Echte Ehrenpreis (Veronica officinalis) ist die „siegbringende“ Heilpflanze. Im Volksmund trägt sie verschiedene Namen: „Himmelsblümchen“, „Sternling“ und „Männertreu“. Sie wächst auf trockenen Wiesen, auch in lichten Laubwäldern, auf Heide und Magerrasen. Im Mittelalter glaubte man, ein Teeaufguss von „Männertreu“ würde die Treue zur eigenen Frau erhalten.
Doch nicht die Schlüsselblume, sondern das Veilchen Viola wurde zum Symbol des Frühlings. Trotz seiner sprichwörtlichen Zurückhaltung, Sinnbild der Sittsamkeit und Bescheidenheit, gibt das Veilchen den Ton in der Duftmusik der Frühblüher. Wenn wir die Veilchenplätze in den Wäldern unserer Kindheit ins Gedächtnis zurückrufen, wird uns inne, welch starken Eindruck auch hier bescheiden gebückte Winzigkeit hervorrufen kann, wo sie in Massen auftritt. Das ist in der Frühlingssonne schon eine betörende Duftwolke, die aus dem Teppich unter dem Haselstrauch ausströmt. Aber ach, wie rasch ist die Vergänglichkeit des Duftgenusses bei Veilchen! Das Wohlriechende Veilchen (Viola odorata) weckt vielleicht außer der Rose die meisten romantischen und poetischen Gedankenverbindungen aller Blumen.
Das Veilchen ist die Blume der Liebenden. Die Sprache der Veilchen ist die Botschaft der Zärtlichkeit, der nicht drängenden Liebe. Wollte man Venus, die Göttin der Liebe, ins Brautgemach einladen, dann wurde das Bett mit Veilchen geschmückt. Duft und Farbe der Blüten üben eine aphrodisierende Wirkung aus.